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Flüchtlinge Integration ist noch keine Erfolgsstory

Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt war jetzt Thema in Haldensleben. Arbeitsagentur und IFA berichteten über ihre Erfahrungen.

Von Marita Bullmann 08.05.2016, 01:01

Haldensleben l Warum kann die Beschäftigung geflüchteter Menschen ein Gewinn sein? Mit dieser Frage eröffnete Steffen Kellner, Teamleiter im Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Magdeburg und des Jobcenters Börde, seine Ausführungen. Weil geflüchtete Menschen überwiegend hochmotiviert sind, erklärte er. Denn sie möchten sich etwas aufbauen, haben zum großen Teil auch eine Familie zu versorgen und bringen auch teilweise berufliche Erfahrungen mit.

Kellner machte auch die großen Herausforderungen deutlich, vor denen die deutsche Gesellschaft bei der Integration geflüchteter Menschen in Unternehmen steht. Ganz oben steht die Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache. Weiter geht es um die Feststellung und den Erwerb beruflicher Kompetenzen und die Etablierung einer Willkommenskultur. Kellner erläuterte den Rotariern grundsätzliche Probleme wie die Unterscheidung der Migranten nach dem Aufenthaltsgesetz, wer darf ab wann arbeiten, welche Unterstützung gibt es für Unternehmer, die einen Geflüchteten einstellen möchten. Dabei machte er deutlich, dass es kein Sonderprogramm zur Förderung von Geflüchteten gibt. Für sie gelten alle Möglichkeiten, die auch für deutsche Arbeitnehmer genutzt werden können, erläuterte er den Mitgliedern des Rotary Clubs Haldensleben im Hotel Behrens.

Die Arbeitsagentur hat sich auch personell auf die Anforderungen eingestellt, die mit den Migranten auf sie zukommen, sagte Kellner. Es gibt einen Kreis Asylbewerber und Geduldete und ein Team Asylberechtigte. Dazu gehören auch Mitarbeiter mit den entsprechenden Sprachkenntnissen.

Die Geflüchteten können momentan bestimmte Engpässe nicht lösen, stellte er fest. Aber es gäbe eine enorme Chance auf Fachkräfte von morgen oder übermorgen. Die Menschen sind relativ jung, in Deutschland ist die Zahl der Schulabgänger zurückgegangen, es gibt weniger Bewerber für Ausbildung.

Thoralf Langwich, Bereichsleiter Personal bei der IFA Rotorion Holding GmbH, stimmte dem aus den Erfahrungen seines Unternehmens zu, erklärte aber: „Es ist noch keine Erfolgsstory.“ Bis dahin sei noch ein weiter Weg. Doch „es lohnt sich, etwas zu tun, aber es kostet viel Kapazität.“ IFA hatte im Zeitraum September/November des vergangenen Jahres ein Projekt gestartet, um Flüchtlinge in das Unternehmen zu integrieren. Drei Tage Praktikum, zwei Tage Berufsschule. „Wir hatten uns entschlossen, sechs, sieben Migranten zu nehmen, ohne über die rechtlichen Rahmenbedingungen richtig Bescheid zu wissen“, erzählt Langwich. „Wir wollten einfach etwas tun, wollten anfangen.“

Innerhalb von 14 Tagen wurde damit begonnen. „Das ist eine völlig andere Art der Ausbildung“, resümierte der Bereichsleiter. Angefangen bei Einweisung und Sicherheitsbelehrung. Nicht zu unterschätzen die vielen Formulare, die Kleinteiligkeit. „Wir haben uns einen zusätzlichen Ausbilder für die Migranten geleistet“, so Langwich, der konnte jedoch aus dem eigenen Unternehmen rekrutiert werden. Aber auch Dolmetscher und Sozialpädagogen würden gebraucht. Und das Unternehmen setzt auch auf das Patenkonzept, auf das Steffen Kellner zuvor verwiesen hatte. Ein deutscher Auszubildender steht einem Mi- granten als Pate zur Seite.

