Unfälle Im Aufzug gefangen

Mit dem Lift stecken zu bleiben, ist für Menschen eine Horrorvorstellung. Genau das ist Eheleuten aus Halberstadt passiert.

Von Sandra Reulecke 21.11.2018, 08:00

Halberstadt l Die Wohnung in der Maxim-Gorki-Straße bietet einen traumhaften Blick über Halberstadt. Man kann den Dom sehen, die Türme der Martinikirche, bei gutem Wetter den Brocken. Dieser Ausblick war einer der Gründe, warum sich Angelika und Peter Mettner 2017 für ihr neues Heim entschieden haben. Dass die Senioren dafür in den sechsten Stock ziehen mussten, war kein Problem - schließlich gibt es in dem kürzlich sanierten Mehrfamilienhaus einen Fahrstuhl. Doch dieser wurde nun zur Falle.
Mehr als eine Stunde saßen die Eheleute in der vergangenen Woche im Lift fest. "Wir waren schon ganz oben. Aber die Tür ging nicht auf. Sie ruckelte, öffnete sich aber nur ein kleines Stück", berichtet Angelika Mettner. Schnell machte sich Panik bei den beiden Halberstädtern breit. Nicht nur, dass sie Angst vor engen Räumen hat, er ist schwer krank. "Vor etwas mehr als einem Jahr hatte ich einen Schlaganfall. Ich bin zu 80 Prozent schwerbehindert", berichtet Peter Mettner. Laufen und Stehen fallen ihm schwer. Hinzu kommt: Der 68-Jährige ist zuckerkrank. "Vier Mal am Tag muss ich mich spritzen. Die Zeit für die nächste Spritze war schon wieder ran."
Doch es dauerte mehr als eine Stunde und mehrere Anläufe, bis die Rentner befreit werden konnten. "Ich habe ständig den Notfallknopf gedrückt, doch erst nach zehn Minuten jemanden erreicht. In Berlin, die wollten jemanden aus der Nähe schicken", so Mettner.
Nach einer halben Stunde sei Personal eines Sicherheitsdienstes gekommen. Mit einem Spezialschlüssel, dank dem sich die Fahrstuhltüren im Notfall öffnen lassen. Normalerweise. "Es passierte nichts. Die Tür ging nicht auf", so Angelika Mettner. Alle Versuche, den Spalt händisch zu vergrößern, scheiterten.
Derweil ließen die Kräfte von Peter Mettner nach. "Ich wurde ganz wackelig auf den Beinen." Zum Glück versorgte die zur Hilfe gerufene Nachbarin, Burglinde Neumann, das Ehepaar mit Wasser und klappbaren Campingstühlen.
Nach etwa einer Stunde rückte die Feuerwehr an. Die Kameraden sind für solche Notfälle geschult, berichtet Abteilungsleiter Jörg Kelle. Zehn, zwölf derartiger Einsätze sind es jedes Jahr. "Normalerweise reichen moderate Mittel, um die Tür gewaltfrei zu öffnen." Doch das sei am Mittwoch nicht möglich gewesen. "Die Tür war verklemmt." Möglicherweise aus der Halterung gerutscht. Den Männern blieb deshalb nichts anderes übrig, als die Tür mit einem Spreitzer und Hebekissen zu öffnen, erläutert Kelle.
Eine Notärztin, die zeitgleich mit den Kameraden der Feuerwehr kam, versorgte zwischenzeitlich die Eheleute.
"Wir waren wirklich froh, wieder draußen zu sein. Das hätte schlimmer ausgehen können", sagt Angelika Mettner.
Doch nach der ersten Erleichterung folgte die Ernüchterung: Die Tür ist so beschädigt, dass sie ausgetauscht werden muss. Der Fahrstuhl kann bis dahin nicht genutzt werden. "Wir sind zwölf Parteien im Haus, alle schon älter", klagt Angelika Mettner. Ein Nachbar sitze im Rollstuhl. "Da muss schnell was gemacht werden." Zumal es schon mehrfach zu Problemen mit dem Fahrstuhl gekommen sei. Darüber haben sich Hausbewohner beim Vermieter beschwert. "Das ist ja nicht alles. Es gibt mehrere kleine Mängel im Haus", sagt Mettner. Unter anderem der Wasserdruck im Bad. Mehrfach sei Personal der Hausverwaltung gekommen, um die Mängel in Augenschein zu nehmen, beseitigt wurden sie jedoch nicht.
"Was da passiert ist, tut uns sehr leid für die Betroffenen", betont Uwe Kalabuch. Er ist Vorstandsmitglied der zuständigen Wohnungsbaugenossenschaft Halberstadt eG (WGH). Von einer solchen Situation habe er das erste Mal in seiner Karriere gehört. "In unseren Häusern sind gut 130, 135 Aufzüge im Einsatz. Dass einer stecken bleibt, passiert selten." Dass dann auch noch die Feuerwehr kommen muss, noch seltener.
Das Problem sei, dass der Schaden nicht schnell behoben werden kann. Richten lassen sich die Türen nicht mehr. "Solche Türen hat jedoch niemand auf Lager, die müssen angefertigt werden", erläutert Kalabuch. Mit dem Hersteller sei man in Kontakt, alle arbeiteten unter Hochdruck, versichert der WGH-Vorstand. Dennoch: "Vor Mitte nächster Woche wird das wahrscheinlich nichts. Das hätten wir uns auch anders gewünscht."
Der WGH sei bewusst, dass es für Mieter, die schlecht laufen können, ein erhebliches Problem darstellt, wenn der Lift nicht funktioniert. "Betroffene können sich an uns wenden, damit wir eine kurzfristige Lösung finden."