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Ameos-Klinikum Kinderversorgung sorgt für Wirbel

Dass die Kinderklinik im Ameos-Krankenhaus Haldensleben keine eigene Station mehr ist, erregt die Gemüter.

Von André Ziegenmeyer 04.11.2015, 00:01

Haldensleben l Bei einem ersten Bericht hatte Krankenhausdirektor Andreas Schultz erklärt, dass Kinder und Jugendliche wie bisher im Haldensleber Ameos Klinikum behandelt würden. Durch die dezentrale Unterbringung in den einzelnen Fachbereichen erhöhe sich sogar die Qualität der Betreuung. Das sehen viele Leser anders.

Zunächst einmal weisen sie darauf hin, dass die Kinder- und Jugendmedizin ein breites Spektrum umfasse: Es reiche von Frühgeborenen bis zu Teenagern. Bei Letzteren könne die Unterbringung auf einer Erwachsenenstation funktionieren. Doch bei jüngeren Patienten sehe das anders aus. Beim ersten Pressegespräch hatte Andreas Schulz bereits mitgeteilt, dass Kinder und Jugendliche in separaten Zimmern untergebracht und somit von Erwachsenen getrennt würden. Bei einem weiteren Termin mit der Volksstimme ging die stellvertretende Krankenhausdirektorin Uta Ranke noch einen Schritt weiter.

Sie erklärte, dass es in der HNO-Abteilung mittlerweile einen separaten Bereich gebe, der speziell für Kinder reserviert sei - und zwar nicht nur für solche mit HNO-spezifischen Erkrankungen. Die Größe dieses Bereichs sei je nach Bedarf flexibel. Seine Lage sei günstiger als die der ehemaligen Kinderstation, weil die dortigen Räume von der Neurologie benötigt würden.

„Das ist ein Rückfall in die 50er und 60er Jahre.“

Einige Leser befürchten darüber hinaus, dass das Klinikum bei der Unterbringung von Eltern künftig schnell an Kapazitätsgrenzen stoßen werde. „Bei jeder zweiten Aufnahme eines kranken Kindes wird auch ein Elternteil mit aufgenommen“, hieß es gegenüber der Volksstimme. Uta Ranke versichert, dass der Platz für Eltern im Rahmen der Umstrukturierung nicht kleiner geworden sei. „Wir versuchen, die Kapazitäten des Klinikums optimal zu nutzen. Wie bisher nehmen wir Elternteile mit auf, solange wir können.“

In anderer Hinsicht gebe es tatsächlich Abstriche. Wie Leser berichten, seien die Zimmer der ehemaligen Station kindgerecht eingerichtet gewesen. Aus Sicherheitsgründen konnten die Fenster nur gekippt und nicht ganz geöffnet werden. Spezielle Türöffner in der entsprechenden Höhe hätten dafür gesorgt, dass junge Patienten die ehemalige Kinderstation nicht einfach verlassen konnten. Nicht zuletzt habe es eine Milchküche und ein Spielzimmer gegeben. Die aktuelle Umstrukturierung sei „ein Rückfall in die 50er und 60er Jahre, als es noch keine Kinderkliniken gab“, so das Urteil einiger Leser.

Uta Ranke räumt ein, dass es Milchküche und Spielzimmer tatsächlich nicht mehr gebe. Auch bunte Wände in den Zimmern gehörten der Vergangenheit an. Fenster könnten in Zimmern mit jungen Patienten weiterhin nur gekippt werden. „Sicher gab es Veränderungen. Aber die Kinder sind nach wie vor gut untergebracht. In erster Linie geht es um die medizinische Versorgung. Und die ist unverändert gewährleistet.“

Doch gerade in Punkto Sicherheit machen sich einige Leser Sorgen. Denn die Unterbringung von Kindern auf Erwachsenenstationen bedeute gesundheitliche Risiken: „Jede Türklinke ist eine potenzielle Gefahr, die zu schwersten Erkrankungen bei Kindern führen kann, weil sie nicht das Immunsystem eines Erwachsenen haben“, erläutert ein Leser. Darüber hinaus gebe es Krankheiten, die bei Kindern und Erwachsenen völlig unterschiedliche Verläufe nehmen würden. Nicht umsonst gebe es daher spezielle Ausbildungen zum Kinderarzt beziehungsweise zur Kinderkrankenschwester.