IFA hat auf „so viel wie möglich Unterstützung am Anfang“ orientiert. Wenn dann eine dreieinhalbjährige oder zweieinhalbjährige Ausbildung möglich wird, sei viel erreicht.

„Wir sind mit sechs gestartet, jetzt sind noch drei dabei, zwei Syrer und ein Malinese“, wertet Langwich erste Erfahrungen aus. Aber auch bei einheimischen Azubis bleiben nicht alle. Für den Abbruch gibt es wohl unterschiedliche Gründe. Die Pünktlichkeit, so versichert er, sei jedoch kein Problem. Das Umfeld spiele sicher eine Rolle. Einige kommen nach Deutschland und wollen einfach nur arbeiten. Dann setzt der Ernüchterungsprozess ein. Das deutsche System lasse „experimentelles Arbeiten“ nicht zu.

Das Projekt wurde sehr schnell auf die Beine gestellt, da sei drei von sechs eine gute Quote, bestätigte auch Steffen Kellner. Die Arbeitsagentur beginne in der Schule bereits in der siebenten Klasse mit der Berufsorientierung, und dennoch gäbe es sehr viele Probleme mit der Berufswahl und auch Abbrecher. Kellner erklärte auch, dass nicht in allen Bereichen eine neue Ausbildung nötig sei. Da müssten bei den Migranten Vorkenntnisse und Talent ermittelt werden. Man könne auch andere Wege gehen, um Kompetenzen rauszufiltern. „Die meisten Berufe sind nicht reglementiert.“ Die duale Ausbildung sei etwas sehr Deutsches. Der Einsatz scheitert meist an mangelnden Deutschkenntnissen.

Der Weg, den IFA eingeschlagen hat, wird im Unternehmen positiv gesehen, „ab August wollen wir aufstocken“, sagt Langwich. Die Sprache spielt eine besonders große Rolle, das Problem werde auch nicht mit zwei Tagen Berufsschule geheilt. Integration muss auch vor den Werks- toren stattfinden. „Man muss viel Geduld haben, Nachfragen zulassen.“ IFA hat 1600 Mitarbeiter, etwa 70 Lehrlinge, da sei das Potenzial für diese spezielle Ausbildung da. Langwich machte aber auch deutlich, dass man sich immer nur auf einen kleinen Personenkreis konzentrieren könne. „20 kann man nicht stemmen. Lieber wenige gezielt und positiv ausbilden als Frust zu schüren.“

Auf eins machte der Bereichsleiter noch aufmerksam, man müsse die Belegschaft dabei mitnehmen. Das Unternehmen muss eine klare Position haben, doch in jedem Unternehmen sei auch der Querschnitt der deutschen Gesellschaft vertreten. Es dürfe kein Spannungsfeld entstehen.

Für kleinere Unternehmen sei es fast nicht möglich, solche Belastungen personell und finanziell zu stemmen, wurde in der Runde deutlich. „Es müsste eine Zentrale geben“, stellte Dietlind Kinnemann fest. Für ihr Unternehmen mit 15 Beschäftigten könne sie sich diesen großen Aufwand nicht vorstellen, obwohl sie es gern angehen würde. Ein Problem seien die Deutschkenntnisse, sonst käme nicht mal eine Belehrung für die Berufsgenossenschaft zustande. Sie sieht in der Integration auch eine gute Möglichkeit, die eigene Region zu stärken.

Man müsse die Ausbildung wohl künftig auch in einem anderen Kontext sehen, meinte Langwich. Die Arbeitsagentur könne nur bedingt helfen. „Warum soll man nicht sagen, wir bilden für dich aus“, entwickelte er eine Idee. Möglich sei beispielsweise eine metallische Grundausbildung über vier bis sechs Wochen für Partnerunternehmen. So könne man es kleinen Unternehmen für einen Obolus erleichtern. Die Idee eines Ausbildungsverbundes wurde mit Interesse aufgenommen.