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Denkmalschutz Sanierung sorgt für Kontroverse

An der Art, wie die St.-Andreas-Kirche in Hundisburg saniert wird, wächst die Kritik. Architektin Sina Stiebler weist die Vorwürfe zurück.

Von André Ziegenmeyer 17.08.2017, 01:01

Hundisburg l In einem Leserbrief hatte Bauingenieur Engelbert Schmidt die bisherigen Arbeiten hinterfragt. Unter anderem ging es um die Umgestaltung des Giebels. Der ehemalige Krüppelwalm wurde entfernt. Schmidt wies darauf hin, dass dieser schon seit 1708 Teil des Gotteshauses gewesen sei. Sina Stiebler hält dagegen, dass Krüppelwalmdächer aus dem Bau von Wohnhäusern stammten. An Kirchen seien sie selten.

Darüber hinaus hätten sich durch die Last des Krüppelwalms Risse in der Ostwand der Kirche gebildet. Pfarrer Jens Schmiedchen ergänzt, dass sich in alten Chroniken immer wieder Hinweise auf Schäden fänden, die das Gewicht des Walms verursacht habe.

„Da wir Fördermittel so einsetzen, dass bekannte Schadensbilder nicht wieder auftreten, mussten wir den Walm wegnehmen“, so Stiebler. In diesem Zusammenhang seien auch zwei Fenster im oberen Bereich der Ostwand von Bedeutung. In Sachen Lastableitung seien sie Schwachpunkte. Trotzdem sollten sie erhalten bleiben. Deshalb habe der Krüppelwalm weichen müssen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die barocke Stuckdecke in der Kirche. Diese sollte gesichert werden, was aber nicht ganz gelang. Es bildeten sich Risse. Teile der Decke brachen aus. Engelbert Schmidt erinnerte daran, dass die Decke laut Stieblers ursprünglichen Plänen komplett hätte erneuert werden sollen. Dem stehe nach der „versehentlichen Beschädigung“ nichts mehr im Wege.

Hier widerspricht Sina Stiebler vehement. Es sei ihr denkmalpflegerisch untersagt worden, die Decke neu zu machen. Stattdessen sei diese „in situ“, also an Ort und Stelle, auszubessern - was geschehe.

Weil die Deckenbalken schadhaft seien, sei eine Konstruktion errichtet worden, an welche die Decke angehängt worden sei. „Durch Erschütterungen sind jedoch Teile abgegangen“, räumt die Architektin ein. Es handele sich um etwa 10 Prozent der Decke. Im Umkehrschluss seien 90 Prozent erhalten worden.

Grundsätzlich betont Sina Stiebler, dass es eine enge Abstimmung mit der Kirchengemeinde gebe. Jede Woche finde eine Bauberatung statt. Außerdem habe es vor Baubeginn eine Anlaufberatung mit der unteren Denkmalbehörde des Landkreises Börde gegeben. In Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie habe der Kreis die einzelnen Maßnahmen genehmigt sowie Auflagen erteilt, an welche sie gebunden sei.

Sie handele keineswegs eigenmächtig. Darüber hinaus biete die Sanierung eine Chance: „Seit der Errichtung der Kirche gab es bisher nur Reparaturen. Heute haben wir durch Fördermittel die Gelegenheit, es denkmal- und fachgerecht zu machen“, so Stiebler.

Doch auch mit dieser Darstellung sind nicht alle einverstanden. Unter anderem hat sich Ulrich Hauer zu Wort gemeldet. Er ist nicht nur der ehemalige Leiter des Haldensleber Museums. Seit Jahrzehnten engagiert er sich für den Erhalt des kulturellen Erbes im Landkreis. Dafür erhielt er 2016 das Bundesverdienstkreuz. Nicht zuletzt arbeitete Hauer sieben Jahre für die untere Denkmalbehörde und ist auch mit der St.-Andreas-Kirche als Bauwerk eng verbunden.

Zunächst widerspricht Hauer der Darstellung, dass es sich um die erste Sanierung handele. Nach einer Phase des Verfalls seien Dach und Decke bereits in den 80er Jahren gemacht worden. Zu den aktuellen Arbeiten erklärt Hauer: „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das genehmigt wird. Ich habe immer gehofft, dass der Denkmalschutz sagt: Das geht nicht.“

Darüber hinaus sei ein großer Teil der Arbeiten unnötig: „Eine reine Erneuerung der Dachhaut hätte deutlich billiger sein können.“ Vieles sei „aus Lust und Dollerei ohne Sachzwang geschehen“. Denn: „Die Bezahlung einer Architektin bemisst sich nach der Bausumme. Ich vermute, dass Frau Stiebler enorme Kosten verursacht, um entsprechend bezahlt zu werden.“

Als Beispiel nennt Ulrich Hauer die Deckenbalken. Deren Köpfe seien bereits in den 80er Jahren angefault gewesen. Deshalb wurden links und rechts Eisen anmontiert. Diese wiederum hätten in die alten Balkenlöcher gefasst. Doch im Zuge der Sanierung, wurden die Eisen entfernt und die Balken „angeschuht“, also durch weitere Balkenstücke verlängert.

