1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Landrat ist man nicht, Landrat lebt man

Abschied Landrat ist man nicht, Landrat lebt man

Nach sieben Jahren endet offiziell die Amtszeit von Hans Walker (CDU), Landrat des Landkreises Börde.

Von Ivar Lüthe 04.09.2018, 10:00

Hundisburg | Die Amtszeit von Börde-Landrat Hans Walker (CDU) endet am 7. September nach sieben Jahren. Vorher wird er in der Ziegelei Hundisburg mit einer Dankeschönveranstaltung verabschiedet. Für die Volksstimme sprachen Ivar Lüthe und Thomas Junk mit Hans Walker über seine Amtszeit.

Volksstimme: Sieben Jahre Amtszeit als Landrat des Landkreises Börde gehen vorüber. Am Mittwoch werden Sie mit einem Empfang in der Ziegelei Hundisburg verabschiedet, am Freitag endet offiziell die Amtszeit. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Hans Walker:
Die Zeit ist außerordentlich schnell vergangen. Es war eine spannende Zeit und ich bin dankbar dafür, dass ich diese Zeit erleben und gestalten durfte. Da gibt es das eine weinende und lachende Auge, mit dem man dann geht. Aber jetzt ist es so und ich habe mich darauf eingestellt. Und ich glaube, dass wir in diesen Jahren einige Meilensteine für die Menschen in unserem Landkreis gesetzt haben.

Aber Sie hätten ja schon ganz gerne auch noch weitergemacht. Nachdem sich Ihre Partei für Martin Stichnoth ausgesprochen hatte, hatten Sie sich offen gehalten, gegebenenfalls auch ohne die CDU zu kandidieren.
Sicher, ich hätte gern noch weitergemacht, muss aber sagen, dass es dann zu politischen Auseinandersetzungen geführt hätte, die dem Amt nicht wirklich genutzt hätten. Das war am Ende auch der Punkt, zu sagen, jetzt ist Schluss, hier geht es jetzt um Wichtigeres, nicht um mich. An erster Stelle steht, die Aufgaben, die dieses Amt mit sich bringt, qualitativ hochwertig zu erfüllen. Und das geht nur, wenn man die Dinge sachlich und in Ruhe übergeben kann.

Wenn Sie sich jetzt zurückerinnern, was war für Sie der wichtigste Moment, die wichtigste Entscheidung in den sieben Jahren?
Ich würde sagen, dass es nicht die wichtigste Entscheidung gibt. Es gibt strategische Momente, denen man einen Wert zumisst und operative Aufgaben, an denen man ständig arbeiten muss. So ein strategisches Moment war für mich, dass dieser Kreis, der ja schon vier Jahre, bevor ich ins Amt kam, fusioniert war, enger zusammenwachsen soll. Ich war der Auffassung, dass man ungemein viel mit den Menschen im Landkreis arbeiten muss, um dieses Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Es ging aber auch darum, die Aufgaben, die sich aus diesem Fusionsgedanken heraus optimieren lassen sollten, umzusetzen und nach vorn zu bringen. So eine Aufgabe war beispielsweise der Zusammenschluss der Verkehrsbetriebe, oder auch die Gründung der Anstalt des öffentlichen Rechts der Abfallentsorgung.

Nicht zu vergessen ist die seit 2013 von uns initiierte Beteiligung an der internationalen grünen Woche in Berlin, in der wir außer unserem mittlerweile über die Grenzen hinaus bekannt gewordenen Börde-Tag mit regionalen Ausstellern vertreten sind. Somit haben wir die Möglichkeit, uns als Landkreis international bekannt zu machen.

Ein Thema war auch die Gründung der gemeinnützigen Kultur GmbH, die ich angestrebt habe, um die freiwilligen Leistungen auch in Zukunft zu sichern. Denn ich bin schon der Meinung, dass wir für unsere Menschen kulturelle und sportliche Angebote in jedem Fall vorhalten müssen. Hier muss man nicht nur schauen, was man inhaltlich umsetzen kann, sondern wie sich das Ganze über Jahre hinaus sicher finanzieren lässt. Im Ergebnis ist ja dann der Kulturkonvent gebildet worden.

Aus der Gründung der gemeinnützigen Kultur GmbH ist ja nichts geworden. Die Ergebnisse des Kulturkonvents fließen aber in das Kreisentwicklungskonzept ein, an dem gearbeitet wird...
Das ist richtig. Die Ergebnisse des Kulturkonvents sind aber eine Grundlage und ein Handwerkszeug, aus denen die Verantwortungsträger ihre Entscheidungen ableiten können. Es geht darum, die Aufgaben und Leistungen zu erbringen und sie auch für die Zukunft bezahlbar zu machen. Das Aufstellen des Kreisentwicklungskonzeptes war wichtig, um strategische Ziele aufzustellen. Und es wird dazu führen, die Angebote im Bereich Kultur, Sport, den freiwilligen Leistungen im Allgemeinen nachhaltig zu sichern.

