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Betreuungsverein Ein Ehrenamt mit größter Verantwortung

Viel Verantwortung macht das Ehrenamt des Betreuers aus. Der Betreuungsverein sucht nun wieder Menschen, die sich engagieren wollen.

Von Jörn Wegner 25.05.2016, 01:01

Haldensleben l „Es ist eines der interessantesten Ehrenämter überhaupt.“ Stephan Sigusch ist mit einiger Begeisterung in seinem Amt als Geschäftsführer des in der Börde aktiven Betreuungsvereins Oschersleben. Seine Aufgabe: Ehrenamtliche Betreuer zu organisieren, auszubilden und ihnen Unterstützung zukommen zu lassen.

Betreuer vertreten Rechte von Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr selbst handlungsfähig sind. Ihre Arbeit ist gesetzlich geregelt. Das betrifft Menschen mit Behinderung, Demente, Suchtkranke und viele andere. „Das Ehrenamt ist Kern und Basis der Betreuung“, sagt Sigusch. Häufig übernehmen Angehörige die Interessenvertretung, selten freiberufliche Betreuer gegen Bezahlung und noch seltener Behördenmitarbeiter. Sigusch und seine Kollegen vom Betreuungsverein suchen ständig neue Ehrenamtliche. Im Juni findet in Haldensleben ein Einführungskurs statt, in dem wieder neue Betreuer auf ihre Arbeit vorbereitet werden.

Und diese ist komplex und oftmals gänzlich anders als viele denken. „Der Betreuer geht nicht einkaufen und putzt auch nicht die Wohnung“, erklärt Sigusch. Die Ehrenamtlichen ersetzen weder Haushaltshilfen noch die Hauskrankenpflege oder psychosoziale Betreuung. Stattdessen kümmern sie sich um Verträge der Betreuten, regeln Geldangelegenheiten, kommunizieren mit Ämtern oder treffen Entscheidungen, die die Betreuten selbst nicht mehr treffen können.

Sigusch nennt das Beispiel einer pflegebedürftigen Frau mit ausgeprägter Demenz, bei der die Entscheidung gefällt werden musste, ob eine Magensonde gelegt werden soll oder nicht. Der Betreuer hat daraufhin medizinische Akten gewälzt und die Unterlagen der Frau studiert. Dabei fand sich unter anderem eine Patientenverfügung. Nach fachlicher Beratung durch den Betreuungsverein konnte der Ehrenamtliche schließlich guten Gewissens entscheiden, dass keine Sonde gelegt werden soll.

Fälle wie diese machen das Ehrenamt zu einer Tätigkeit mit besonders großer Verantwortung. „Der Betreuer hat die Pflicht, Wunsch und Willen des Betreuten umzusetzen“, sagt Sigusch. „Es geht nicht darum, zu helfen und die Welt zu retten.“

Die Motivation der Ehrenamtlichen sei sehr unterschiedlich, so Sigusch. „Manche arbeiten in sozialen Einrichtungen, können dort aber nicht machen, was sie wollen.“ Andere so der Geschäftsführer, hätten selbst einmal ehrenamtliche Hilfe in Anspruch genommen und wollen etwas zurückgeben. Vier bis sechs Stunden in der Woche müsse ein ehrenamtlicher Betreuer für die Arbeit einplanen, als Entschädigung gibt es knapp 400 Euro – im Jahr.

Thomas Brunke ist einer der ehrenamtlichen Betreuer. Hauptamtlich kümmert er sich um Obdachlose in der Haldensleber Unterkunft am Bahnübergang. In der Freizeit erledigt er für Menschen, die dazu nicht selbst in der Lage sind, Behördengänge und anderes. „Es sind ganz unterschiedliche Leute, das Spektrum ist groß“, sagt Brunke über sein Klientel. Von Vorteil seien die zahlreichen Kontakte, die er durch die Obdachlosenarbeit bereits geknüpft hat, etwa zum Amtsgericht und zu Behörden. „Als Ehrenamtlicher bekommst du nicht die ganz harten Fälle“, sagt Brunke und berichtet von einem jungen Obdachlosen. „Aufenthaltsort unbekannt“ war die Information, die er über den Mann erhalten hat – das heißt, er war anfangs nicht einmal auffindbar. „Da fängst du ganz von vorn an“, sagt Brunke. Für solche Menschen muss der Betreuer alles organisieren, was zu einem Start in ein normales Leben gehört: Ausweis beantragen, ein Konto eröffnen, bei der Krankenkasse anmelden, Wohnungsangelegenheiten klären, prüfen, ob ärztliche Gutachten vorliegen und vieles mehr. „Da habe ich richtig Zeit investiert“, sagt Brunke.

Andere Klienten wiederum machten regelrecht Freude. Zum Beispiel ein Bewohner der Lebenshilfe mit Down-Syndrom. „Der freut sich immer wie ein Schneekönig, wenn ich komme.“ Ähnliches gilt für eine alte Damen, die er betreut. Die freue sich immer, wenn er bei seinen Besuchen noch etwas länger bleibt und Zeit für ein Gespräch hat, auch wenn solche Dinge nicht zu den Aufgaben eines Betreuers gehören.

Stephan Sigusch sucht nun neue Betreuer, „auf Vorrat“, wie er sagt. Der Hintergrund: Viele Wohnheime gibt es im Landkreis, den Großteil der Betreuungsarbeit, etwa für Menschen mit einer geistigen Behinderung, übernehmen die Eltern. Viele von ihnen seien aber in einem Alter, in dem sie bald selbst Hilfe benötigen. Daher sei absehbar, dass in naher Zukunft zahlreiche ehrenamtliche Betreuer benötigt werden.

 

Wer Interesse hat, kann sich noch bis Ende der Woche für den Einführungskurs im Juni anmelden. Der erste Termin ist am Mittwoch, 1. Juni, von 16 bis 18 Uhr. Informationen gibt es unter Telefon 03949/513 43 25 und im Internet unter www.bvoc.de