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Artenschutz Drömlings-Ranger fürchten um Gänse

Tausende Gänse nutzen den Drömling als Zwischenstopp. Ranger befürchten, dass Jäger beim Vergrämen der Vögel auf seltene Arten schießen.

Von Anett Roisch 10.11.2015, 00:01

Piplockenburg/Mannhausen l Bei der Gänsewanderung erleben die Naturfreunde ein ohrenbetäubendes Spektakel. Bei Einbruch der Dunkelheit an der Flachwasserzone in Piplockenburg landen etwa 8000 Saat- und Blässgänse sowie andere seltene Arten, wie die Weißwangengänse, Kurzschnabelgänse und Zwerggänse, von denen es nur noch sehr wenige auf der Welt gibt.

Beeindruckt vom Naturschauspiel ist auch Merle Lehnert aus Wernitz. Die Achtjährige möchte wissen, warum machen die Vögel, die zeitgleich aus allen Himmelsrichtungen einfliegen, so einen großen Krach? Die Antwort darauf hat Wolfgang Sender, Mitarbeiter der Parkverwaltung: „In Familien kommen die Gänse aus ihren Brutgebieten hierher. Sie verlieren sich in dem Durchein- ander. Durch Stimmäußerungen können die alten Vögel ihre Jungen erkennen.“ Das Spektakel geht nach den Erfahrungen des Rangers bis weit nach Mitternacht. „Den Kranichen ist es jetzt hier viel zu laut. Sie haben sich jetzt einen anderen Platz zum Schlafen gesucht“, weiß er.

Konflikte gäbe es nach Senders Ausführungen mit der Jagd. „Bislang war es so, dass die Gänse erst ab dem 15. November bejagt werden. Das hat man jetzt geändert. Bei Gänsen, die auf den Feldern Schaden machen und wenn die Trupps größer als 50 Exemplare sind, darf man sie vergrämen. Das heißt, dann wird dazwischen geschossen“, beschreibt Sender, während die Gäste durch ihre Ferngläser schauen.

Bedauerlich sei es, dass dann auch die seltenen Arten, die vom Aussterben bedroht sind, sich in den großen Trupps befinden. Die Arten sehen sich ähnlich. „Aus der Entfernung oder auch bei schlechtem Licht in der Dämmerung könnten die Jäger die Arten nicht unterscheiden. Nach dem Jagdgesetz heißt es, dass erst auf ein Tier geschossen werden darf, wenn man es zweifelsfrei ansprechen kann“, erklärt er. Seiner Meinung nach dürfte dann bei solchen Verhältnissen überhaupt nicht auf Gänse geschossen werden. Was noch viel schlimmer sei, dass die Artenkenntnisse mancher Jäger nicht ausreichend seien. Die Flachwasserzone ist allerdings ein Schutzgebiet. Hier darf nicht gejagt werden.

Landwirte klagen,dass Vögel große Schäden auf den Feldern anrichten. Dass die Gänse Schaden anrichten, sei wirklich ein Problem.

„Das ganze Zugverhalten der Gänse hat sich in den letzten 20 Jahren verändert. Die Gänse, die bei uns überwintern, kommen aus den Tundra-Gebieten und aus Russlands Sibirien. So lange die Landwirtschaft dort noch intakt war, sind die Gänse über die baltischen Republiken und dann weiter nach Ungarn geflogen. Mitteleuropa hatten die Gänse gar nicht erreicht“, sagt Sender.Zeitgleich habe in Deutschland ein Wandel in der Landwirtschaft stattgefunden. Es wird kaum noch Sommergetreide angebaut, sondern hauptsächlich Wintergetreide. „Und das ist dann für die Gänse natürlich ein reichgedeckter Tisch. Wenn sie zu Tausenden auf so einen Rapsacker einfallen, dann dauert es vier Tage, und da ist nichts mehr zu holen. Die Bauer bekommen keinen Cent Entschädigung. Bei jagdbarem Wild, wenn es Schaden anrichtet, muss sonst der Jäger per Gesetz an den Landwirt eine Entschädigung zahlen. Aber das trifft bei Federwild eben nicht zu.

„Es gibt aber Ansätze, wie man das Problem in den Griff bekommt. In den letzten Jahren wurde viel Mais angebaut. Gerade bei der Ernte vom Körnermais bleibt sehr viel Ernterückstand liegen. Dort müsste man die Gänse in Frieden lassen“, betont Sender.

Das Beobachtungsholzhäuschen an der Flachwasserzone in Piplockenburg steht immer offen. Wer eine fachkundliche Führung möchte, kann Kontakt aufnehmen bei der Naturparkverwaltung unter Telefon (039002) 85011.