Dem Breitbandausbau hatten Sie sich verstärkt gewidmet. Nun ist symbolisch der Spatenstich gesetzt worden. Doch nicht alle Kommunen machen beim Glasfaserausbau in der Arbeitsgemeinschaft (Arge) des Landkreises mit. 5 der 13 Kommunen gehen andere Wege. Was sagen Sie dazu?
Das ist kommunale Selbstverwaltung. Wenn der Markt es nicht regelt - das ist Vorgabe des Gesetzgebers - kann und muss in kommunaler Verantwortung dafür gesorgt werden, dass die Bevölkerung versorgt wird. Das Angebot war, die Arge zu bilden und Glasfaser bis in jedes Haus zu legen. Anfangs waren alle dabei. Dann ging es aber um die unterschiedlichen Konzepte oder unterschiedlichen Strategien - ich würde eher sagen, die unterschiedlichen Nicht-Konzepte und Nicht-Strategien des Bundes und des Landes - die sich hier widerspiegeln. Das hätte man anders regeln können. Und das macht uns früher oder später zu schaffen. Sicher bekommen diejenigen, die auf die Vectoring-Technik, also teils Glasfaser, teils Kupferkabel, setzen, jetzt schneller Lösungen hin. Aber auch nur Lösungen über einen überschaubaren Zeitraum hinweg.

Die Glasfasernetze dauern länger, sind aber unabdingbar, weil die Zukunft und die ganze Technologie darauf hinausläuft. Medizin, Wirtschaft, Verkehr, privates Leben - all das ist darauf ausgerichtet. Es geht nicht darum, dass man schnell einen Spielfilm herunterlädt. Wenn wir zukünftig die digitale Chipkarte haben werden, mit der wir Diagnosen überstellen, Termine vereinbaren, Überweisungen, Rezepte etc. über das Internet regeln, dann braucht es mehr Kapazitäten. Und das bietet nur die Glasfaserlösung.

Es geht um den ländlichen Raum, den der Markt nicht abdeckt. Wir sind 80 Prozent ländlicher Raum - und wenn wir da nicht aufpassen, dann zahlen wir doppelt und dreifach. Davon bin ich fest überzeugt. Aber wenn ein Gemeinderat sagt, wir wollen da jetzt nicht so viel investieren, dann hat die Gemeinde es eben im Rahmen ihrer eigenen Verantwortung so beschlossen.

Ich muss aber auch sagen, wenn der Markt seiner Aufgabe gerecht geworden wäre, dann hätten wir das als Landkreis und Kommunen nicht selbst gemacht. Wir sind keine Breitband-Fetischisten. Aber wir sind dafür verantwortlich, die Bevölkerung zu versorgen.

Was hätten Sie denn gern noch zu Ende gebracht?
Ich hätte gern noch den Generationswechsel in der Kreisverwaltung ein Stück weiter mit begleitet. Die Anforderungen, die Standards, die an eine Kreisverwaltung gestellt werden, werden ständig höher. Dafür braucht man gut ausgebildete, engagierte Mitarbeiter. Wir haben in der jüngeren Vergangenheit schon viel getan, was die Frage der Personalentwicklung, Fort- und Weiterbildung anbetrifft. Das haben wir gut auf den Weg gebracht und ich habe auch den Eindruck nach den Gesprächen mit meinem Nachfolger, dass er die Dinge des Generationsumbaus auch so sieht.

 

Sie waren jetzt sieben Jahre Chef der Verwaltung, wie übergeben Sie Ihr Haus?
Ich glaube schon, dass ich es - nach meinen Vorstellungen - geordnet und den Anforderungen entsprechend gut strukturiert übergebe. Das ist aber ein permanenter Prozess.

Stichwort Bürgernähe. In Ihrer Amtszeit ist das neue Landratsamt in Haldensleben gebaut, die Konzentration der Verwaltung auf Haldensleben und Oschersleben umgesetzt worden. In Wolmirstedt hat das für Unmut gesorgt, es gab eine Petition zum Erhalt der Außenstelle dort.
Der Unmut, der da plötzlich eine Rolle spielte, kam verständlicherweise aus der Angst, dass die Zeit näher heranrückte, zu der auch die letzten Angestellten aus Wolmirstedt umziehen mussten. Es war längst beschlossene Sache zwischen allen, dass diese Konzentration auf die Verwaltungsstandorte erfolgen muss. Und das war schon so, als manche sich berufen fühlten, eine Petition zu schreiben, bekannt.

