Wirtschaft Rat kontra Kiesabbau

Der Ortschaftsrat Bühne lehnt den Kiesabbau im Ilsetal einmütig ab.

Von Mario Heinicke 20.05.2017, 01:01

Bühne/Stötterlingen/Hoppenstedt l „Es ist eine Schweinerei, dass man die Öffentlichkeit nicht in Kenntnis gesetzt hat über die veränderten Antragsunterlagen“, schimpfte Manfred Hundertmark. Der Bühner steht seit 1994 an der Spitze der Widerständler gegen das Vorhaben.

So lange bemüht sich ein Antragsteller schon um den Kiesabbau zwischen Bühne und Stötterlingen, dessen Betriebsplan jetzt vor der Entscheidung steht. Wäre Hundertmark nicht zusammen mit Landwirt Wilfried Schmidt und Stadt-Wirtschaftsförderer Peter Eisemann nach Halle ins Landesamt für Geologie und Bergwesen gefahren, um die aktuellen Antragsunterlagen einzusehen, „wären wir vor vollendete Tatsachen gestellt worden“.

Was das Trio dort gelesen hat, ließ die Alarmglocken schrillen und hat auch dank der vier Harzer Landtagsabgeordneten von Bündnisgrünen, CDU, Linken und SPD sowie Politikern aus Niedersachsen dazu geführt, dass die Entscheidung im Landesamt vorerst verschoben wurde und alle Betroffenen nochmal gehört werden sollen.

Was ist das Neue? Es hatte alle Einheimischen überrascht, als sie zum Jahresbeginn hörten, dass der Hochwasserschutz der Ilse plötzlich kein Versagungsgrund mehr sein sollte. Bisher hatte der Antragsteller eine Verwallung um seine 52 Hektar große Abbaufläche zwischen Stötterlingen und Bühne geplant. Damit hätte die Ilse bei Hochwasser weniger Ausbreitungsfläche gehabt. Dieser Wall soll jetzt wegfallen. Der Kies soll damit nicht mehr im Ilsetal, sondern drei Kilometer Luftlinie entfernt auf dem Gelände des Kieswerkes auf dem Schwalberg zwischen Bühne und Suderode aufbereitet werden.

Eine erste Schätzung auf der Sitzung in Bühne ergab, dass alle Viertelstunde ein voller Sattelzug mit Kies durch das Dorf rollen würde. Plus Leertransporte zurück. Und dazu kämen der ohnehin vorhandene Kiesverkehr vom und zum Schwalberg, der jetzt schon die Anwohner auf den Dörfern bis Wülperode nervt.

Das Grundproblem sei, so Hundertmark, dass das Bergrecht die Straßensituation nicht betrachte, ebenso wenig wie „das Schutzgut Mensch“.

Wie Peter Eisemann aus den Unterlagen in Halle herausgelesen hat, sei der gegenwärtige Betreiber des Kieswerks Schwalberg ein bundesweit agierender Konzern. Dieser wollte perspektivisch auch den Kiesabbau im Ilsetal übernehmen, so dass beide in einer Hand wären.

„Wir haben also nichts davon – außer Lärm, Schmutz und kaputte Straßen“, fasste Ortsrat Bernd Dörge (Schützenverein Stötterlingen) das Gehörte zusammen.

Auch keine Gewerbesteuer? Peter Eisemann verwies auf das Steuergeheimnis. Manfred Hundertmark war von 1994 bis 2001 Bürgermeister von Bühne, als es den Kiesabbau am Schwalberg schon gab. „Wir haben in der Zeit keine müde Mark bekommen. Du bist auf der ganzen Linie der Verlierer.“

Nicht nur Bühnes Ortsbürgermeister Hans-Jürgen Saft (parteilos) wundert sich, dass angesichts der drohenden Belastung bisher so wenig Protest aus der Bevölkerung kommt, dass es im ganz besonders betroffenen Stötterlingen so ruhig ist. Daher wolle man sich mit den Ortschaftsräten von Lüttgenrode und Wülperode zusammensetzen und in der Folge zu Einwohnerversammlungen einladen.

Wobei Eisemann anmerkte, dass die zugesagten Unterlagen aus Halle im Rahmen der neuerlichen Beteiligung noch nicht eingetroffen seien und auch nicht bekannt sei, wann sie kommen werden.

Auf der Ratssitzung in Bühne unterbreitete derweil der Hoppenstedter Christian Lellau das Angebot, Schilder mit Protestsprüchen für die Ortseingänge zu fertigen. Was vom Ortschaftsrat unterstützt wird.

Hundertmark denkt derweil noch weiter voraus. Auch wenn es jetzt bei dem Betriebsplan um 52 Hektar Abbaufläche gehe, habe der Antragsteller grundsätzlich eine bergrechtliche Genehmigung über 192 Hektar. Im Antragsgebiet besitze der Kies eine Mächtigkeit von vier bis fünf Metern. Näher an der Ilse seien es aber bis zu neun Meter. Hundertmark befürchtet daher, dass der jetzt beantragte Kiesabbau nur der Anfang sei. „Das wäre ja sonst wie ein Stück Käse, wo die Maus nur drumherum läuft.“

Er sieht zudem die Probleme für die Schutzgebiete des Trinkwasserwerkes Börßum, das zwischen Kleinem Fallstein und Ilse liegt.

Peter Eisemann berichtete über zwei Landwirte, die im Ilsetal einen beträchtlichen Teil ihrer gesamten Bewirtschaftungsfläche verlieren würden, was juristisch gesehen als Existenzgefährdung der betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe betrachtet werde und besondere Beachtung finden müsse. Der Antragsteller setzte dabei auf Austauschflächen in Lüttgenrode, wo jetzt ein Flurneuordnungsverfahren läuft. Ob der Antragsteller die Tauschflächen im Rahmen dieses Verfahrens aber überhaupt erhält, sei zudem alles andere als sicher.

Eine Entscheidung über den Betriebsplan des Kieswerkes soll bis Jahresende getroffen werden. „Wir müssen im Vorfeld aktiv werden“, betonte Manfred Hundertmark, so wie es auch vor 20 Jahren erheblichen Widerstand aus der Bevölkerung gegeben habe. Man sollte nicht auf den Klageweg warten. „Das kann lange dauern und kostet viel Geld.“