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Gemeinschaft Geschichtsinteressierte entrümpeln Schloss

Nach Jahren öffnet sich die Tür vom Erxleber Schloss II wieder. Helfer hatten das Gemäuer für den Tag des offenen Denkmals vorbereitet.

Von Anett Roisch 11.07.2016, 17:31

Erxleben l Die Mission ist klar, das sanierungsbedürftige im 16. Jahrhundert entstandene Schloss II zu entrümpeln und kräftig den Staub der Jahre des Leerstands zu wischen. Doch bevor viele den Besen schwingen, siegt erst mal die Neugier. Seit 1983 war die Tür verschlossen. „Die Schule ist 1984 in den Neubau gezogen, dann waren noch ein paar Wohnungen im Schloss, aber auch die Bewohner sind dann ausgezogen. Seitdem passierte nichts“, erzählte der 88-jährige Heinz Rosenberg. Er ist in Erxleben groß geworden. „Mein Vater hat in der Gärtnerei gearbeitet. Ich war als Tischler tätig und kam in beide Schlösser rein“, schildert Rosenberg und führt durch das Schloss und dann die Wendeltreppe hinauf. An einer Wandverkleidung bleibt er stehen und verrät: „Hier habe ich im September 1957 das Silber der Familie von Alvensleben gefunden. Die Erxleber Adelsfamilie soll ihren Familienschatz im Wald vergraben haben, aber der Bruder von Herrn von Alvensleben, der aus Schlesien geflüchtet war, hat sein Silber mit nach Erxleben gebracht und hinter der Täfelung versteckt. Hinter der Verkleidung waren drei Regale voller Tafelsilber und andere Utensilien. Damals war die Polizei hier. Das Tafelsilber wurde auf einen Lieferwagen geladen. Und dann war es weg. Wo es geblieben ist, weiß keiner.“

Rosenberg hat sich all die vergangenen Jahre im Besonderen um den benachbarten Hausmannsturm gekümmert. „1990 als der Turm saniert wurde, habe ich drei Gewehre und eine Pistole gefunden. Die Fundstücke stammen von einem Onkel der Familie von Alvensleben, der die Waffen dort versteckt hatte“, beschreibt Rosenberg und ergänzt: „Der heutige Start des Aufräumens ist ein kleiner Fortschritt, aber es hätte schon viel früher passieren müssen.“ Das Dach des Schlosses ist noch heile. Deshalb sind die Räumlichkeiten noch gut erhalten. „Mein Traum wäre es, dass hier wieder Leben einzieht, aber ob ich das noch erlebe“, zweifelt Rosenberg, der noch nicht so richtig an die Verwirklichung seiner Fantasien glauben kann.

Ähnlich sei es – nach seinen Ausführungen – in der Schlosskirche mit der Orgel, die zwar schon Stück für Stück saniert wird, aber erst 2019 fertig werden soll. „Meine Mutter ist ja 93 geworden. Vielleicht schaffe ich das auch“, sagte er schmunzelnd.

Die Wiedernutzung des Schlosses sei – nach Ansicht von Rosenberg – kompliziert und finanziell fast unmöglich. Einige Millionen Euro wären nötig. „Im Schloss I war ja schon eine Dampfheizung, aber hier musste damals der Hausmeister der Schule 18 Kachelöfen heizen“, weiß der Erxleber. Die Familie von Alvensleben lebte damals mit fünf Personen im Schloss. Zwei Diener und fünf Hausmädchen sorgten für Ordnung und für den damaligen „Luxus“.

Die Hoffnung, einen weiteren Schatz im Schloss zu finden und damit die Restauration zu finanzieren, ist gering. „Statt Silber würden wir lieber Gold finden. Das steht höher im Kurs“, sagen die Helfer feixend.

Zur tatkräftigen Arbeitstruppe gehört auch Philipp von Alvensleben. „Meine Vorfahren waren im Schloss zu Hause. Mein Vater Joachim von Alvensleben ist der jüngste aus der letzten Generation von Alvensleben“, erklärt Philipp von Alvensleben, der seit 15 Jahren wieder in Erxleben – nämlich im Forsthaus an der einstigen Ziegelei – lebt. „Wir versuchen natürlich, dass das Schloss erhalten bleibt, es ist ein Teil der Kultur von Erxleben“, so von Alvensleben, der auch Mitglied der Interessengemeinschaft (IG) ist. Er betont, dass er nicht in der Vergangenheit lebt, sondern in der heutigen Zeit nach vorn schaut. Seine Frau Zazie von Davier ergänzt: „Das Schloss ist für den Ort prägend. Es ist zwar auch eine Last für die Gemeinde, aber ich fände es schön, wenn es erhalten wird und für den ganzen Ort von Nutzen wäre.“

Ebenfalls Mitglied in der IG ist Mathias Weiß, der bei der Aktion nicht als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flechtingen dabei ist, sondern in kurzen Hosen und mit Besen ausgerüstet als Privatperson mit anpackt. „Unser Ziel ist es, einen Förderverein zu gründen. Wir suchen noch Personen, die im Vorstand mitwirken. Wer sich mit dem Schloss verbunden fühlt, ist willkommen“, sagt Weiß und zeigt auf eine Kiste. Wer eine kreative Idee zur Nutzung hat, kann sie aufschreiben und den Zettel in die Kiste tun. „Wir hoffen, dass die Menschen der Region, die bis 1984 hier noch zur Schule gegangen sind und auch gute Erinnerungen an die Schulzeit haben, Interesse zeigen“, sagt Weiß.

Den Besen schwingt auch Anja Kummer. „Meine Oma, Elfriede Jäger, war Dienstmädchen bei der Familie von Alvensleben. Sie hat mir immer viel von früher erzählt“, sagt Anja Kummer und führt an diesem Tag immer wieder neugierige Gäste in den roten Salon, der später als Lehrerzimmer diente. In der oberen Etage öffnet sie die Tür eines großen getäfelten Saals, in dem sich ein großer Kamin befindet. „Ich kann mir gut vorstellen, wo die Gesellschaft nach der Jagd mit Freunden aß und wo die Hunde nach der Jagd vor dem Feuer gelegen haben“, so Anja Kummer. „1943 hat Gisella von Alvensleben Werner von Reden geheiratet und im Schloss noch Hochzeit gefeiert“, erinnert sich Heinz Rosenberg.

Erxlebens Bürgermeister Gerhard Jacobs zieht Bilanz: „Es hätten heute einige Helfer mehr sein können, aber wenn die Leute sehen, dass hier was passiert, werden wir bei der nächsten Aktion mehr sein“, blickt der Gemeindechef zuversichtlich in die Zukunft.

Die erste große Veranstaltung ist der Tag des offenen Denkmals am 11. September. Dann kann neben der Schlosskirche auch das Schloss II besichtigt werden. „Für das kommende Jahr sind erste konkrete Projekte geplant, insbesondere auch im Rahmen der Leader-Strategie der Lokalen Aktionsgruppe „Flechtinger Höhenzug“ zur Entwicklung des ländlichen Raums.