Es geht um die Verrichtung der Leistungen an dem Ort, an dem man eingesetzt ist. Und wir haben festgestellt, dass sich diese Bürgernähe nicht durch den Arbeitsplatz widerspiegelt, sondern durch die Leistungen, die abgefordert werden. Sozialhilfe, das Thema der Kfz-Zulassungen, des Führerscheins und all diese Dinge, die waren längst geordnet. Die haben in Wolmirstedt überhaupt keine Rolle mehr gespielt. Alles andere ist eine verwaltungsinterne Angelegenheit. Als Hauptverwaltungsbeamter bin ich dazu verpflichtet, auch solche Entscheidungen zu treffen, die nicht unbedingt Vergnügungssteuerpflichtig sind.

Als wir 2013 die Arbeitsgruppe „Verwaltungsstandorte“, also schon vor der Wahl der Kreistages, gebildet hatten, war klar, wenn eine flächendeckende Versorgung der Bürger vonnöten ist, dann verhandeln wir mit den Gemeinden, Service-Center einzurichten, in denen Mitarbeiter der Kreisverwaltung ein, zwei Tage - so wie der Bedarf ist - vor Ort sind, um dort die Anliegen der Bürger zu bearbeiten.

Zu der Zeit, als diese Petition vorbereitet worden ist, waren Verhandlungen zur Nutzung von zwei Räumen im Rathaus Wolmirstedt schon längst im Gange. Ich kann die Angst verstehen. Ich darf aber nicht darauf reagieren, weil der Auszug mehrheitlich beschlossen war.

Die Fusion war keine Erfindung der Landkreise. Das wollte der Gesetzgeber so. Weil Kosten damit gespart werden sollten. Es ist bisher noch nicht nachgewiesen, dass wir irgendwo Kosten eingespart hätten. Aber wir waren verpflichtet, die Gesetze des Landes Sachsen-Anhalt zu beachten und zu erfüllen. Und das ist der Punkt. Ob mir das gefällt oder nicht. Ich kann nur versuchen, die Auswirkungen abzumildern oder zu optimieren. Es ist keine subjektive Entscheidung, die durch einen schlechten Nachtschlaf des Landrates gefällt worden ist. Wichtig ist jetzt, dass wir eine ordentliche Nachnutzung des Gebäudes in Wolmirstedt finden.

Viel diskutiert war in den zurückliegenden Jahren auch immer das Thema Brennordnung. Im Wahlkampf haben nicht nur ihr Nachfolger, sondern auch die anderen Kandidaten gesagt, dass sie Ihr Verbot der Gartenfeuer zurücknehmen werden. Glauben Sie, dass es ein Fehler war, dass Sie die Gartenfeuer verboten haben?
Das war kein Fehler. Sie wissen, dass wir in der Vergangenheit immer darüber nachgedacht und nach Alternativen gesucht haben. Ich denke, zum Schutz der Bevölkerung in den Siedlungsbereichen war die Entscheidung richtig. Und wer das zurücknehmen will, der wird nicht nur auf Beifall stoßen. Am Ende hat man als Entscheidungsträger die Verantwortung für alle. Das Thema ist auf allen Ebenen von Politik und Verwaltung unterschiedlich diskutiert worden. Das Land hätte es selbst in der Hand, die Sache einheitlich für alle Landkreise zu regeln.

Wie wird es bei Ihnen persönlich weitergehen?
Rein rechtlich bin ich auf dem Weg, Rentner zu werden. Aber ich denke schon, dass ich beruflich noch ein bisschen was machen werde. Wir haben viele Aufgaben, die mittelbar und unmittelbar mit der Entwicklung unseres Landkreises zu tun haben. Da will ich schon versuchen, das eine oder andere noch mit zu gestalten.

Also die Kommunalwahl 2019 steht bei Ihnen nicht oben an?
Das muss ich abwarten. Es gibt den ungeschriebenen Grundsatz, dass man seinem Nachfolger nicht in die Suppe spuckt und nach dem Amt in den Kreistag wechselt - wenn man denn gewählt wird. Die Entwicklung des Landkreises wird mich natürlich weiter beschäftigen. In welcher Form ich mich dann einbringe, werde ich sehen.

Im Übrigen ist es jetzt an der Zeit, dass ich mich bei allen Menschen bedanke, die sich an der guten Entwicklung unseres Landkreises gemeinsam mit mir beteiligt haben und dieses auch weiterhin tun werden.

Was geben Sie Ihrem Nachfolger denn mit auf den Weg?
Landrat kann man nicht sein, Landrat muss man leben. Ich kann Martin Stichnoth nur Stärke und eine Portion Glück wünschen. Er soll schauen, wo er die richtigen Verbündeten findet und er muss auf die Loyalität seiner Mitarbeiter vertrauen können.