1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Haldensleben
  6. >
  7. Diskussion über Ameos-Pläne

Gesundheit Diskussion über Ameos-Pläne

Welche Pläne hat der Gesundheitsdienstleister Ameos für die Zukunft? In Haldensleben gab es eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema.

Von Jens Kusian 09.03.2016, 00:01

Haldensleben l Die jüngsten Entwicklungen im Ameos Klinikum Haldensleben kratzen weiter am Image des Schweizer Gesundheitsdienstleisters. Die Einführung von Öffnungszeiten für den Kreißsaal ist nur die Spitze des Eisbergs. In diesem Zusammenhang machen Gerüchte über eine Schließung der Geburtenstation und der Gynäkologie die Runde. Die Quasi-Auflösung der Kinder- und Jugendstation sowie die Ausgliederung von einzelnen Bereichen wie Technik und Labor sorgen zudem für Unmut bei Eltern und bei den Klinik-Mitarbeitern. Letztere beklagen vor allem Mehrarbeit und Einkommensverluste, nachdem Ameos das Krankenhaus Anfang November 2013 von Sana übernommen hatte.

Es sei im Interesse der Stadt Haldensleben, dass die Kinder- und Jugendstation erhalten bleibt, eröffnet Bürgermeisterin Regina Blenkle (FUWG) die Podiumsdiskussion um die Zukunft des Ameos Klinikums am Montagabend in der Kulturfabrik. „Ich sehe es zu kurz gesprungen, wenn Ameos meint, sich auf die Geriatrie (Altenmedizin bzw. -heilkunde – Anm.d.Red.) spezialisieren zu müssen“, meint sie. Dass zudem auch die Gynäkologie und die Entbindungsstation von Umstrukturierungen betroffen seien, mag sie nicht hinnehmen.

Von einer Spezialisierung auf Geriatrie könne keine Rede sein, sagt dazu Patrick Hillbrenner, der Generalbevollmächtigte Ameos Ost, und versichert: „Es ist nicht geplant, die Gynäkologie und die Geburtenstation in Haldensleben zu schließen! Auch nicht die Kinderstation!“ Doch es müssten die Ressourcen dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage angepasst werden, erklärt er und nennt als Beispiel den Bereich der Kinder- und Jugendmedizin. Etwa 1000 Krankheitsfälle seien hier 2015 behandelt worden, im Durchschnitt seien das weniger als drei Patienten gleichzeitig. „Wegen der Fallpauschalsystematik sind wir genötigt, keine Ressourcen ungenutzt vorzuhalten“, so der Ameos-Geschäftsführer. „Wir können nicht dauerhaft Geld daher legen, sondern müssen kostendeckend arbeiten. Und das ist in Haldensleben derzeit nicht der Fall“, unterstreicht Hillbrenner.

Sicher müsse der wirtschaftliche Faktor beachtet werden, meint FDP-Landtagskandidat Ralf Neuzerling. Dennoch sollte für die medizinische Daseinsvorsorge dasselbe gelten wie für Schulen: Kurze Beine – kurze Wege. „Auch die Kassenärztliche Vereinigung hat bestätigt, dass die Kinderabteilung bei Ameos bestehen bleiben soll.“ Doch seit dem 1. März gibt es dort nur noch einen einzigen Kinderarzt. „Es wird nur noch der Anschein erweckt, dass sich um die Kinder gekümmert wird“, meint Neuzerling.

SPD-Landtagskandidatin Angela Leuschner vermutet dahinter Kalkül. „Sie sagen, dass das Angebot der Nachfrage angepasst wird. Doch wird hier nicht eher das Angebot künstlich eingeschränkt, damit auch die Nachfrage geringer ausfällt?“, bezieht sie sich unter anderem auf den Kreißsaal, in dem aktuell nur Entbindungen in der Zeit von 7 bis 16 Uhr möglich sind.

Patrick Hillbrenner erklärt, dass der Kreißsaal derzeit nur eingeschränkt betrieben wird, weil es an Personal mangele. Das sei ein generelles Problem, ergänzt der Ärztliche Direktor des Klinikums, Dr. Wieland K. Schulze. „Es gibt immer weniger ärztliches Personal, und in einer ländlichen Gegend wie Haldensleben gestaltet sich eine entsprechende Stellenbesetzung noch schwieriger.“ Deshalb arbeite Ameos sogar mit Headhuntern, um das Problem zu lösen. „Ich verstehe ja die Emotionen und Bedürfnisse. Aber mit dem derzeitigen Personalbestand kann ich nicht anders arbeiten“, resümiert Dr. Schulze.

Eine Aussage, mit der sich der CDU-Landtagsabgeordnete Ralf Geisthardt nicht zufrieden gibt: „Andere Unternehmen im Landkreis bezahlen anständig und haben keine Probleme mit Fachpersonal.“ Er hatte im Vorfeld der Veranstaltung Ameos unter anderem nach den Unterschieden bei der Bezahlung im Vergleich zum Vorgänger-Klinikbetreiber Sana gefragt. „Dazu bekam ich keine konkrete Antwort“, ärgert er sich und beruft sich auf die Gewerkschaft Verdi, die von bis zu 400 Euro Unterschied spreche. „Dann muss man eben an anderer Stelle zurückstecken“, fordert Geisthardt.

