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Digitaler Ausschuss "Hallo, hört mich jemand?"

Erstmals wurden im Landkreis Börde politische Entscheidungen auf digitalem Wege getroffen. Die Premiere holperte, lief aber gut.

Von Juliane Just 29.01.2021, 00:01

Haldensleben l Es wird geblättert, jemand atmet geräuschvoll aus, irgendwo rauscht es im Hintergrund – als der erste digitale Kreisauschuss am Mittwoch beginnt, ist die Geräuschkulisse fast wie beim Gremium vor Ort, nur lauter. „Hallo, hört mich jemand?“, ist aus dem Nichts zu hören. Der Landkreis hat die Mitglieder des Kreisausschusses erstmals zu einer digitalen Sitzung geladen und damit einen freiwilligen Probelauf gestartet.

Dabei galt es, politische Abläufe und digitale Ressourcen zu verknüpfen. Statt die Anwesenheit durch Präsenz im Raum zu bestätigen, musste durchgezählt werden. „Guido Henke?“ „Anwesend.“ „Guido Heuer?“ „Ja!“ „Benjamin Kanngießer?“ „Ja.“ Insgesamt 15 Ausschussmitglieder bestätigten ihre Anwesenheit.

Den Vorstoß zur digitalen Sitzung machte Landrat Martin Stichnoth (CDU). „In Anbetracht der gegenwärtigen Situation halte ich es für notwendig, die Sitzung digital durchzuführen“, so der Landrat. Der Pandemieplan des Hauses besage, dass sich so wenig Mitarbeiter und Bürger im Landratsamt aufhalten sollen wie möglich.

Kurzzeitig online vermisst wurde Thomas Schmette (CDU). „Wo ist er denn hin?“, fragt jemand in die Runde. „Gerade war er noch da“, lautet die Antwort. Irgendwann taucht der Gesuchte wieder auf. Es habe technische Probleme gegeben. Der ehemalige Landrat Hans Walker (CDU) fehlt anfangs gänzlich in der digitalen Runde und sendet einen Hilferuf via Smartphone. Im Hintergrund arbeiten in der Verwaltung mehrere Personen an dem reibungslosen, digitalen Ablauf und schalten ihn schließlich noch hinzu.

Im Vorfeld der Sitzung waren laut Kreisverwaltung zeitintensive Vorbereitungen notwendig. Dabei ging es unter anderem um rechtliche Normen und die technischen Voraussetzungen der Ausschussmitglieder. Doch die Hoffnung ist: Bei künftigen digitalen Gremien kann man auf die Vorbereitungen und Erfahrungen der Premiere zurückgreifen.

Dabei waren die Ausschussmitglieder bei ihrer Premiere nicht unter sich, sondern die Öffentlichkeit durfte live an der Sitzung teilnehmen. Über die Videoplattform Youtube konnten sich Bürger und Interessierte ins Gespräch einwählen, blieben aber im Verlauf der Sitzung stumme Beobachter – wie auch bei den bisherigen Sitzungen vor Ort.

Dabei brauchte man jedoch gute Kenntnis der Auschussmitglieder. Ist das Video des Teilnehmenden ausgestellt, erscheinen nur seine Initialien. Ist das Video an, braucht es je nach Auflösung und Videoeinstellung viel Fantasie. Auf einem Bildschirm sah man nur ein bärtiges Kinn und einen Schal. Es stellte sich heraus, dass beide zu Klaus Mewes (UWG) gehören. Ein anderes Bild zeigte lediglich eine Deckenleuchte – Autor unbekannt.

Trotzdem sieht die Kreisverwaltung die Sitzung mit einer kurzen Tagesordnung von sieben Punkten als „gelungen“ an, wie Pressesprecher Uwe Baumgart auf Nachfrage mitteilt. Verhaltensregeln, die digital zu beachten sind, werden sich mit der Zeit einspielen. So haben die Mitglieder, die nicht selbst sprechen, ihre Mikrofone ausgeschaltet, um Probleme bei der Tonübertragung zu vermeiden.

Mit der digitalen Sitzung änderte sich auch etwas im üblichen Ablauf der Abstimmung. Normalerweise signalisieren die Ausschussmitglieder ihre Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zu einem Antrag oder einer Beschlussvorlage per Handzeichen. Digital ersetzt das akustische Signal das Handheben. Aber: Vor jeder Abstimmung müssen nochmals alle Mitglieder ihre digitale Anwesenheit bestätigen. Das verlängert den Prozess im Vergleich zur bisherigen Sitzung vor Ort.

Kritisiert wurde die digitale Sitzung von Steffen Schroeder (AfD). Er merkte an, dass politische Gremien nach rechtlichen Vorgaben durchgeführt werden können und fragte, warum der Landkreis davon abweicht. „Ich möchte alles dafür tun, auf persönliche Treffen zu verzichten“, sagte Martin Stichnoth. Er verwies auf die mitunter prekäre Corona-Lage in anderen Landkreisen und betonte: „Ich möchte nicht da landen.“