1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halberstadt
  6. >
  7. Stadtratschefin Kayser verklagt die Stadt

Verkehrsunfall Stadtratschefin Kayser verklagt die Stadt

Jahre nach einem Unfall mit einem Feuerwehrfahrzeug in Blankenburg wird vor dem Landgericht Magdeburg um die Schuldfrage gestritten.

Von Dennis Lotzmann 25.08.2017, 13:05

Blankenburg l Diese Einsatzfahrt hat sich bei Michael F. wohl auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt: Als der langjährige Kamerad der Freiwilligen Feuerwehr Blankenburg am 15. Januar 2013 gegen 13.20 Uhr mit dem Löschfahrzeug und mit Sondersignal vom Hof der Feuerwehr rollte, um zu einem Wohnungsbrand mit einer eingeschlossenen Person in Heimburg zu fahren, ahnte er nicht, dass er wenig später in einen folgenschweren Unfall verwickelt werden wird.

Beim Passieren der ampelgeregelten Kreuzung von Neuer Halberstädter Straße (B 81)/Michaelsteiner-/Friedensstraße krachte es. Ein Skoda Superb prallte gegen das linke Vorderrad des Tankers. Die Wucht der Kollision, erinnert sich der heute 54-Jährige, sei so groß gewesen, dass sogar das zwölf Tonnen schwere Löschfahrzeug ein gutes Stück zur Seite geschoben wurde.

Während F. und sein Beifahrer unverletzt mit dem Schrecken davongekommen sind, erlitt die damals 60 Jahre alte Frau im Skoda nach eigenen Angaben einen Knöchelbruch.

Nun, viereinhalb Jahre später, stehen sich Michael F. und die Skodafahrerin im Landgericht Magdeburg gegenüber. Die Frau, pikanterweise handelt sich um die Stadtratsvorsitzende Birgit Kayser (CDU), will erreichen, dass sie vom Mitverschulden am Unfall gänzlich freigesprochen und aus der bisherigen 50-prozentigen eine 100-prozentige Entschädigung wird.

Dafür hat die heute 65-Jährige nach Recherchen der Volksstimme Jahre nach dem Unfall und kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist sowohl den Feuerwehrmann als auch den Kommunalen Schadensausgleich (KSA) als Versicherer der Stadt Blankenburg auf jeweils 8000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Diese Summe nennt zumindest der Feuerwehrmann. Für Michael F., der eigentlich versucht hatte, mit dem Crash abzuschließen, werden mit der Zivilklage, die ihm am 7. Januar dieses Jahres ins Haus geflattert sei, die Bilder von damals wieder präsent.

Beim Prozessauftakt am Magdeburger Landgericht ist es am Mittwoch vor allem die Klägerin Birgit Kayser, die zusammen mit ihrer Anwältin für Verwunderung sorgt. Sie hatte zunächst KSA sowie Feuerwehrmann verklagt und erst später – nach dem Hinweis des Gerichts – auch die Stadt als Beklagte hinzugeholt.

Und daran wolle die Kommunalpolitikerin nichts ändern, berichtet Gerichtssprecher Christian Löffler: „Trotz des erneuten klaren Hinweises des Gerichts, dass die Amtshaftung bei der Kommune als der Dienstvorgesetzten des Feuerwehrmanns liegt, hält die Klägerseite daran fest.“

Über mögliche Konsequenzen mag Löffler nicht spekulieren. Allerdings könnten Gerichte Zivilklagen, die gegen falsche Adressaten geführt werden, im Allgemeinen nur abweisen. Eine solche Niederlage wäre mit den entsprechenden Kosten für den Unterlegenen verbunden.

Folglich dürfte der konkrete Fall nun inhaltlich zum Streit zwischen der Klägerin und der Stadtverwaltung Blankenburg werden. Hierbei scheint die damalige Skodafahrerin nicht die allerbesten Karten zu haben, lässt der Blick auf Details zumindest vermuten.

Unstrittig ist nach Angaben aller Beteiligten, dass Birgit Kayser damals grünes Ampellicht hatte und der Feuerwehrmann Rot. Sie habe die Kreuzung von der Michaelsteiner Straße geradeaus in Richtung Friedensstraße passieren wollen. „Das Feuerwehrfahrzeug kam von rechts, die Sicht dorthin wird von einem großen Haus verdeckt. Und ein Martinshorn habe ich nicht gehört“, erklärt Birgit Kayser, die allein in ihrem Auto gesessen hat, auf Anfrage gegenüber der Volksstimme. „Ich betrachte mich als unschuldig.“

Feuerwehrmann Michael F. versichert, sowohl mit Blaulicht als auch Martinshorn gefahren zu sein. „Ich hatte beides an und habe mich langsam neben den stehenden Fahrzeugen auf der Linksabbiegespur in die Kreuzung reingetastet“, betont er.

