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Ab 1. April Kein Kindernotdienst in Haldensleben

Ab 1. April gibt es im Altkreis Haldensleben keinen Kindernotdienst mehr. Notfälle übernimmt der allgemeine ärztliche Bereitschaftsdienst.

Von Jens Kusian 26.03.2016, 01:00

Haldensleben l Seit mehr als 20 Jahren gibt es für den Bereich des Altkreises Haldensleben einen kinderärztlichen Bereitschaftsdienst. Doch dieser wird zum 1. April aufgelöst – es fehlt an pädiatrischen Fachärzten, die diesen Notdienst künftig weiter absichern können.

Derzeit gibt es im Altkreis Haldensleben vier Kinderärztinnen, die alle ihren Sitz in Haldensleben haben. Sie gewährleisten aktuell den Bereitschaftsdienst für Kinderheilkunde. Das bedeutet, der kinderärztliche Notdienst wird im Moment an sieben Tagen in der Woche abgehalten, immer von Montag bis Sonntag. Beim Bereitschaftsdienst montags, dienstags und donnerstags werden die kleinen Patienten in die Praxis bestellt, im Ausnahmefall werden auch Hausbesuche gemacht. Mittwochs, freitags und am Wochenende gibt es dann zusätzlich zur Bereitschaft noch Sprechstunden sowie einen Sitzdienst.

Doch eine der vier Ärztinnen wird voraussichtlich zum 1. Mai in den Ruhestand gehen, die übrigen können diesen Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst allein nicht mehr aufrecht erhalten. Sie stoßen schon jetzt an ihre Grenzen.

Außerdem müssen für einen Bereitschaftsdienst mindestens fünf Ärzte zur Verfügung stehen, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen-Anhalt, die für die Bereitschaftsdienste zuständig ist. Wird diese Zahl unterschritten, so die KV weiter, wäre die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten zumindest gefährdet, weil bei den Ärzten dann eine Überlastung drohe.

Mit ausschlaggebend für die prekäre Situation im Bereich der Pädiatrie, also der Kinderheilkunde, war die Umstrukturierung im Ameos Klinikum. Dort gibt es seit Sommer des vergangenen Jahres keine eigenständige Klinik für Kinder- und Jugendmedizin mehr im herkömmlichen Sinne. Die jungen Patienten werden interdisziplinär behandelt, das bedeutet, je nach Krankheitsbild auf den entsprechenden medizinischen Fachstationen. Somit kann die bis dahin bestehende Kinderstation im Notfall nicht mehr aufgesucht werden.

Das sieht die KV allerdings anders. Sie teilt mit, dass nach ihrem aktuellen Kenntnisstand die Kinderabteilung im Ameos-Klinikum Haldensleben erhalten bleibe. Die Realität sieht seit Sommer aber ganz anders aus. „Es gab Fälle, da wurde ich mitten in der Nacht von Ameos angerufen, um einem Kind im Notfall zu helfen, weil dort kein Kinderarzt im Haus war“, erzählt Ute Nowak, niedergelassene Kinderärztin im Medi-Center. Solche Notfälle hätten sich in der Vergangenheit gehäuft. „Ich habe meine Sprechzeiten und ich habe den Bereitschaftsdienst. Doch irgendwann muss ich auch einmal schlafen“, sieht sie sich und ihre Kolleginnen mittlerweile an der Grenze der Belastbarkeit.

Um kleine Patienten im Notfall künftig nicht unversorgt zu lassen, sollen die am allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmenden Vertragsärzte des Bereiches Haldensleben ab dem 1. April diese Arbeit mit übernehmen. In diesem allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst sollen dann auch die drei Kinderärztinnen eingebunden werden, teilt die KV mit.

Das wiederum stellt die rund 65 am Bereitschaftsdienst teilnehmenden Ärzte vor eine enorme Herausforderung. Denn neben Allgemeinmedizinern und Hausärzten sichern auch Fachärzte – bis auf Augenärzte – diesen Dienst mit ab. „Im Idealfall hat gerade ein Kinderarzt Notdienst oder vielleicht noch ein Hausarzt. Es kann aber auch sein, dass ein Chirurg oder ein Psychiater gerade den Bereitschaftsdienst absichern“, sagt Ulrike Grotjohann vom Qualitätszirkel der Hausärzte des Altkreises Haldensleben. „Selbst ich habe ein bisschen Panik davor, wenn während meines Bereitschaftsdienstes Patienten mit speziell pädiatrischen Krankheitsbildern auftauchen“, so die Allgemeinmedizinerin weiter. Zwar gehört Pädiatrie auch mit zum Medizinstudium – allerdings nur ein Semester bei denen, die sich nicht auf das Fachgebiet Pädiatrie spezialisieren.

Zudem würden sich die Arzt-Patienten-Kontakte drastisch erhöhen, wenn der allgemeine ärztliche Bereitschaftsdienst auch die Pädiatrie-Notfälle mit übernehmen müsse, macht Ulrike Grotjohann deutlich. Die Folge wären lange Wartezeiten für alle Patienten, die den Notdienst aufsuchen.

Zudem würden die kleinsten Patienten auch nur an das Klinikum in Magdeburg-Olvenstedt oder an das Medico-Center Magdeburg verwiesen werden können. „Wenn ein Neugeborenes beispielsweise nicht trinkt und nur schreit, was sollen da dann bitte ein Chirurg, ein Psychiater oder ein anderer Facharzt machen?“, sieht Ulrike Grotjohann auch eine Überforderung ihrer Kollegen. Daher sei es im Ernstfall günstiger, wenn sich Eltern mit kranken Kindern gleich nach Magdeburg wenden würden, meint sie.

Der ärztliche Sitz-Notdienst kann mittwochs und freitags jeweils von 16 bis 18 Uhr, an den Wochenenden und Feiertagen jeweils von 9 bis 12 Uhr und von 16 bis 18 Uhr im Ameos-Klinikum Haldensleben, Kiefholzstraße 27, aufgesucht werden.