Es sei vorprogrammiert gewesen, dass dabei Erschütterungen entstehen, welche die Decke schädigen. „Da hat der Denkmalschutz nicht ordentlich gearbeitet“, so Hauer. Wenn man die barocke Stuckdecke hätte erhalten wollen, hätte man auch die Deckenbalken nicht anfassen dürfen.

An der Umgestaltung des Giebels übt Ulrich Hauer besonders deutliche Kritik. Zum einen sei es falsch, dass es kaum Kirchen mit abgewalmten Dächern gebe. Gerade in der Region seien mehrere Beispiele vorhanden. Doch selbst wenn Sina Stiebler Recht hätte: „Dann wäre der Krüppelwalm ein Alleinstellungsmerkmal gewesen und hätte erst recht erhalten werden müssen.“

Auch hinsichtlich der Lastverteilung kommt Hauer zu einem anderen Urteil: Nach dem Rückbau des Walms wurde die Giebelwand höher gezogen. „Dadurch hat sich die Last um mehrere Tonnen erhöht. Soviel wie jetzt hat die Ostwand noch nie tragen müssen“, sagt Hauer.

Nicht zuletzt hat die Volksstimme mit Thorsten Neitzel von der unteren Denkmalbehörde gesprochen. Dieser teilte mit, dass er mit der Umgestaltung des Giebels ebenfalls nicht zufrieden sei. Der Landkreis habe bereits seinen Unmut geäußert.

„Es wurde uns gegenüber so dargestellt, als handele sich bei dem Krüppelwalm um eine Umgestaltung aus DDR-Zeiten“, erklärt Neitzel. Später habe sich herausgestellt, dass der Giebel seit mindestens 200 Jahren in dieser Form bestanden habe. „Die Rissbildung hätte man auch anders in den Griff bekommen können“, so Neitzel.

Vor rund vier Jahren sei die Genehmigung für die Sanierung beantragt worden. Auf Grundlage einer Grobplanung habe man sie auch erteilt. Sonst hätte es keine Aussicht auf Fördermittel gegeben.

Tobias Breer, der zuständige Gebietsreferent des Landesamtes für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt bestätigt Neitzels Ausführungen. Es sei in Sachsen-Anhalt oft so, dass die Genehmigung aufgrund einer Grobplanung erfolge. Geld für weitergehende Untersuchungen stehe häufig erst nach Bewilligung von Fördermitteln zur Verfügung. In anderen Bundesländern werde das anders gehandhabt.

„Es ist üblich, sich nach den einzelnen Bauabschnitten wieder zusammensetzen. Im Zuge des Fortschritts der Arbeiten und durch die Hinzuziehung von Fachleuten hätten weitere Abstimmungen erfolgen müssen“, so Neitzel. Tatsächlich erhalte der Landkreis wöchentlich ein Protokoll, an dem sich der Baufortschritt erkennen lasse. „Aber man hat sich auf den Standpunkt gestellt: Es ist einmal genehmigt worden, jetzt machen wird das auch so.“

Tobias Breer betont, dass es sich bei der Umgestaltung des Giebels nicht um die Rückführung auf einen belegbaren historischen Zustand handelt. Vielmehr sei es eine Veränderung aus konstruktiven Gründen, zu der es durchaus Alternativen gegeben hätte. Laut Thorsten Neitzel wäre es besser gewesen, den Walm zu erhalten. Aber einen Baustopp habe die untere Denkmalbehörde deshalb nicht verhängen wollen. Damit bestrafe man vor allem die Kirchengemeinde, die nichts dafür könne.

Die Arbeiten an den Deckenbalken habe die untere Denkmalbehörde hinterfragt. Ein Gutachten habe aber ergeben, dass die Befestigungen der Eisen auszureißen drohten. Aus Sicherheitsgründen habe der Landkreis deshalb die Genehmigung erteilt. Tobias Breer ergänzt, dass die Stuckdecke massiv vorgeschädigt gewesen sei. Die Arbeiten an den Balken seien fachgerecht ausgeführt worden.

Zusätzlich hätte man die Decke von unten abstützen oder sichern können. Breer räumt jedoch ein, dass es sich dabei um ein sehr aufwändiges Verfahren handele.