Zeugen hätten beim Prozessauftakt tatsächlich bestätigt, Blaulicht gesehen und das Martinshorn gehört zu haben, erklärt Gerichtssprecher Christian Löffler. Die Klägerin habe aber erklärt, dass sich der Feuerwehrmann nicht langsam in den Kreuzungsbereich hinein getastet habe. Damit dürfte nun zumindest das Fahrtempo strittig sein. Wie das Gericht die Aussagen letztlich wertet, bleibt abzuwarten.

Die Blaulichtfahrt als solche dürfte hingegen unstrittig sein. „Wenn der Feuerwehrmann zum Brand mit einer eingeschlossenen Person unterwegs gewesen ist, war ein Menschenleben zu retten und damit die Berechtigung für Sondersignal absolut gegeben“, erklärt der Magdeburger Verkehrsrechtsanwalt Ronni Krug. Dann dürften auch Rot zeigende Ampeln überfahren werden. „Wenn der Feuerwehrmann dabei Blaulicht und Martinshorn an hatte und sich außerdem langsam in den Kreuzungsbereich hinein tastete, hat er praktisch alles getan, was er machen konnte“, so der Fachanwalt auf Anfrage.

Demnach müsste sich Michael F. gar keinen Vorwurf machen. „Ich habe nie einen Bußgeldbescheid oder ähnliches bekommen, das Verfahren wurde ohne jede Auflage eingestellt“, versichert der Feuerwehrmann. Auch das deckt sich mit den Recherchen der Volksstimme. Die zunächst gegen F. geführten Ermittlungen wurden eingestellt.

Trotzdem zeigte sich der Kommunale Schadensausgleich als Haftpflichtversicherer der Kommunen in diesem Fall überraschend kulant. Der KSA räumte eine 50-prozentige Schuld am Unfall ein und zahlte an Birgit Kayser wohl 3000 Euro. Die genaue Summe ist unklar. Birgit Kayser war nach der Auftaktverhandlung trotz vorheriger Verabredung für eine telefonische Stellungnahme nicht erreichbar.

„Die 50-Prozent-Regelung erscheint mir angesichts der Umstände eine vernünftige und großzügige Lösung mit Augenmaß zu sein“, sagt Verkehrsanwalt Krug. Es sei gut möglich, dass mit dem freiwilligen 50-prozentigen Schuldanerkenntnis versucht worden sei, die Sache schnell zu regeln, um letztlich allen Beteiligten ein langwieriges juristisches Tauziehen zu ersparen.

Da Birgit Kayser dennoch vor Gericht gezogen ist, könnte es genau dazu nun kommen. Nach den Worten von Landgerichtssprecher Löffler ist in der Auftaktverhandlung zunächst ein unfallanalytisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Das habe die Klägerin als Beweis angeboten. Dafür muss Birgit Kayser nach Recherchen der Volksstimme nun mit 4000 Euro in Vorleistung gehen.

Mithilfe des Gutachtens sollen der Unfallhergang rekonstruiert und die anteilige Höhe des Verschuldens beider Beteiligter geklärt werden. Nur wenn Birgit Kayser dabei dem Feuerwehrmann eine höhere Mitschuld als 50 Prozent nachweisen kann, könnte sie ihre Klage überhaupt als Erfolg verbuchen.

Die Aussichten? „Unter diesen Umständen halte ich das Ansinnen der Klägerin für sehr sportlich“, sagt Fachanwalt Ronni Krug. Gut möglich also, dass die Klage am Ende für Birgit Kayser noch zum teuren Bumerang wird.

Michael F. indes hat nach dem Unfall seinen aktiven Dienst nach 36 Jahren bei der Feuerwehr quittiert. „Ich hatte bislang keinerlei Unterstützung und musste mir sogar noch einen eigenen Anwalt nehmen“, berichtet er. Ob er jemals wieder auf ein Löschfahrzeug klettere, sei im Moment völlig offen. „Darüber denke ich frühestens nach, wenn das hier alles vorbei ist.“