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Ausstellung Ortschaftsräte reisen in die Vergangenheit

Unter dem Motto "Geschichte und Berufe in Rätzlingen" laden die Heimatfreunde zu einer Ausstellung in die Bibliothek ein.

Von Anett Roisch 19.11.2017, 10:00

Rätzlingen l „Wir fangen heute eine halbe Stunde früher mit unserer Sitzung an, um uns die Arbeit unseres neu gegründeten Geschichtsvereins anzusehen“, kündigt Rätzlingens Ortsbürgermeister Wilhelm Behrens (WG Sport) in der Bibliothek an. „Die Ausstellung zeigt zum größten Teil Dinge, die wir innerhalb eines Jahres gesammelt haben“, sagt Ortschronist Günter Riedel, der Vorsitzende des Geschichtsvereins.

Er weist darauf hin, dass viele historische Kostbarkeiten aus der DDR-Zeit auch schon im Vorfeld von Hannelore Segeler und Karin Bühnemann zusammengetragen wurden. Der Ortschronist präsentiert nostalgische Haushaltsgegenstände und zeigt auf eine alte Wohnzimmeruhr, deren Zeiger sich immer noch auf die Minute genau drehen. „Im Haus von Helga Grupe hat man diesen Gegenstand gefunden“, sagt er und lässt die Besucher rätseln, was passiert, wenn man an diesem hölzernen Kasten kurbelt.

„Das ist eine Kaffeeröstmaschine. Der Holzgriff war kaputt. Wenn die Maschine auf dem Herd stand, dann hat Frau Grupes Urgroßmutter einen kleinen Lappen drum gewickelt, damit sie sich nicht die Finger verbrennt“, klärt er auf und zeigt auf den kleinen Fetzen am Griff. Alle Gegenstände sind – nach Riedels Ausführungen – so belassen, wie sie beim Fund waren.

„Lutz Lauenroth und ich – wir haben beim Herrichten die verrosteten Gegenstände in Öl getränkt“, beschreibt der Rätzlinger. Ein Dankeschön geht an Edwin Wittig, der den Heimatfreunden einen Kartoffelhacker, eine Sichel und andere landwirtschaftliche Geräte geschenkt hatte. Werkzeuge des Schuhmachers, des Schneiders, des Polsterers, des Schmieds, Dachdeckers und des Frisörs sind zu bewundern.

Ein Buch des Kaufmannes gibt es, in dem die offenen Rechnungen der Rätzlinger nach dem Krieg aufgeschrieben wurden. Gleich neben dem Buch steht eine Tellerwaage, die schon über 100 Jahre alt ist. Die Bereitschaft der Rätzlinger, für jedes Handwerk etwas zu spenden, sei groß.

„Es sind alles Schenkungen für die Geschichtswerkstatt. Angefangen von einer 300 Jahre alten Puppe vom Schneider Schild, die die Frackjacke des Vaters von Ortsbürgermeister Wilhelm Behrens trägt über das Kuhgeschirr, das Rüdiger Otto spendete bis zu einer Schnitzbank. Ein Regal füllen die Utensilien der Deutschen Bahn, angefangen von der Mütze eines Lokomotivführers bis zu den Stempeln, die aus dem Rätzlinger Bahnhof stammen.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Modell eines Grubenhauses aus dem Mittelalter. „Dieses Haus wurde vom Traktoristen Karl-Heinz Buch gefunden“, erzählt Riedel. Buch entdeckte damals die Reste des Hauses beim Aushub einer Grube für einen Melkstand. „Am 14. April 1959 stieß er mit der Baggerschaufel darauf“, berichtet Riedel und nimmt das Dach des Modells ab, um Details zu zeigen.

Eine Landesarchäologin aus Niedersachsen stellte anhand der Scherbenfunde fest, dass das Haus aus dem 10. Jahrhundert stammt. Gemeinsam mit Lutz Lauenroth hat Riedel das Modell gebaut. „Gekauft haben wir nur die Bäume und die Schäfchen, alles andere ist aus Naturmaterial und geschnitzt“, beschreibt er.

Aber das Grubenhaus ist längst nicht alles, was es in der Ausstellung Spannendes zu entdecken gibt. „So fand Gerhard Grupe 1950 – beim Pflügen mit einem Pferdegespann – einen kleinen Axthammer aus der Jungsteinzeit. Ebenfalls aus der Jungsteinzeit stammte eine Steinaxt, die der in Lockstedt beheimatete Harry Kessler 1964 am Secansgraben in Richtung Miesterhorst entdeckte.

Der Ortschronist bedankt sich beim Ortsrat für die Einladung und für das Interesse für die Arbeit des Vereins, in dem auch Hannelore Segeler, Doreen Peist, Birgit Pätz, Holger Klee und Egon Marquordt aktiv sind.

Er betont, dass der Verein bisher alle Kosten selbst getragen hat, aber auf eine finanzielle Unterstützung der Kommune hofft. „Die Bibliothekarin Annegret Schumann ist jeden Mittwoch von 13 bis 15 Uhr hier. Da kann jeder kommen und sich die Ausstellung ansehen. Vorn steht ein Sparschwein, wenn jemand unsere Arbeit mit einer kleinen Spende würdigen möchte“, erklärt Riedel und versichert, dass er auch zu Privatführungen in die Ausstellung kommen wird.