Weihnachtsdienst Die Schicht zum Fest

Wenn Heiligabend das öffentliche Leben in Halberstadt zur Ruhe kommt, schiebt Heiko Schütz Dienst.

Von Sabine Scholz 24.12.2019, 00:01

Halberstadt l Bei ihm laufen die Fäden zusammen. Der Polizeihauptkommissar sitzt vor seinen Bildschirmen, gemeinsam mit einem Kollegen verfolgt er, was die Beamten draußen melden. Heiko Schütz ist als Leitender Einsatzbeamter vom Dienst tätig, er muss unter anderem entscheiden, was Vorrang hat, passieren Dinge gleichzeitig. „Einerseits einfach, andererseits auch nicht“, sagt der 46-Jährige und erklärt die Prioritäten. Sind Leib und Leben von Menschen bedroht, befindet sich der Täter noch vor Ort, gibt es eine Gefahrenlage? Dann ist klar, dass die Beamten an diesen Einsatzort beordert werden. Das heißt dann, unter Umständen zugleich, dass der Autofahrer nach einem Wildunfall länger auf die Beamten warten muss.

Dass das nicht schön ist, weiß Schütz, „auch für uns ist diese Situation unbefriedigend. Aber angesichts der Personaldecke geht es nicht anders.“ Das jahrelange Sparen auf Kosten der Polizeivollzugsbeamten in Sachsen-Anhalt rächt sich jetzt im Arbeitsalltag.

Aber Schütz ist keiner, der sich mit Jammern aufhält. Die Fakten sind, wie sie sind. Dazu gehört auch, dass Polizeiarbeit Schichtdienst heißt. Dass er Heiligabend den Tagdienst hat, stört ihn nicht. „Meine Kinder sind schon groß, da ist es nicht mehr ganz so wichtig, am Nachmittag gemeinsam in die Kirche zu gehen und dann zu bescheren“, sagt der Vater einer Patchworkfamilie. Mit den 23, 17 und 15 Jahre alten Töchtern ist es einfacher, die Bescherung auch später am Abend zu haben.

So ganz spurlos ist der ständige Einsatz nicht an seiner Biografie vorbeigegangen. „Für diesen Job braucht man schon sehr verständnisvolle Partner“, sagt Heiko Schütz. Denn das persönliche Leben muss ziemlich gut geplant sein, meist muss er sechs bis acht Wochen vorher wissen, ob er einen bestimmten Tag frei braucht. Auch, um sein ehrenamtliches Engagement koordinieren zu können. Heiko Schütz sitzt für die CDU im Ortschaftsrat und im Harzgeröder Stadtrat, er ist Vorsitzender des Montanvereins Straßberg.

Das und der Dienstplan lassen für spontane Anforderungen an den Familienvater nicht viel Raum. Zumal der tatsächliche Dienstplan meist erst kurz vor Beginn des neuen Monats feststeht. Aber bei sechs Kollegen, die an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden Dienst abdecken müssen, geht es nicht anders als mit guter Planung. „Wobei hier schon, so weit es geht, Rücksicht genommen wird auf persönliche Belange“, sagt Schütz.

Der Harzgeröder ist seit drei Jahren im Reviereinsatzdienst in Halberstadt tätig. Wenn es erforderlich ist, fährt er selbst an den jeweiligen Tatort. Nach Unfällen mit Todesopfern zum Beispiel, um dort mit darauf zu achten, dass alles penibel für die Staatsanwaltschaft dokumentiert wird. Oder, wenn es wie jüngst in einem Baumarkt in Wernigerode, zu einem tätlichen Angriff auf einen Kollegen kommt. Die beiden Beamten stellten einen Einbrecher auf frischer Tat, der setzte sich zur Wehr und würgte den einen Kollegen. Solche Einsätze gehen vielen Beamten an die Nieren. „Wenn ich hier auf meinem Posten bin, ist immer mein größter Wunsch, dass alle Kollegen heil nach Hause kommen“, sagt Heiko Schütz.

Er weiß aus eigener Erfahrung, dass nicht nur das körperliche Wohl betrifft. Noch immer ist spürbar,wie sehr ihn ein plötzlicher Kindstod berührt hatte – er war damals selbst Vater eines Kleinkindes.

Der Hundefreund, zu seiner Familie gehört auch ein Weimeraner, ist mit Leib und Seele Polizist, eine Einstellung, die er mit vielen Kollegen teile, wie er sagt. „Wir machen gern unseren Job, möchten den Bürgern helfen.“

Dabei ist es eher ein Zufall, dass der Harzer Polizist wurde. Im Jahr 1992 legte er nicht nur sein Abitur ab, sondern beide Eltern waren plötzlich arbeitslos geworden. „Da war mir klar, Studium ist nicht, ich war interessiert, möglichst schnell zu arbeiten. Also überlegte ich mir, was mir Spaß macht und habe mich bei der Polizei beworben.“ Im Oktober 1992 begann er sein Studium an der Polizeihochschule Aschersleben, kam 1996 nach Blankenburg ins Revier.

Dann führte ihn sein Weg in die Polizeidirektion Halberstadt. Weitere berufliche Stationen waren die Polizeireviere in Aschersleben und Quedlinburg, auch im Innenministerium war der engagierte Beamte tätig. Zuletzt leitete er den Einsatzdienst im Revierkommissariat Quedlinburg, dann wurde er gefragt, ob er sich die Arbeit in der Einsatzführungsstelle im Polizeirevier Harz vorstellen könne. Konnte er, seit drei Jahren führt ihn nun der Arbeitsweg in die Halberstädter Plantage. Unter der Woche in normalen Acht-Stunden-Schichten, an Wochenenden und zu Feiertagen in die Zwölf-Stunden-Schicht. Wobei da immer noch gut 30 Minuten draufkommen für die Dienst­übergaben. Schließlich ist der Leitende Einsatzbeamte vom Dienst der Abwesenheitsvertreter des Revierleiters. Er muss wissen, was in der Schicht vorher passiert ist, welche Einsätze möglicherweise gerade aktuell laufen.

Zu Heiligabend, so seine Erfahrung, ist es meist ruhig. Wenig Verkehr auf den Straßen, familiäre Streitigkeiten brechen auch meist erst an den Feiertagen aus. Wie Heiko Schütz haben heute viele Menschen Dienst. In den Supermärkten, Geschäften, Fiseursalons, Reinigungsdiensten, bei der Post, in den Krankenhäusern, in der Rettungsleitstelle des Kreises, in den Rettungswachen, Feuerwehren, Stadtwerke-Leitstellen, bei Energieversorgern, bei der Bahn, in Restaurants und und und ...