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Tierseuche Harz probt Schweinepest-Ernstfall

Die Angst vor der Afrikanischen Schweinepest ist auch im Harz allgegenwärtig. Das Technische Hilfswerk zeigt, was im Ernstfall geschieht.

Von Dennis Lotzmann 06.03.2019, 00:01

Weddersleben l Der Harzer Amtstierarzt Dr. Rainer Miethig ist für seine realistischen und unverklärten Einschätzungen bekannt. Auch mit Blick auf die Gefahr, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP) auf Deutschland, Sachsen-Anhalt oder gar den Harzkreis übergreift, findet der Veterinär unmissverständlich-klare Worte: „Die Frage ist weniger ob, sondern wann. Realistisch betrachtet, müssen wir täglich damit rechnen.“

Daher hat es sich Miethig auf die Fahne geschrieben, die Vorbereitungen auf diesen Tag X voranzutreiben. Nach einer länderübergreifenden Stabsübung im November, als Sachsen, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gemeinsam mit Bayern denkbare Szenarien durchgespielt haben, hatte Miethig nun Verantwortliche aus ganz Sachsen-Anhalt eingeladen. Das Ziel der Trockenübung im Stützpunkt des THW-Ortsverbands Quedlinburg: Praktisch demonstrieren, welche Optionen dann wie genutzt werden können.

Ein Credo beim Ausbruch der für Haus- und Wildschweine fast immer tödlichen Seuche heißt Abschottung. Sollte tatsächlich Schwarzwild ASP-positiv getestet werden, würde im Radius von vier Kilometern um den Fundbereich umgehend ein Schutzzaun gezogen. Insgesamt 25 Kilometer dieses rasch aufstellbaren Elektro-Zauns, der vom Prinzip her mit klassischen Koppelzäunen vergleichbar ist, sind im Land griffbereit. Am Zaun würden dann gut 10.000 Volt anliegen – aufgrund der geringen Leistung für Mensch wie Tier ungefährlich, bei Berührung aber schmerzhaft wahrnehmbar.

„Die betroffenen Tiere“, so Miethig, „würden im Fall des Ausbruchs in dieser Kernzone bleiben“. Das Ziel: Das weitere Verbreiten des Virus‘ – und damit der Schweinepest – so verhindern.

Besagte Abschottung ist ein Aspekt, um der für Menschen ungefährlichen ASP Paroli zu bieten. Die Themen Hygiene und Desinfektion sind nicht minder relevant und bekamen beim gestrigen Aktionstag ebenso breiten Raum. Die im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen ansässige Firma Kesla Hygiene AG produziert unter anderem Substanzen für die Tierhygiene und für den Fall von Tierseuchen. Vor Ort zeigten die Kesla-Experten, wie Gerätschaften und Fahrzeuge desinfiziert werden können. Gleich nebenan führten Kameraden des THW vor, wie mit spezieller Schutzkleidung agiert wird und diese anschließend entweder entsorgt oder für weitere Einsätze gereinigt werden kann. Darüber hinaus diskutierten die Anwesenden, wie im Zweifelsfall mit den Kadavern von betroffenen Tieren umgegangen werden muss, ohne die Infektionsgefahr für andere Tiere unnötig zu erhöhen.

Um tote Tiere gefahrlos zu entsorgen, stehen in Halle 30 spezielle Stahlcontainer bereit. „Vorsorglich haben auch wir zehn derartige Container für den Kreis geordert“, so Miethig.

Eingangs der Veranstaltung hatte Dr. Benno Ewert als Leiter der schnellen Eingreiftruppe Tierseuchenbekämpfung im Landesamt für Verbraucherschutz in Stendal die anwesenden Behördenvertreter, Gesandten von Bundeswehr, THW und Polizei sowie Landeshochwasser- und Forstbetrieben mit Blick auf ASP auf einheitlichen Kenntnisstand gebracht. Das ASP-Virus könne außerhalb von Tieren extrem lange überleben. Neben der hohen Übertragungsgefahr via Blut – bereits Anhaftungen an der Kleidung von Jägern sind gefährlich – seien auch entsorgte und für Wildschweine zugängliche Speisereste mit rohem Fleisch Übertragungswege. Und: Selbst von Schweinen gefressene Stechfliegen, die das Virus in sich tragen, seien Überträger.

Dass die Seuche mit weniger als fünf Kilometern pro Jahr eine geringe Ausbreitungstendenz habe, sei wegen besagter Übertragung über Fleischreste eben kein Grund für Entwarnung. „Der Sprung jetzt nach Belgien, das war der Mensch“, so Ewert. Aktuell grassiere die Seuche vor allem in China. Bei den Hausschweinen seien sieben europäische Länder betroffen, darunter insbesondere Rumänien mit seiner vergleichsweise hohen Quote an privater Kleinsthaltung. Bei den Wildschweinen gebe es zehn betroffene Länder in Europa, darunter Polen.

Mit vereinten Kräften, so Ewert, lasse sich die Seuche in den Griff bekommen. Das habe zuletzt Tschechien bewiesen. Und auch zum 70 Kilometer langen Wildzaun, den die Dänen gerade an ihrer Grenze zu Deutschland errichten, hat Ewert eine klare Meinung. „Das ist Aktionismus. Man sollte nicht vergessen, dass Schweine ganz gern auch mal schwimmen.“