Wissenschaft Gänse kontra Störche

Karl-Heinz Mau fürchtet um den Storchennachwuchs in Adersleben. Als Ursache hat er Nilgänse ausgemacht.

Von Christian Besecke 25.07.2016, 23:00

Adersleben l Seit genau dreißig Jahren beobachtet Karl-Heinz Mau nun schon die Störche in Adersleben. Mit ihnen hat er glückliche und traurige Zeiten erlebt. „So schlimm wie die letzten beiden Jahre war es aber noch nie“, sagt er gegenüber der Volksstimme. „Die Nilgänse haben sich zu echten Konkurrenten für die Störche entwickelt.“

Im letzten Jahr beobachteten er und die Anwohner Luftkämpfe zwischen den Tieren um die Brutstätte. Nach dem bis heute mysteriösen Verschwinden der Jungvögel in diesem Jahr haben sich nun erneut die Gänse auf dem Horst breitgemacht.

„Ich glaube nicht, dass es sich um dieselben Tiere handelt, die bereits ihren Nachwuchs hier vor einigen Monaten großgezogen haben“, erläutert Mau. „Nilgänse ziehen gewöhnlich nur einmal im Jahr ihren Nachwuchs groß. Es muss sich eigentlich um andere Gänse handeln.“

Der Storchenvater ist besorgt. „Seit mehr als drei Jahrzehnten brüten schon Weißstörche auf dem alten, ausgedienten Fabrikschornstein. Man kann sagen, die Störche gehören genauso zum Erscheinungsbild von Adersleben wie die Kirche zum Dorf“, sagt er. „Seid drei Jahren machen Nilgänse zunehmend den Störchen das Nest streitig.“

Die Vögel besetzten im April, vor der Ankunft der Störche, das Nest und begannen zu brüten. Mit dem Eintreffen der Altstörche Mitte April 2016, passierte etwas sehr Merkwürdiges. Der erwartete Luftkampf mit den als aggressiv geltenden Nilgänsen um das Storchennest blieb aus.

Weißstörche und Nilgänse brüteten gemeinsam friedlich nebeneinander im gleichem Nest. „So etwas ist in der Form noch nie beobachtet worden“, gibt Mau an. „Der Nilgans-Nachwuchs verließ am 24. April das Nest. Am 29. Mai wurden dann drei Jungstörche im Nest beobachtet, welche auch am 5. Juni noch putzmunter waren.“

Zugleich hielten sich ständig die Nilgänse in der Nestumgebung auf den umliegenden Hausdächern auf. „In den Tagen nach dem 10. Juni wurde mehrfach beobachtet, dass sich keine Altstörche mehr auf dem Nest aufhielten“, erläutert Mau weiter. „Eine Anwohnerin sah, dass Nilgänse mit den Schnäbeln heftig im Nest umherstocherten.“

Am 19. Juni waren keine Jungstörche mehr im Nest zu sehen, als Mau seine Beobachtungen fortsetzte. „Nun stellt sich die Frage: Haben die Nilgänse etwa die drei Jung-störche getötet, oder waren die sehr regenreichen Tage da-ran schuld“, formuliert er. „Es deutet viel darauf hin, dass die Gänse verantwortlich sind.“

Am Abend des 9. Juli beobachteten Anwohner einen heftigen Luftkampf zwischen den Störchen und den Nilgänsen. „Seit dem 10. Juli werden nur noch die Nilgänse auf dem Nest beobachtet. Sie haben mit dem Brüten begonnen“, sagt Karl-Heinz Mau. „Was mit dem gemeinsamen Brüten so hoffnungsvoll begann, hat nun kein gutes Ende genommen.“

In den Gesprächen hätten sich Aderslebener dem Storchenvater gegenüber verärgert über die Situation geäußert. Der sucht nun nach Lösungen. „Ich habe schon Kontakt zu Jägern und den Behörden aufgenommen“, sagt er. „Vielleicht könnte man ein Schutznetz über das Nest legen und es bei Eintreffen der Störche entfernen.“ Er regt eine Diskussion an und will die Bürger mit einbeziehen. Zudem schlägt er einen Vor-Ort-Termin vor. Bürgermeister Hans-Jürgen Zimmer (CDU) ist zu Gesprächen bereit. „Die Netzidee finde ich nicht so gut, weder die Stadt noch die Verbandsgemeinde haben das Geld dafür“, sagt er. „Gemeinsam können wir aber sicherlich eine geeignete Lösung finden.“

Nilgänse sind in Sachsen-Anhalt nicht geschützt, sie fallen aber nicht unter das Jagdrecht, nur in Nordrhein-Westfalen werden sie auch bejagt.