„Hier am Standort werden Kinder weiter behandelt. Es gibt unsererseits keine Pläne, diese Betreuung zu reduzieren oder zu beenden.“

Dazu Uta Ranke: „Bei ansteckenden Krankheiten erfolgt eine Isolation der betreffenden Patienten. Es werden besondere hygienische Maßnahmen getroffen. Alles medizinisch Notwendige wird unternommen. Kinderärzte und Kinderkrankenschwestern gibt es weiterhin. Das Team wurde nicht verkleinert.“

Weitere Leser wiesen darauf hin, dass die aktuellen Entwicklungen in Haldensleben kein Einzelfall seien: „Kleinere Kinderkliniken sind ein Zuschussgeschäft. Sie sind immer gefährdet, wenn es ans Eingemachte geht.“ Generell seien Kinderkliniken für Krankenhausbetreiber „ein gewisser Luxus“. „Aber dieser Luxus betrifft unsere Zukunft“, so die Leser.

Nicht zuletzt ist die Sorge groß, dass die Umstrukturierung eine Abwärtsspirale in Gang setzen könnte. Durch die veränderten Rahmenbedingungen werde das Ameos Klinikum für Eltern weniger attraktiv. Auf der anderen Seite könnte eine zurückgehende Auslastung dafür sorgen, dass immer weniger Ressourcen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen bereit gestellt würden - bis die Kinderklinik eines Tages ganz schließen könnte.

Die Aussicht sei nicht zuletzt deshalb besorgniserregend, weil das Krankenhaus in Neindorf seine Klinik für Kinder- und Jugendmedizin bereits 2012 geschlossen habe. Damit gebe es bei Ameos in Haldensleben „den letzten Rest an Kinderkrankenhaus im Landkreis Börde“. Wie sich das mit der öffentlichen Daseinsvorsorge vertrage, sei unklar.

Auf diese Sorge angesprochen, bestätigt Uta Ranke, dass es einen solchen allgemeinen Trend tatsächlich gebe. „Aber hier am Standort werden Kinder weiter behandelt. Es gibt unsererseits keine Pläne, diese Betreuung zu reduzieren oder zu beenden“, so die stellvertretende Klinikdirektorin.

Da es sich beim Ameos-Klinikum um das ehemalige Kreiskrankenhaus handelt, bat die Volksstimme auch beim Landkreis Börde um eine Stellungnahme. Fachbereichskoordinatorin Iris Herzig, die auch für den „Arbeitskreis Krankenhaus“ zuständig ist, antwortete: „Da die jährliche Beratung des Arbeitskreises bereits geplant war, hat der Landkreis bisher von schriftlichen Stellungnahmen des Klinikums zu möglichen Veränderungen in der Kinderbetreuung Abstand genommen.“

Es sei Aufgabe des Trägers des Klinikums, den Landkreis einmal jährlich über wesentliche Entwicklungen des Klinikums zu unterrichten. „Gemäß dem Trägerwechselvertrag vom 15. Dezember 2006, in dessen Verpflichtungen das Ameos Klinikum eingetreten ist, bedürfen wesentliche Änderungen der Nutzung oder des Leistungsangebotes, insbesondere wesentliche Änderungen des medizinischen Konzeptes der Zustimmung des Landkreises. Ob es sich im Falle der Pädiatrie um solche Änderung handelt, wird die Beratung hoffentlich deutlich machen“, so Iris Herzig weiter. Die Beratung findet heute Abend statt und ist nichtöffentlich.