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Corona Die Börde ist lahmgelegt

Es herrscht Ruhe an vielen Orten in der Börde. Ab Montag sind Schulen und Kitas für viele tabu.

Von Gudrun Billowie 14.03.2020, 00:01

Haldensleben l Die Börde fährt herunter, der sogenannte „Shutdown“ ist da. Die Coronakrise wird das gesellschaftliche Leben im Landkreis in den kommenden Wochen verändern, soviel ist klar. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Bestätigt sind im Landkreis bislang drei Fälle. Bei zwei Menschen aus Klein Ammensleben und Barleben hatten die Behörden schon zu Beginn der Woche eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Am Donnerstag war ein dritter Fall bekannt geworden. Dabei handelt es sich nach Volksstimme-Informationen um einen Mann aus Haldensleben. Offiziell bestätigt hat der Landkreis das bislang aber nicht. Alle drei Fälle sollen einen leichten Krankheitsverlauf aufweisen.

Amtsärztin Eugenie Kontzog verwies bei einer gestrigen Beratung von Bürgermeistern und Landkreisverwaltung darauf, dass alle Corona-Betroffenen isoliert seien. Man stehe täglich in Kontakt zu ihnen. Auch deren Kontaktpersonen stünden unter häuslicher Quarantäne. Insgesamt seien es weniger als 20 Personen, berichtete Kontzog.

Die Verantwortlichen des Landkreises hatten bei der gestrigen Beratung klargemacht, dass sie die Schließung von Kitas und Schulen angesichts der Fallzahlen in der Börde nicht befürworten. Der Beschluss, es doch zu tun, kam vom Land. Allerdings mit Einschränkungen: Erzieher und Lehrer arbeiten weiter. Wer keine Chance hat, sein Kind unterzubringen, kann es in die Kita oder Schule bringen. Damit soll vor allem gewährleistet sein, dass es in wichtigen Bereichen wie Pflege und Polizei genug Arbeitskräfte gibt. Landrat Martin Stichnoth appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen, alles dafür zu tun, die Risiken durch Corona zu minimieren. Das gilt auch für Veranstaltungen. Bis 13. April sollen keine Veranstaltungen in geschlossenen Räumen stattfinden. Bei öffentlichen Veranstaltungsorten melden die Kommunen ans Gesundheitsamt, das bei Bedarf ein Verbot ausspricht.

Weitreichend sind die Folgen der Coronakrise aber nicht nur deswegen. Ein Überblick:

Alte Menschen sind eine besondere Risikogruppe. Im Mehrgenerationenhaus EHFA in Haldensleben hat das Auswirkungen. „Die Ängste bei den Senioren sind da“, sagt Sylke Kühling, Quartiersmanagerin des Hauses in der Gröperstraße. Viele Ältere blieben derzeit den dortigen Veranstaltungen fern. Im Haus werde dazu geraten, die Senioren nicht anzufassen. Kühling berichtet, sie führe derzeit viele Aufklärungsgespräche mit den Älteren. Dabei gehe es um Fragen wie: „Was passiert, wenn ich meine Medikamente nicht mehr bekomme? Wo bekomme ich meine Lebensmittel her?“

In den Alten- und Pflegeheimen sind Wochenenden beliebte Besuchszeiten. Der Betreiber des Pflegeheims St. Josefinum in Althaldensleben bittet in der aktuellen Phase der Corona-Ausbreitung allerdings um Rücksicht. „Jeder sollte sich gut überlegen, ob er seine Großeltern oder Eltern besucht oder vielleicht in der derzeitigen Lage lieber darauf verzichten sollte“, sagt Tobias Kahlert von der Caritas-Trägergesellschaft St. Mauritius (CTM).

Wie Kahlert erklärte, gibt es Stand gestern keinen Verdachtsfall in der Einrichtung – weder beim Personal noch bei den Bewohnern. Deshalb sei aktuell der Besucherverkehr noch nicht eingeschränkt worden. Dies könne sich aber täglich ändern. Die Entscheidung darüber obliege den jeweiligen Häusern. Wie Kahlert erläuterte, hat auch die CTM einen Krisenstab gebildet. „Wir schauen genau: Wie sind wir aufgestellt? Haben wir alles vor Ort? Werden die Sicherheitsempfehlungen des Robert-Koch-Instituts umgesetzt?“ In erster Linie gelte aber nach wie vor: „Desinfektion ist das A und O“, so Kahlert.

Auch am Ameos-Klinikum in Haldensleben hat das Thema Desinfektion gerade eine hohe Priorität. Bisher gab es dort nur einen Verdachtsfall auf Corona. Dieser habe sich aber nicht bestätigt, teilt Yvonne Eichelmann mit, die Sprecherin des Klinikums, mit. Spezielle Intensivplätze für Corona-Patienten könnten bei Bedarf eingerichtet werden, sagt sie. Wie viele Intensivbetten dort für schwere Corona-Fälle zur Verfügung stehen, teilte die Sprecherin nicht mit.

