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Ameos-Psychiatrie Fachleute sehen „eklatante Mängel“

Die Ameos-Psychiatrie in Haldensleben steht massiv in der Kritik. Ein Ausschuss des Landes bescheinigt dem Standort eklatante Mängel.

Von André Ziegenmeyer 24.09.2016, 12:00

Haldensleben l Grundlage für die Beurteilung sind die Einschätzungen von Fachkommissionen. Zwischen Mai 2015 und April 2016 haben sie für den „Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung Sachsen-Anhalt“ Einrichtungen im ganzen Bundesland unter die Lupe genommen. Für Ameos in Haldensleben fiel das Urteil besonders hart aus.

Die Mitglieder der zuständigen Kommission besuchten am 5. November 2015 die Psychiatrischen Wohn- und Pflegehäuser. Betrieben werden diese von der Ameos Pflege- und Eingliederungshilfe GmbH. Das Fazit: „Die Psychiatrischen Wohn- und Pflegehäuser in Haldensleben haben die vorsichtig optimistischen Veränderungen, die von der Kommission beim letzten Besuch 2012 festgestellt wurden, leider nicht fortsetzen können. Pläne für weitere dringend notwendige Sanierungen wurden fallen gelassen.“

Anschließend werden die Fachleute noch deutlicher: „Der bauliche Zustand des Hauses 112 liegt unterhalb der Grenze der Zumutbarkeit für Bewohner und Mitarbeiter. Eklatante Mängel im Personalmanagement führten zu einer Personalmangelsituation, die zum Besuchszeitpunkt auch die Fachlichkeit deutlich einschränkte und konzeptionelle Weiterentwicklungen behinderte.“

Darüber hinaus empfiehlt die Kommission eine „stärkere Öffnung nach außen“, um „den Bewohnern eine weitere Perspektive nach den bestehenden Außenwohngruppen auf dem Klinikgelände zu geben“. Zu den vorgefundenen Zuständen heißt es: „Die Grundlagen der Normalisierung der Lebensumstände und der Teilhabe werden nicht oder nicht ausreichend umgesetzt.“

Am 3. März 2016 stattete die Kommission den Wohn- und Pflegehäusern einen weiteren Besuch ab. Dieses Mal gelangen die Fachleute zu einem vorsichtig optimistischen Urteil: „Der Träger der Psychiatrischen Wohn- und Pflegehäuser in Haldensleben hat, wie beim unangekündigten Besuch deutlich wurde, kurzfristig Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen der Besuchskommission eingeleitet. Es bleibt zu hoffen, dass es auch mittel- und längerfristig weitere Schritte zur Weiterentwicklung geben wird.“

Am gleichen Tag nahmen die Besucher jedoch auch die Psychiatrie des Ameos Klinikums in Augenschein. Erneut finden sich im Bericht deutliche Worte: „Die Klinik ist baulich zum Teil stark vernachlässigt, Neu-Ersatzbaumaßnahmen haben nach jahrelangen Zusagen endlich begonnen, sind aktuell aber nicht mehr für alle Funktionsbereiche vorgesehen. Es bleibt zu hoffen, dass die seit Langem überfälligen und angekündigten Baumaßnahmen zeitnah abgeschlossen werden können (...).“

Die zu diesem Zeitpunkt nicht geplante Sanierung des psychotherapeutischen Bereiches bringe das Risiko mit sich, dass es zu einer zunehmenden Kluft „zwischen allgemein anerkannten zeitgemäßen Standards und vorgehaltenen Angeboten“ kommen könnte.

Der Akutbereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei während des Besuches überbelegt gewesen. Dies sei ein weiterer Grund zur Sorge. Weiter heißt es im Bericht: „Auch die in diesem Bereich nicht vorgesehene Sanierung ist aus Sicht der Kommission bedenklich. Zudem ist hier die Position des Chefarztes seit geraumer Zeit unbesetzt. Hier ist baulich und personell eine besonders kritische Situation gegeben.“

Die Volksstimme bat Ameos um eine Stellungnahme. Dr. Alexa von Dossow, die Regionalleiterin Kommunikation bei Ameos Ost, widerspricht den im Bericht geäußerten Befunden nicht. Allerdings habe sich seit dem letzten Besuch viel verändert. „Selbstverständlich nehmen wir alle Anregungen der Besuchskommission des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung sehr ernst und setzen diese engmaschig in enger Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden um“, teilt Alexa von Dossow mit.

„Aus den Rückmeldungen, die sich aus dem Besuch der Kommission ergeben haben, wurden von uns gezielte Maßnahmen und Prozessanpas­sungen abgeleitet. Dabei arbeiten wir in enger und regelmäßiger Kooperation mit der Heimaufsicht des Landkreises Börde und der Sozialagentur des Landes Sachsen-Anhalt zusammen“, so die Pressesprecherin. Alle geforderten Personalstellen seien mittlerweile qualifiziert besetzt. Dies werde auch regelmäßig an die zuständigen Behörden übermittelt. Ein Fortbildungsplan bestehe ebenfalls und werde von der Heimleitung überwacht. Bauliche Veränderungen und Modernisierungen seien ebenfalls bereits umgesetzt. „Die beiden Pflegeeinrichtungen der Ameos Pflege und Eingliederungs­hilfe sind schon seit längerem saniert. Pläne zur Sanierung beziehungsweise Neubau des Gebäudes 112 liegen aktuell vor“, führt die Regionalleiterin Kommunikation aus.

Die Teilhabe am öffentlichen Leben werde den Bewohnern durch gemeinsame Aktivitäten ermöglicht. Ferner werde die Eingliederung in die Gesellschaft durch soziale Wohnformen, wie zum Beispiel Wohngemeinschaften, unterstützt. Nachdrücklich weist Alexa von Dossow darauf hin, „dass die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Ameos Klinikums Haldensleben in keinem Zusammenhang mit der Ameos Pflege und Eingliederungshilfe steht“. Der Chefarztposten der Kinder- und Jugendpsychiatrie sei derzeit kommissarisch besetzt. Eine Sanierung und Modernisierung des Gebäudes sei im Gange.

Die Überbelegung der Klinik erklärt Alexa von Dossow so: „Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie ist eine, auch überregional, sehr anerkannte Einrichtung und dadurch immer sehr gut ausgelastet. Als Klinik der Akutversorgung von psychisch erkrankten oder gefährdeten Kindern und Jugendlichen sind wir gesetzlich verpflichtet, alle Patienten aufzunehmen. Daher kann in der Akutversorgung eine kurzfristige Überbelegung nicht ausgeschlossen werden.“ Eine fachgerechte Betreuung sei aber „jederzeit gewährleistet“.

Im Zuge der Recherche hat die Volksstimme auch den Landkreis Börde um eine Einschätzung gebeten. Diese Stellungnahme soll der Redaktion in der nächsten Woche zugehen.