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Forstbetrieb Kranker Wald ist ein Teufelskreis

Die Schädigungen zwingen Forstfachleute in Flechtingen zu drastischen Maßnahmen. Ihr Wald stirbt - großflächig und unaufhaltsam.

Von Carina Bosse 23.02.2020, 05:00

Flechtingen l Die Waldbesitzer plagen große Sorgen. Ihr Wald stirbt - großflächig und unaufhaltsam. Schuld sind die Borkenkäfer, aber auch die trockenen heißen Sommer der vergangenen beiden Jahre und jüngst auch die zahlreichen Stürme, die den ohnehin schon angegriffenen Wäldern den Rest geben.

Mit Sorge blickt Forstamtsleiter Thomas Roßbach vom Betreuungsforstamt Flechtingen auf die Entwicklung: „Wir wollen pflegen, schützen und erhalten. Im Moment können wir nur noch reagieren statt zu agieren.“ Nachhaltig sei etwas anderes, aber genau diese Nachhaltigkeit ist das Anliegen der Forstleute.

Obwohl im Deutschlandvergleich noch gut weggekommen, haben die letzten beiden Stürme Sabine und Viktoria rund 5000 Festmeter des Forstamtsbereiches betroffen. Einschlagflächen, und davon gibt es im Bereich gerade sehr viele, sorgen für zusätzliche Angriffsflächen bei Stürmen. Revierförster Axel Rose zeigt auf einen Waldrand zwischen Bodendorf und Ivenrode. Dort wurde gerade auf Veranlassung der sechs Waldbesitzer eine mehrere Hektar große Fläche mit schädlingsbefallenen Fichten dem Erdboden gleichgemacht. Fehlen diese Bäume, finden die Stürme andere Bäume, die sie umknicken.

Klar, würden diese Flächen wieder aufgeforstet, dazu seien die Waldbesitzer von Gesetzes wegen verpflichtet, doch das geht nicht von heute auf morgen. Auch wenn Revierförster wie Axel Rose den Besitzern zur Seite stehen und helfen, braucht es Zeit. Zumal inzwischen die notwendige schwere Technik wie Harvester, Rücker und Mulcher sowie Jungpflanzen für neue Schonungen kaum noch kurzfristig gebunden werden können. Außerdem gibt es bereits Lieferengpässe durch die Baumschulen, die den riesigen Bedarf einfach nicht mehr decken können. Natürliche Verjüngungsflächen gebe es nur punktuell, weiß Thomas Roßbach.

Dass die technischen Riesen im Wald Schaden anrichten, rief jüngst einen Weferlinger Bürger auf den Plan, der sich in der Redaktion meldete und kritisierte, dass im Naturschutzgebiet bei der Barriere Rehm alles kaputtfahren würden. Alte Buchen würden dem Harvester zum Opfer fallen, kritisierte der Leser. Dabei weiß er, dass die Buchenbestände, gerade in den kalksandsteinhaltigen Böden in den vergangenen Jahren von der Dürre betroffen sind. Die durchlässigen Böden im Hagholz und am Rehm können Wasser nicht speichern und entziehen so den Bäumen ihre Nährstoffe.

Gearbeitet werde personell am Limit, an vielen Stellen in den Wäldern, sagt Forstamtsleiter Thomas Roßbach, teilweise bis in die Abendstunden hinein. Die Forstunternehmen hätten alle Hände voll zu tun, um alle Aufträge abzuarbeiten. Allein im Revier von Axel Rose seien derzeit 17 Flächen in der Bearbeitung, schätzt der Förster. Das beträfe die Beseitigung des geschädigten Holzes ebenso wie die Flächenberäumung und die Wiederaufforstung.

Wenn der Harvester zu Gange sei, dann nicht ohne Grund, betont Thomas Roßbach. „Es ist verheerend, was gegenwärtig im Wald passiert.“ Doch: Von Schädlingen befallene Bäume müssen schnellstmöglich aus dem Wald heraus, um nicht noch größere Schäden anzurichten. Der Schädling mache vor einen Naturschutzgebiet natürlich nicht halt.

Ist eine Fläche abgeholzt, tun sich an den Rändern zu den nächsten Waldbesitzerflächen schon wieder neue kranke Bäume auf. Auch Windbruch trifft die so geschlagenen Schneisen wieder viel häufiger. Ein Teufelskreis. Jede Maßnahme erfordert großen Aufwand, wissen die Forstfachleute aus Erfahrung. Fördermittel zu beantragen gehöre ebenso dazu wie Kostenvoranschläge einzuholen und Ausschreibungen vorzubereiten. Bis die durch schwere Technik kaputt gefahrenen Waldwege wieder begradigt werden können, vergeht nochmal eine Zeit.

Noch ein weiteres Problem tritt dabei zutage: Die Nachfrage regelt den Preis - auch beim Holz. Der notwendige Einschlag in Größenordnungen drückt nicht nur den Preis, das geschädigte Holz kann nicht auf den Wertholzmarkt. Landet es im Zellstoffwerk, bringt es natürlich nicht den Preis, den es in der wertsteigernderen Furnierindustrie erzielen würde.

Hoffnungen setzten die Forstfachleute auf die Neupflanzungen. „Wichtig ist eine Baumvielfalt“, sagt der Forstamtsleiter. Mindestens drei bis vier verschiedene Baumarten würden angestrebt. Solch eine jüngst fertiggestellt Aufforstungsfläche kann Axel Rose zwischen Hörsingen und Erxleben präsentieren. Eichen, Buchen, Hainbuchen und Lärchen wurden auf einer Waldfläche frisch gepflanzt. 15.000 Jungpflanzen stehen, vor Wild geschützt durch einen Zaun auf zirka einem Hektar. Bis zu 85 Prozent kann solche Maßnahme vom Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten gefördert werden.

Den Schädlingsbefall hat das Abholzen nicht vollständig beseitigt. Der Revierförster zeigt auf die Bäume des benachbarten Waldbesitzers. Teilweise sind die braun, zwischen noch grünen Nadelgehölzen. Hier stehen die nächsten Gespräche mit den betroffenen Waldbesitzern an.