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Trotz Lehrermangel Abfuhr für Sekundarschullehrerin

Lehrernot in Sachsen-Anhalt. Nur nicht in Halberstadt. Eine Sekundarschullehrerin aus Berlin erhält vom Landesschulamt eine Absage.

Von Jörg Endries 09.10.2018, 01:01

Halberstadt l Unterrichtsstunden fallen aus, an den Schulen in Sachsen-Anhalt leider keine Seltenheit. Es gibt zu wenig Lehrer. Seit Jahren wird über dieses Problem diskutiert, die Politik sucht verzweifelt nach Lösungen. Gabriele H. (Name der Redaktion bekannt), Sekundarschullehrerin aus Berlin, hat einen ganz anderen Eindruck. Sie wollte an einer Halberstädter Sekundarschule als Lehrerin anfangen, erhielt aber vom Landesschulamt in Halle eine Abfuhr.

Das war bereits 2017 der Fall. Die Pädagogin rang lange mit sich, ob sie damit überhaupt an die Öffentlichkeit geht. Ein Grund dafür: Sie hat als verbeamtete Lehrerin Angst vor eventuellen Konsequenzen für ihren Job. Als sie in der letzten Woche erneut in der Volksstimme las, dass das Lehrer-Problem so akut ist, fasst sie ein Mut.

„Ich werde in Sachsen-Anhalt nicht gebraucht, angesichts der angespannten Lage an den Schulen kann ich die Absage des Landesschulamtes nicht verstehen“, berichtet ­Gabriele H. sauer.

Die gebürtige Halberstädterin, die in Magdeburg in den Fächern Sport und Deutsch ausgebildet wurde, wollte in ihre Heimat zurück. Der Grund dafür war weniger schön. Der Eigentümer ihrer Berliner Wohnung meldete vor zwei Jahren plötzlich Eigenbedarf an. „Für meinen Mann und mich war das erst ein Schock. Dann wollte ich es noch einmal wissen und mit 58 Jahren einen Neuanfang in meiner alten Heimat wagen. Ich fühle mich fit, die Arbeit mit Kindern bereitet mir immer noch sehr viel Freude und acht Jahre Schuldienst lagen zu diesem Zeitpunkt noch vor mir“, so ­Gabriele H.. Sie suchte, fand und bezog mit ihren Mann in Halberstadt eine Wohnung. Alles war klar für den Neustart.

„Blauäugig bin ich direkt zu drei Sekundarschulen in Halberstadt gegangen, um mich dort vorzustellen. In Berlin ist das so üblich. An zwei Schulen empfingen mich die Co-Direktoren sehr unfreundlich und gaben mir zu verstehen, dass ich nicht willkommen bin. Nur an einer Schule hat man mich freundlich empfangen und Interesse bekundet“, berichtet die Lehrerin. Dann erfuhr sie, dass sie sich in Sachsen-Anhalt direkt an das Landesschulamt wenden muss. Eine Freigabe aus Berlin, dass sie in einem anderen Bundesland als Lehrerin arbeiten darf, hatte Gabriele H. bereits in der Tasche. Ein Lehrertausch zwischen den Ländern sei möglich. Also ein junger Kollege oder eine Kollegin hätte aus Sachsen-Anhalt nach Berlin gehen können, die Berlinerin dafür nach Sachsen-Anhalt.

Doch die scheinbar einfache Rechnung ging nicht auf. In Halle sei das Interesse, dass sie in Halberstadt als Lehrerin anfängt, gegen Null gelaufen. Im Landesschulamt hat sich einfach niemand für Gabriele H. interessiert. Diesen Eindruck hat sie. „Das hat man mir von vornherein am Telefon zu verstehen gegeben.“ Zum vorgeschlagenen Lehrertausch habe man ihr gesagt, es gebe keine Lehrer, die nach Berlin gehen wollen. Schließlich kam die Absage aus ­Halle. Somit war amtlich, dass die Berlinerin in Sachsen-Anhalt beziehungsweise in Halberstadt als Lehrerin nicht benötigt wird. Eine Begründung, warum das so ist, hat sie nicht erhalten. Das sei bei Beamten ein übliches Verfahren. Auch auf eine Anfrage der Volksstimme reagierte das Landesschulamt nicht.

„Ich bin so frustriert. Und ich habe den Eindruck, dass es hier nicht um die Kinder geht, sondern ums Geld“, vermutet Gabriele H.. Sie ist seit fast 28 Jahren verbeamtete Lehrerin. Ihre Besoldungseinstufung und auch die späteren Pensionsan­sprüche dementsprechend hoch.

„Ich bin gerne Lehrerin und halte nichts davon schon vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, wie es andere Kollegen tun.“ Enttäuscht ist Gabriele H. auch von Daniel Szarata. Sie versuchte, mit dem CDU-Landtagsabgeordneten aus Halberstadt in Kontakt zu treten und versprach sich von ihm Hilfe. Beides sei nicht geglückt, stellt sie resigniert fest.

Daniel Szarata ist hingegen erstaunt, dass Gabriele H. jetzt erst an die Öffentlichkeit geht.

„Es hat Terminprobleme gegeben. Darum klappte es mit dem persönlichen Gespräch nicht. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht um ihr Anliegen gekümmert habe“, sagt Daniel Szarata. „Ganz im Gegenteil.“ Allerdings sei die Lehrerin erst nach der Absage durch das Landesschulamt an ihn herangetreten. Er sei persönlich mit dem Anliegen bis zum Kultusminister Marco Tullner (CDU) gegangen und habe gefragt, wie es aussieht. Bei diesem Gespräch erfuhr er den Grund der Absage.

„2017 gab es in Halberstadt keinen Bedarf an Sekundarschullehrern in den Fächern, die Frau H. unterrichtet. Und sie bestand ja ausschließlich auf einen Einsatz in Halberstadt. Es gab allerdings eine Empfehlung, dass sie sich für 2018 erneut bewerben soll. Dazu ist es leider nicht gekommen“, informiert Daniel Szarata.

„Der Zug ist für mich jetzt abgefahren“, resümiert Gabriele H. sichtlich verärgert. Nach den schlechten Erfahrungen in Sachsen-Anhalt wird sie nun mit 63 in den Ruhestand gehen. Halberstadt bleibt sie trotzdem treu. Ihre Wohnung in der Kreisstadt hat sie behalten.