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Tradition Freimaurer räumt mit Mythen auf

Die Brüder der Freimaurerloge "Friedrich zur Morgenröte“ in Halberstadt feiern am 2. Oktober ein Jubiläum.

Von Jörg Endries 28.09.2018, 18:22

Halberstadt l Mythen und Gerüchte ranken sich zahlreich um die Freimaurer, und die sind so alt wie ihre eigene Geschichte – Jahrhunderte. Angeblich stricken sie an Weltverschwörungen, trinken Blut aus Schädeln und praktizieren andere gruselige Riten. Alles Humbug. Hans-Werner Klamroth, bekennender Freimaurer, gewährt anlässlich des Freimaurer-Jubiläums in Halberstadt Einblicke in die Welt der geheimnisumwitterten Logenarbeit.

„Die katholische Kirche hat im 18. Jahrhundert, als die ersten Großlogen in England und wenig später in Deutschland entstanden, die Freimaurer verteufelt, weil sie sich für Aufklärung, Gleichheit, Brüderlichkeit, Glaubensfreiheit, Toleranz und Humanität einsetzen. Das war dem Papst suspekt“, erklärt Hans-Werner Klamroth, Meister vom Stuhl der Halberstädter Freimaurerloge „Friedrich zur Morgenröte“. Dieser Titel wirft Fragen auf, hat aber einen simplen Hintergrund.

Bei den Treffen der Steinmetzbruderschaften im Mittelalter, in deren Tradition die Freimaurer stehen, hatte früher nur einer das Privileg, auf einem Stuhl zu sitzen, der Chef, die anderen mussten stehen, räumt Hans-Werner Klamroth ein Rätsel aus der Welt. „Heute ist das natürlich nicht mehr der Fall. Der Titel ist trotzdem geblieben. „Um es mit einem anderen Wort zu sagen, ich bin Vereinsvorsitzender“, sagt er mit einem Schmunzeln. Zu diesem „Verein“ gehören heute 21 Brüder, oder anders gesagt, Vereinsmitglieder. Die tun sich in Halberstadt nach außen durch ihr soziales Engagement hervor. Etwa zehn Vereine unterstützen sie mit Spenden. Dazu zählen unter anderem das Rauhe Haus, das Kinder- und Jugendtelefon der AWO, die Zora, Rolle und andere. Seit der Wiedergründung haben die Brüder der Freimaurer­loge „Friedrich zur Morgenröte“ 20 000 Euro für soziale Zwecke gespendet.

Ein bisschen Geheimnis muss trotzdem sein. Freimaurer geben sich zum Beispiel meist nicht als solche in der Öffentlichkeit zu erkennen. „Wenn mich jemand fragt, ob der oder der ein Freimaurer ist, würde ich immer sagen, frag‘ ihn doch selbst“, so Hans-Werner Klamroth. Das hat einen Hintergrund. Früher wurden Freimaurer wegen ihres fortschrittlichen Denkens verfolgt, es gab sogar Todesurteile. „Nachteile haben sie teilweise heute noch“, berichtet der Freimaurer. Er kennt den Fall eines Handwerkers. Als in der ­Öffentlichkeit bekannt wurde, dass er Freimaurer ist, wurden ihm Aufträge gestrichen.

„Freimaurer erkennen sich untereinander.“ Durch Zeichen, Worte und Griffe. Über die schweigt der Halberstädter natürlich. So viel Geheimnis muss sein.

Der Meister vom Stuhl hat kein Problem mit der Öffentlichkeit. Seit 1997 gehört Hans-Werner Klamroth zur Halberstädter Loge. Im Herzen ist der heutige Logen-Chef jedoch viel länger ein Freimaurer. Soziales und humanistisches Denken sowie Freiheit waren und sind Hans-Werner Klamroth schon immer ein hohes Gut. Daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Selbst zu DDR-Zeiten nicht. 1986 hat ihn das seinen Job als Lehrer in der Volksbildung gekostet. Die friedliche Revolution 1989 gestaltete er in Halberstadt aktiv mit. Beruflich ist er der Pädagogik treu geblieben. Als ­Dezernent für Bildung und Kultur der ­Landkreisverwaltung und dann als Dezernent im Regierungspräsidium in Magdeburg. Mittlerweile erfreut sich der 72-Jährige seines Ruhestandes. Bei Hans-Werner Klamroth ist es wohl eher ein Unruhestand. Sein Terminkalender ist immer noch voll.

Dazu gehört unter anderem die Tempelarbeit der Freimaurer. Wieder so ein mystisches Wort. Wo steht denn in Halberstadt der Freimaurertempel? Am Domplatz. Ganz ­unspektakulär ist der in einem Seitengebäude des Städtischen Museums Halberstadt untergebracht. Praktisch der Vereinsraum, wo sich die Freimaurer treffen. Festliche Kleidung ist dabei Pflicht. Und die hat Symbolkraft. Hans-Werner Klamroth erklärt die Kleidung, die er auf dem Foto trägt. Schwarzer Anzug und weiße Handschuhe, die für Ehrlichkeit stehen. Den Winkel trägt der Meister vom Stuhl – er steht für eine winkelgerechte, tadellose Lebensführung. Der Schurz erinnert an die Steinmetze. Der Hammer ist ein Führungssymbol und steht dafür, dass der Meister weisungsberechtigt bei der Tempelarbeit ist. Das aufwendig gestaltete Abzeichen, das Bijou, zeigt den Kopf von Kaiser Friedrich III., er ist Namensgeber der Loge. Auf der Rückseite steht der Logenname und das Konstitutions­datum.

Doch wie wird man nun Freimaurer? Hans-Werner Klamroth erzählt von seiner eigenen Geschichte. Nach dem Fall der Mauer hat er durch Zufall Kontakt zu einem Freimaurer bekommen. Dessen Tochter wohnte in der Nähe von Goslar und richtete ein Haus ein. „Eines Tages habe ich beim Pflastern des Hofes geholfen. Dabei entwickelte sich mit dem Nachbarn ein intensives Gespräch. Er war Freimaurer und hat bemerkt, dass mein Denken gut zu ihnen passen könnte. Das hat er nach Halberstadt gemeldet“, erinnert sich Klamroth. Wenig später lag die erste Einladung der damals im Aufbau befindlichen Halberstädter Loge zu einem Gästeabend im Briefkasten.

Die Aufnahmeprozedur ist ein weiteres Kapitel, über das viel Unfug geredet wird. Allerdings unterscheiden sich die Freimaurer darin dennoch von anderen Vereinen. Der Aufnahmeantrag ist wohl eine Gemeinsamkeit. Dann entscheiden die Brüder nach einer längeren Phase des K­ennenlernens, ob der Kandidat zu ihnen passt. Es erfolgt eine Kugelung, gewährt Hans-Werner Klamroth Einblick. Die Mitglieder stimmen mit schwarzen und weißen Kugeln ab, sie stehen für Nein und Ja. Bei einer positiven Entscheidung fängt der Neue als Lehrling an, wird später zum Gesellen befördert und kann zum Meister erhoben werden. Eine Freimaurer-Tradition.