1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. 1200 Euro für Socken und Schals

Spendensammlung 1200 Euro für Socken und Schals

Die große Orgel in der Haldensleber St.-Marien-Kirche ist nicht zu retten. Deshalb soll eine neue gebaut werden. Kosten: rund 700.000 Euro.

Von Marita Bullmann 08.03.2016, 00:01

Haldensleben l 1200 Euro sind bereits auf das Konto des Orgelbauvereins St. Marien eingegangen, die Strickstrümpfen, Mützen, Schals, Tüchern und anderen Wollprodukten zu verdanken sind. Und das „Warenlager“ ist noch gut gefüllt. Erst die Hälfte der Handarbeiten ist inzwischen verkauft. Und es soll weitergehen. Elli Kraul und Irene Schmidchen und viele andere wollen jedenfalls weiterstricken. Dabei kommen die beiden Frauen nicht mal aus Haldensleben, sondern aus Weferlingen. Und sie sind nicht die einzigen Auswärtigen. Mehr als 60 Strickerinnen und Häklerinnen aus dem ganzen Kirchenkreis haben sich an der Aktion beteiligt. Sogar aus dem südlichen Teil des Landkreises, nämlich aus Langenweddingen, kamen Stricksachen, freut sich Kantor Uwe Döschner über das große Echo.

Gerade hat er gemeinsam mit Kreiskantorin Stefanie Schneider alle Helfer zu einem Extrakonzert nebst anschließendem Abendessen eingeladen, um ihnen zu danken. Stefanie Schneider hatte übrigens die Idee für diese Aktion. „Auf solche Idee kommt ein Mann nicht“, sagte Uwe Döschner, als er die Gäste im Gemeindehaus von St. Marien begrüßte. Die Kreiskantorin war davon ausgegangen, dass die Haldensleber Gemeinde St. Marien die größte im Kirchenkreis ist, deshalb könne man auch im gesamten Kirchenkreis um Hilfe für eine neue Orgel bitten. Sie hatte Recht.

Zu Ostern, wenn in der St.-Marien-Kirche Konfirmation gefeiert wird, könnte der Strick-Tisch wieder aufgebaut werden. Und auf alle Fälle zum Mozart-Requiem, das die Kantorei St. Marien unter der Leitung von Uwe Döschner am 23. Oktober singen wird. In der kalten Jahreszeit gibt es dann ohnehin wieder mehr Konzerte, zu denen die Strick- und Häkelsachen erworben werden können. Die Aktion läuft jedenfalls weiter, schließlich wird es noch lange dauern, bis die erforderlichen rund 700 000 Euro zusammen sind. Wenn das Konto 250 000 Euro zeigt, könne der Auftrag ausgelöst werden, heißt es aus dem Orgelbauverein.

Die fleißigen Strickerinnen und Häklerinnen konnten sich vorab über ein eigens für sie inszeniertes Konzert im Gemeindehaus freuen. Dazu setzte sich Kantor Döschner an die Röver-Orgel im Gemeindesaal. Er servierte zuerst ein musikalisches Menü, danach wurde zum Abendessen eingeladen. Finanziert wurde das aber nicht aus der „Orgelkasse“, sondern aus einem anderen Topf.

Die Helfer verbrachten so einen sehr unterhaltsamen Abend, und sie konnten dem Organisten sogar zusehen, denn in den meisten Kirchen ist das nicht möglich. So staunten die Zuhörer ganz besonders, wie viel Beinarbeit der Kantor leisten muss. Gleich das erste „Gericht“ des musikalischen Menüs, Präludium, Fuge und Ciacona C-Dur von Dietrich Buxtehude, begann nämlich mit einem reinen Pedal-Spiel. Der Organist brachte die Orgel nur mit den Füßen zum Klingen und griff erst später auch in die Tasten. Orgelchorälen von Johann Sebastian Bach ging eine Geschichte über den Komponisten voraus. Bach hatte sich nämlich 1705 zu Fuß vom thüringischen Arnstadt nach Lübeck begeben, um sein musikalisches Vorbild Dietrich Buxtehude zu hören und vermutlich Unterricht bei ihm zu nehmen. Buxtehude war Organist in Lübeck. Bach solle auch mit der Nachfolge von Buxtehude in Lübeck geliebäugelt haben, erzählte Uwe Döschner. Aber damals sei es wohl üblich gewesen, dass der Nachfolger die Tochter des Vorgängers heiratete. Die sei in diesem Fall aber zehn Jahre älter gewesen als Bach, wahrscheinlich habe Bach deshalb Abstand genommen.

Die Orgelchoräle, so erzählte der Kantor, stammen aus Bachs Oergelbüchlein. Und das war schon wieder eine eigene Geschichte: Bach legte viel Wert auf die Ausbildung seiner Kinder und schrieb für sie ein Orgelbüchlein. Darin sind Choräle zum Kirchenjahr enthalten, die „richtungweisend sind für Organisten aller Generationen“, wie Döschner betonte. Ein großer Teil dieser Choräle sei 1717 in vierwöchiger Haft entstanden. Bach wollte nämlich von Weimar nach Köthen wechseln, hatte dort auch schon unterschrieben, allerdings ohne seinen bisherigen Dienstherren um Entlassung aus seinem Dienst zu bitten. Der setzte ihn dafür vier Wochen fest, eine schwere Zeit auch für Mozarts Frau und Kinder. Am 2. Dezember 1717 wurde Bach aus der Haft entlassen und konnte seinen Dienst in Köthen antreten. Er hatte in den vier Wochen eifrig komponiert.

Einen besonderen musikalischen Leckerbissen servierte der Haldensleber Kantor seinem Publikum mit „Four Pieces for Trumpet Clock“ (Vier Stücke für die Trompetenuhr“), eine Komposition von W. A. P. Mozart. Und das war kein Schreibfehler. Dieses Stück, im mozartschen Sinne komponiert, stammt aus der Feder des österreichischen Organisten und Komponisten Peter Planyavsky, wobei das „P“ hier auch für Plagiawski stehen könnte, witzelte Uwe Döschner. Der 1947 geborene Komponist parodiert übrigens auch andere Komponisten sehr originell, legt zwar den Zeitstil zugrunde, würzt aber mit modernen, auch jazzigen Einlagen.

So erhielten die Zuhörer gleich noch eine unvergessliche Lehrstunde zur Orgel und Orgelwerken. Nicht nur ihnen, auch dem Organisten hat dieser Abend viel Spaß gemacht. Und er ist ein kleiner Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen großen Orgel.

Viele verschiedene Aktionen hat der Orgelbauverein St. Marien bisher schon veranstaltet, um Spenden für eine neue Orgel zu sammeln. Da wurde ein Kochbüchlein herausgegeben, Friedrich Schorlemmer kam zu einer Lesung ins Gemeindehaus. Ensembles wie der Haldensleber Musikkreis „Laudate“ und das Quartett „Supcooltour“ gaben Spenden von Eintritten bei Konzerten. Der Lüneburger Chor „Laudate“ präsentierte ein Musical. Diese und andere Aktionen sowie unzählige Einzelspenden haben dazu beigetragen, dass bereits mehr als 150 000 Euro auf dem Konto sind. Auch Patenschaften für einzelne Orgelpfeifen sind möglich.

Spenden können überwiesen werden auf das Konto des Orgelbauvereins – IBAN: DE33 8105 5000 3400 0269 55, BIC: NOLADE21HDL