Auch in der Börde wird ab Montag nur noch hinten in den Bus eingestiegen. Das kündigte Börde-Bus gestern an. „Bitte nutzen Sie zum Ein- und Ausstieg die mittlere und hintere Tür“, heißt es in einer Mitteilung des Verkehrsunternehmens. Außerdem wird darum gebeten, die Sitzreihen neben und hinter dem Busfahrer nicht zu besetzen. Ähnliche Schritte zum Schutz der Busfahrer hatten zuvor schon andere Busunternehmen im Land angekündigt.

Fahrkarten können dadurch nicht mehr beim Fahrer gekauft werden. Börde-Bus verweist darauf, dass Tickets weiterhin in den Vorverkaufsstellen erhältlich seien. Allerdings werden auch Fahrgäste ohne Ticket mitgenommen. Auf der Webseite von Börde-Bus heißt es: „Fahrgäste, welche keine Möglichkeit haben, einen Fahrschein im Vorverkauf zu erwerben, werden vorläufig auch ohne Fahrschein befördert. Die Sicherheit unserer Fahrgäste und Mitarbeiter hat oberste Priorität.“

Panik unter den Busfahrern gibt es laut Börde-Bus-Geschäftsführerin Dorita Erdmann nicht. „Ich bin sehr froh, wie sachlich, entspannt und mit welcher Ruhe unsere Mitarbeiter aktuell mit dieser Situation umgehen“, sagt Erdmann. Aktuell beschäftige das Unternehmen 130 Fahrer.

„Die Unsicherheit unter den Mitgliedern ist zur Zeit sehr groß“, schätzt Kristina Oeltze ein, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Elbe-Börde. Dies habe die jüngste Vorstandssitzung deutlich gemacht, in der es auch um die Corona-Pandemie gegangen sei. Sie verweist darauf, dass allen Mitgliedsbetrieben die offiziellen Handreichungen der Industrie- und Handelskammer Magdeburg zum Umgang mit der Situation weitergeleitet worden sei, um alle auf einen Stand zu bringen. Dies betrifft nicht zuletzt die Gesellenprüfungen, die zum Teil schon begonnen haben und sich normalerweise noch bis Mai/Juni hinziehen. Stand gestern finden diese Prüfungen weiterhin statt. „Da müssen wir sehen, wie sich die Situation weiter entwickelt“, so Oeltze, die allen Mitgliedern empfiehlt, sich bei der Kreishandwerkerschaft über den aktuellen Stand zu informieren.

Besonders schwer haben es derzeit Reiseunternehmer. Beim Familienbetrieb Hampel aus Haldensleben trudeln dieser Tage massenhaft Stornierungen ein. Das Unternehmen mit 15 Beschäftigten bietet vor allem Busreisen an, etwa zu Musicals oder zum Nordkap. Die Coronakrise sei für sie „existenzbedrohend“, sagt Inhaber Dennis Hampel. Auf dem Fernseher in seinem Büro flimmert sonst ganztägig ein Nachrichtensender. Dieser Tage bleibt er aus. „Das ertrage ich nicht mehr“, sagt Hampel, und gibt sich sogleich optimistisch: „Wir werden auch diese Krise überstehen.“

Sein Sohn steht ihm in Sachen Optimismus in nichts nach: Pascal Hampel hält an seinen Plänen fest, am 2. April in der Hagenstraße sein eigenes Reisebüro zu eröffnen. Um zwei Wochen hatte er die Eröffnung kürzlich verschoben. Länger abwarten will er nicht. „Diese Zeit geht wieder vorbei“, sagt er. Dass in der Tourismusbranche auch die ganz großen Unternehmen pleitegehen können, hat der 24-Jährige kürzlich miterlebt. Bis zur Pleite im vergangenen Herbst war Hampel beim Reisekonzern Thomas Cook beschäftigt.

Die Sportwelt in der Börde steht vielerorts still. „Der organisierte Sport ist sehr stark eingeschränkt“, sagt Hartmut Baethge, der Geschäftsführer des Kreissportbundes. Der gesamte Spielbetrieb im Handball und Fußball ist vorerst für die kommenden beiden Wochen lahmgelegt. Auch alle Wettkämpfe in der Leichtathletik seien vorerst abgesagt, berichtet Baethge.

Eingestellt ist auch der Spielbetrieb der Basketball-Regionalliga Nord. Die SBB Baskets aus Wolmirstedt werden heute also nicht in der Halle der Freundschaft auflaufen. In der Niederen Börde fällt der Bundesligawettkampf im Gewichtheben aus. Der SSV Samswegen sollte heute gegen den TB 03 Roding antreten.

Nicht abgesagt ist hingegen das Schachturnier im Mehrgenerationenhaus EHFA in Haldensleben. Laut der Hausleitung werden aber nur etwa ein Dutzend Kinder und Jugendliche dort den Kreiseinzelpokal im Schach ausspielen.

Ganz geschlossen ist ab Montag das Haldensleber Rolli-Bad. Alle Kurse sowie das Schul- und Vereinsschwimmen fallen vorerst bis zum 27. März aus.