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Tiergarten So geht es Känguru, Kamel und Co.

Der Halberstädter Tiergarten ist geschlossen. Vermissen die tierischen Bewohner die Besucher? Was passiert trotz Schließung?

Von Sandra Reulecke 13.04.2020, 06:14

Halberstadt l Statt einladend bunter Osterschaubilder erwartet Besucher ein hohes, geschlossenes Eisentor am Eingang zum Halberstädter Tiergarten. Die Anlage darf nicht geöffnet werden, eine Anordnung zur Eindämmung der Corona-Infektionen. Und ein herber Schlag, sagt Tiergarten-Chef Daniel Neubert.

Immerhin ist das Osterfest im Tiergarten seit mehr als 30 Jahren feste Tradition. 2.000 bunte Eier werden jedes Mal versteckt, Aktionen und Spiele vorbereitet. All das darf dieses Jahr nicht stattfinden. „Ostern trifft uns hart“, so Neubert. Normalerweise werde die Anlage in den Spiegelsbergen an den Feiertagen und den dazugehörigen Ferien zum Besuchermagneten, nicht nur für Halberstädter.

Nun sind die Wege in der Anlage beinahe verwaist: Keine Gäste, welche die zahmen Esel und Ponys streicheln. Keine Familien, die vor den Gehegen für die Kameras posieren. Keine Kinder, die auf dem Spielplatz toben. Die neue Situation wirkt sich nicht nur auf die Menschen aus.

„Unsere Affen vermissen die Besucher und den Trubel“ – mit diesem Fazit zur Corona-bedingten Zwangspause im Tiergarten Nürnberger ist zum Beispiel Zoodirektor Dag Encke schon häufig zitiert worden. Wie ist es in Halberstadt? Merken auch die Bewohner des hiesigen Tiergartens, dass etwas anders ist?

„Die Tiere auf der Streichelwiese vermissen definitiv die raschelnden Tüten“, berichtet Viktoria Stelter lachend. Das Geräusch hören sie an normalen Tagen häufig. Inhalt der Tüten: Leckerlis, mit denen die Besucher Ponys, Ziegen und Co. füttern, wie die Auszubildende zur Tierpflegerin erläutert.

Auch bei anderen Tieren habe sie in jüngster Zeit beobachtet, dass diese schnell an den Zaun eilen, sobald sich ein Mensch nähert – in der Hoffnung auf Streicheleinheiten und Futter. Während diesen offenbar der menschliche Kontakt fehlt, fühlen sich andere ohne Besucher sogar ein bischen wohler. „Die Nasenbären sind jetzt etwas häufiger draußen als sonst“, berichtet David Neubert.

Noch deutlicher sind die Auswirkungen der Zwangspause für die Mitarbeiter. „Aufgrund der aktuellen Bestimmungen dürfen unsere Praktikanten und Stundenableister nicht mehr kommen“, so Neubert. Zudem falle ein Mitarbeiter aus, der für eine überbetriebliche Ausbildung im Tiergarten arbeitet. Die anderen beiden Azubis haben zwar aktuell keine Berufsschule, dürfen aber arbeiten. Ebenso die beiden Mitarbeiter, die ein freiwilliges ökologisches Jahr im Tiergarten leisten.

Zum Glück, denn trotz Schließung der Anlage für Besucher muss im Tiergarten gearbeitet werden, an sieben Tagen in der Woche. „Die Tiere müssen schließlich weiterhin versorgt werden“, erläutert Neubert.

Etwa 270 Tiere von 60 Arten leben in der Anlage in den Spiegelsbergen. Die jüngsten sind erst ein paar Tage alt: die Emu-Küken sind gerade geschlüpft.

Die Anlage befindet sich auf einem etwa zehn Hektar großen Areal. Bei so einer Fläche gebe es immer etwas zu tun. „Wir machen vermutlich noch mehr, seit keine Besucher kommen dürfen“, sagt Neubert. Denn die sollen bei ihrem ersten Gang durch den Tiergarten, sobald die Kontaktsperre gelockert werde, überrascht werden.

So kümmern sich die Mitarbeiter nicht nur um die tierischen Bewohner und pflegen die Grünanlagen. Sie nutzen die Gäste-freie Zeit zum Werkeln und Bauen. „Wenn alles klappt, wird zum Beispiel die neue Präriehundanlage in diesem Monat fertig“, so Neubert.

Zudem soll das Gehege der Kängurus in diesem Jahr für Besucher zugänglich werden. Dafür, dass die eigentlich scheuen Tiere dann keine Angst vor Menschen haben, sorgt Joey. Das Känguru-Junge ist im vorigen Jahr von seiner Mutter aus dem Beutel verstoßen worden. Darum haben es Viktoria Stelter und ihr Freund Florian Hartmann, ebenfalls Tierpfleger, „adoptiert“.

Mittlerweile ist Joey groß und kräftig genug, um zu seinen Artgenossen zu ziehen. Zwar übernachtet er noch bei seinen Zieheltern, aber probeweise verbringt er bereits die Tage im Gehege. „Wir besuchen ihn natürlich oft“, sagt Viktoria Stelter. Es sei deutlich zu beobachten, dass sich seit Joyes Rückkehr nun auch die anderen beiden Kängurus viel näher an die Pfleger heranwagen. „Sie sehen ja, dass er uns vertraut.“

Noch eher als das Känguru-Gehege soll ein Weinhang am Eingang des Tiergartens entstehen. Einen solchen gab es früher schon einmal, wie historische Aufzeichnungen belegen. Zur Herstellung von Wein seien die Trauben aber nicht geeignet, sagt der Tiergarten-Chef augenzwinkernd. Das Holz der Bäume, die für den Weinberg gefällt werden mussten, wird in der Anlage genutzt. Zum Beispiel werden die Stämme zu Begrenzungen und Zäunen umfunktioniert.

Und dabei ist die Mitarbeit der Tiere gefragt. „Unsere Stachelschwein-Damen schieben gerade Nachtschichten“, verrät Neubert lachend. Wie er erläutert, knabbern die drei Nachtaktiven – ganz freiwillig, versteht sich – die Rinde von den Stämmen. „Für die Stachelschweine ist das wie Zahnpflege.“

Einige der frei genagten Stämme kommen auf einer Streichelwiese zum Einsatz, die gerade im Gehege von Alpakas, Esel und Co. entsteht. Das Holz begrenzt Sandflächen. „Der Sand kennzeichnet die Besucherflächen“, erklärt David Neubert. „Außerdem wird es für die Besucher Benimm-Regeln geben.“ Tiergartenmitarbeiter sollen darauf achten, dass diese eingehalten werden, damit die Tiere nicht zu sehr gestresst werden.“

Neubert baut darauf, dass die neue Streichelwiese viele Besucher anlockt, sobald der Tiergarten wieder geöffnet werden darf. „Das ist hoffentlich bald der Fall.“ Zwar gehöre die Anlage zur Stadt und ist so nicht mittelbar von den Eintrittsgeldern der Besucher abhängig. „Aber zu lang darf die Durststrecke natürlich trotzdem nicht werden.“ Der Tiergartenchef hofft nun, dass ein guter Sommer die verpassten Osterferien ausgleichen kann.