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Tiergarten Die neuen Besucherlieblinge

Zum Dahinschmelzen niedlich bis streitlustig: Im Halberstädter Tiergarten gibt es reichlich Neuzugänge.

Von Sandra Reulecke 28.07.2019, 04:00

Halberstadt l Er wirkt arrogant und ein wenig gelangweilt, wie er mit hoch erhobenen Haupt durch das Gehege stolziert. Die Menschen, die hinter dem Zaun stehen, würdigt er kaum eines Blickes – allen Rufen und Locklauten zum trotz. Wer heißt wie ein römischer Kaiser, verhält sich eben auch wie ein solcher. Mit einer Ausnahme: Wer etwas zu essen hat, erhält sofort Neros Ausfmerksamkeit. Dann lässt er sich sogar geduldig über die tiefschwarzen Locken streicheln. Nero ist ein Neuzugang im Halberstädter Tiergarten und zählt schon jetzt zu den Besucherlieblingen.

Der Alpakahengst ist vier Jahre alt, lebte zuvor bei einem privaten Züchter und ist seit etwa einem Monat in Halberstadt zuhause. Sein Umzug hat einen Grund: Er soll für Nachwuchs im Gehege sorgen, berichtet Tiergarten-Chef David Neubert bei einem Rundgang über das Gelände.

Der „Kaiser“ ist übrigens ein Tausch für den „Hunnen-König“: Alpaka-Hengst Attila wurde dafür abgegeben. Das sei ein übliches Prozedere in Zoos und Tiergärten sowie bei Züchtern, informiert der Tiergarten-Chef. „Um einen gesunden Gen-Pool zu behalten, werden Tiere untereinander getauscht oder an andere Einrichtungen abgegeben“, erläutert er weiter. So werde Inzucht vermieden und verhindert, dass der Tierbestand überaltert.

Und manchmal sind Tragödien dafür verantwortlich, dass neue Tiere nach Halberstadt kommen – wie im Fall der Ziegen. Sechs sind im Frühjahr qualvoll verendet. Als Todesursachse wurde Mangelernährung nachgewiesen. Jedoch wurden Tiere nicht etwa zu wenig gefüttert.

Vielmehr sind sie verendet, weil es einige Besucher vermeintlich gut mit ihnen meinten und ihnen etwas zu fressen ins Gehege warfen. Allerdings Futter wie Brot und Brötchen, das den Tieren nicht bekam. Der Tiergartenchef appelliert deshalb an die Besucher, kein Futter mitzubringen und stattdessen das am Kassenhäuschen erhältliche Zoo-Futter zu geben. Nun soll der kleinste Bewohner im Ziegengehege dafür sorgen, dass sich der Bestand bald erholt. Der zutrauliche weiß-schwarze Bock, ein knappes halbes Jahr alt, stammt aus dem Tierpark Thale.

Eine weitere Anreise hatte Karin: Die acht Jahre alte Luchsdame soll ihrem Artgenossen Karli Gesellschaft leisten. „Sie ist der Chef im Ring“, berichtet David Neubert lachend. Karli habe aber offensichtlich kein Problem damit, die zweite Geige zu spielen.

Durchsetzungsvermögen beweisen auch die beiden Erdmännchen, die gerade in das Gehege ihrer drei Artgenossen gezogen sind. Das Männchen und das Weibchen stammen aus dem Zoo Aschersleben. „Das neue Weibchen hat gleich klargestellt, wer das Sagen hat, sie ist die Anführerin“, so Neubert.

Ein ähnliches Verhalten legt Karsten, das Stinktier, an den Tag. Er wurde vor gut drei Wochen von einem Privathaushalt übergeben. „Obwohl er keine Stinkdrüse mehr hat und kleiner ist als Stinki, der schon länger im Tiergarten lebt, ist er eindeutig der Boss“, berichtet Neubert lachend.

Seit wenigen Wochen gibt es zudem zwei neue Tierarten in der Halberstädter Anlage zu beobachten: Die beiden Schweine-Weibchen – eine Mischung aus Hängebauch- und Hausschwein – spielen gerne Fangen. Ein Hobby, dass zwei weitere Neuzugänge teilen: die Frettchen. Bislang teilen sich zwei Männchen das Gehege, das bald für sie umgestaltet werden soll. Es steht bereits fest, dass eines der Tiere nicht lange bleiben wird. „Wir tauschen es gegen ein Weibchen“, kündigt David Neubert an und hofft, dass es dann bald Nachwuchs gibt.

Ein paar Gehege weiter, bei den Maras, hat sich der bereits eingestellt – zur Überraschung der Tiergarten-Mitarbeiter. „Am Wochenende haben wir das Junge entdeckt“, berichtet Neubert. Der kleine Pampahase, wie die Tiere auch genannt werden, kommt besonders bei Kindern gut an: Obwohl sie eine Unterfamilie der Meerschweine bilden, sehen Maras aus wie eine Mischung aus Hase, Reh und Känguru.

Rund 60 Arten mit 250 Tieren sind nun im Halberstädter Tiergarten zuhause. Betreut werden sie von vier Tierpflegern und dem Zooinspektor Michael Bussenius. Unterstützung gibt es aktuell von zwei Bundesfreiwilligen sowie von Jemandem, der ein freiwilliges ökologisches Jahr im Tiergarten leistet. „Außerdem haben wir zwei Auszubildende, im August kommt ein weiterer dazu“, informiert David Neubert.

Was sie während ihrer Arbeit und in der Schule lernen, geben die Lehrlinge auch an Kinder weiter: im Grünen Klassenzimmer. Bislang nutzen das nur die Kinder aus der Anne-Frank-Schule. Doch dabei soll es nicht bleiben, wenn es nach David Neubert geht. Er möchte die Unterrichtsstunde im Tiergarten zu unterschiedlichen Themen für alle Kindergärten und Grundschulen der Stadt anbieten. Nicht nur, damit die Mädchen und Jungen mehr über Tiere erfahren. Die Azubis profitieren ebenfalls. „Sie üben und sind so bei den mündlichen Prüfungen viel lockerer“, sagt David Neubert. Und auch, wenn die Schulklassen nach seinem Konzept keinen Eintritt zahlen sollen, trage das Grüne Klassenzimmer zu mehr Einnahmen bei. „Wenn es den Kindern bei uns gefällt, kommen sie mit ihren Eltern wieder“, sagt er. Darüber, ob aus dem Plan Realität werden kann, hat der Stadtrat zu entscheiden.