Ebenso wenig Verständnis zeigt er dafür, dass Ameos Ärzte aus dem Fachkrankenhaus für Psychiatrie in das Somatik-Klinikum auf der gegenüberliegenden Straßenseite umgesetzt habe, um dort dem Ärztemangel entgegenzuwirken. „Wollen Sie sich von einem Psychiater operieren lassen, nur weil der mal irgendwie Medizin mitstudiert hat?“, fragt er provokant.

Der Trägerwechsel von Sana zu Ameos sei ein Betriebsübergang gewesen, führt Patrick Hillbrenner aus. Dabei würden die Tarifregelungen des übernehmenden Krankenhauses gelten, und das seien die des Fachkrankenhauses für Psychiatrie gewesen. Aufgrund dessen seien die Gehälter angepasst worden, so Hillbrenner weiter. Mit der Folge, dass Ärzte besser, das Pflegepersonal schlechter bezahlt wurden – laut Hillbrenner individuell je nach Qualifikation. Dies sei ein Automatismus, sagt er, und darüber sei man sich auch mit der Gewerkschaft Verdi einig gewesen.

Eine Behauptung, die Gewerkschaftssekretär Thomas Mühlenberg so nicht stehen lässt. „Es gab dazu keine Einigung, ganz im Gegenteil. Es wurden und werden dazu teilweise noch gerichtliche Auseinandersetzungen geführt. Diese Tarifübernahme ist bis heute nicht geklärt“, widerspricht er Hillbrenner – und konfrontiert ihn mit der Frage, was mehr zähle, die medizinische Daseinsvorsorge für die Bevölkerung oder die Rendite.

Ameos habe sehr viel Geld in Haldensleben investiert, hält Hillbrenner dagegen. Das Unternehmen wolle den Standort für die Zukunft aufstellen und sichere Arbeitsplätze für die nächsten 20 bis 30 Jahre schaffen. Das gelinge nicht, wenn stattdessen die Mitarbeiter mehr Gehalt bekämen, meint er.

Doch Investitionen in den Krankenhausbereich, so Mühlenberg, seien Sache des Landes. „Dem fehlt es jedoch an Geld, und so versuchen die Betreiber, den Investitionsstau zu beseitigen – in dem sie beim Personal sparen“, kennt der Verdi-Funktionär die Situation. „Allerdings“, so gibt er zu bedenken, „ist Ameos ein Konzern, kein einzelnes Haus.“

Was den Investitionsstau angeht, da seien ganz klar die Landes- und Bundespolitik gefordert, sieht es auch Regina Blenkle. Doch der jetzt von Ameos eingeschlagene Weg sei ein Abwärtsspirale, befürchtet sie. „Für den geplanten Psychiatrie-Anbau hat Ameos die Unterstützung vom Haldensleber Stadtrat bekommen. Eine solche Unterstützung erwarte ich jetzt auch von Ihnen“, appelliert sie an die Ameos-Vertreter. „Und einmal ganz oberflächlich gesagt: Sie sollten nicht nur betriebswirtschaftlich denken. Lassen Sie einfach die Headhunter weg und bezahlen Sie Ihre Leute anständig!“

Die Bürgermeisterin schlägt vor, dass sich Stadt, Landkreis und Ameos an einen Tisch setzen sollten, um eine Lösung zu finden. Auch wenn sich der Landkreis 2006 dafür entschieden hat, das bis dahin von ihm verwaltete Krankenhaus künftig privat betreiben zu lassen, „so haben wir noch immer einen Sicherstellungsauftrag und sind mit in der Verantwortung“, erklärt Iris Herzig, Fachbereichskoordinatorin in der Kreisverwaltung. So habe der Krankenhausträger Verpflichtungen zu erfüllen, bestimmte Entwicklungen müssen auch für den Landkreis nachvollziehbar sein. „Wenn es nach meinem Gefühl geht, dann sehe ich die Gynäkologie, die Entbindungs- sowie die Kinder- und Jugendstation weiter in Haldensleben. Aber es geht nicht nur nach Gefühl. Es gibt klare Vorgaben zur Finanzierung, und ein Träger kann es sich nicht erlauben, freie Betten nicht zu belegen. Doch es gibt bei Ameos Bemühungen, die Angebote zu erhalten – aber eben in einer anderen Struktur“, macht Herzig deutlich.

Es sei zu verstehen, dass Ameos angesichts der Krankenhausplanung des Landes wirtschaftlich arbeiten müsse, räumt Guido Henke (Die Linke) ein. Doch er fordert vom Landkreis, bei der Umstrukturierung von Ameos Einfluss darauf zu nehmen, was in der Fläche gebraucht werde und nicht, was betriebswirtschaftlich effizient sei. Henke hatte sich im Vorfeld der Privatisierung für den Erhalt des Krankenhauses in kommunaler Trägerschaft eingesetzt. „Und jetzt haben wir genau das, was wir damals befürchtet haben“, zieht er eine bittere Bilanz.