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Jugendherberge Vom Beamten zum Weltenbummler

Walter Tiroke aus München hat die Haldensleber Jugendherberge besucht. Für ihn war es die 2200. Übernachtung in einer solchen Einrichtung.

Von Lan Dinh 18.11.2017, 00:01

Haldensleben l Ein ganz besonderer Gast stattete der Jugendherberge in Haldensleben einen Besuch ab. Der Münchner Walter Tiroke hat in der vergangenen Woche zum 2200. Mal in einer Jugendherberge übernachtet. Nur mit Rucksack und Fahrrad reist er mit seinen 64 Jahren meist allein um die Welt. Mit einem Strahlen im Gesicht und einem Münchner Dialekt erzählt er lebendig von seinen Reiseabenteuern.

Im italienischen Lecco hat er das erste Mal in einer Jugendherberge übernachtet. Das war im Jahr 1973. „Ich war damals auf Reisen mit einem Freund. Nur dank ihm habe ich mir einen Ausweis für Jugendherbergen ausstellen lassen“, sagte der 64-Jährige. Damals gab es keine andere Alternative: entweder verbrachte er die Nacht im Freien oder in einer Jugendherberge. Es war für ihn anfangs nur eine billige Art, individuell zu reisen und zu übernachten. „Doch daraus hat sich dann eine Leidenschaft entwickelt“, erklärt Tiroke.

Er ist kein typischer „Nomade“. Auf Reisen hat er viele solcher Menschen getroffen. Nur unterwegs zu sein, wäre nichts für ihn. „Ich reise nicht, um dem Leben zu entkommen“, erklärt Tiroke. Das, was wirklich zählt, sind seine Familie, seine Freunde und sein mit Liebe gepflegtes Heim. Das Reisen soll kein Lebensinhalt werden. Es hilft ihm jedoch, gelegentlich aus dem Alltag auszubrechen.

Bevor er pensioniert wurde, war er einige Jahrzehnte als Verwaltungsbeamter tätig. Trotz negativer Erfahrungen hat er den Glauben an das Gute nicht verloren. Das beweist seine positive Ausstrahlung und das offene Gemüt. Er plaudert gern aus dem Nähkästchen.

Akribisch notiert er sich alle Daten und Zahlen zu seinen Reisen und Übernachtungen. Das dient ihm als Gedächtnisstütze. „Ich schreibe alles auf, was wichtig ist“, erklärt der Reiseliebhaber. So listet er immer auf, in welcher Herberge er wie viele Nächte verbracht hat oder wie viele Kilometer er bereits mit Fahrrad, Zug oder Auto zurückgelegt hat. Für sein Alter ist er fit: Mit dem Fahrrad hat er in etwa 320.000 Kilometer und mit dem Zug 500.000 Kilometer geschafft.

In den letzten vier Jahrzehnten übernachtete er bereits in 1102 Jugendherbergen. Er ist in den letzten Jahren viel in der Welt herum gekommen. Mittlerweile hat er alle Kontinente besucht, in Afrika waren es sogar 17 Länder. Süd- und Südostasien hat er bereits fast vollkommen ausgekundschaftet. Ihm fehlen nur noch Korea, Sri Lanka, Bangladesch, Buthan und Papua Neuguinea.

Es sind die Begegnungen mit ganz verschiedenen Menschen, die ihm an den Übernachtungen in den Herbergen gefallen. Die Menschen dort seien fast alle offen und nett. „Man kommt ganz automatisch beim Frühstück mit anderen ins Gespräch. In Pensionen oder Hotels dagegen bleibt jeder nur für sich.“

Das sei nicht seine Art, er sucht gerne den Kontakt zu anderen. Deswegen besucht er fremde Länder, um anderen Kulturen und Menschen näher zu kommen. Seine Reiseinformationen hat er deswegen aus erster Hand – von Begegnungen, Gesprächen und langen Abenden.

Er hat viele Anekdoten parat: So erzählt er, wie er nachts aus dem Schlaf gerissen wurde, weil ein Indonese noch spät nachts auf sein Zimmer kam. Was zunächst wie eine unschöne Störung klingt, entpuppte sich als eine unvergessliche Begegnung. Das tiefgründige Gespräch dauerte bis in den frühen Morgen an. „Ich habe durch das Reisen Freundschaften fürs Leben gewonnen.“

Neben einigen schlechten Erfahrungen, bei denen ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, erlebte er auch Nächstenliebe. Obwohl er einmal deutlich zu spät gekommen war und es keinen Platz mehr für ihn gab, wurde ihm noch schnell eine warme Mahlzeit vorbereitet und eine Schlafmöglichkeit in einem Notquartier geschaffen. „Das ging über bloße Gastfreundschaft hinaus. Das hat mich wirklich sehr bewegt“, erinnert sich Walter Tiroke mit einem Lächeln.

Er verbindet die Übernachtungen immer mit Ausflügen in der Region: „Im Sommer bin ich gerne mit dem Fahrrad unterwegs, während ich im Winter lokale Museen besuche.“ Er liebt das Wandern, die Natur und das Fahrradfahren: „Für mich bedeutet das Entschleunigung, besonders jetzt im Alter wird das wichtig. Den Straßenverkehr in München erlebe ich als sehr hektisch. Doch vom Fahrrad kannst du immer absteigen und deine Umgebung auf dich wirken lassen.“

In Haldensleben möchte er sich die Großsteingräber und das Schloss Hundisburg mitsamt Landschaftsgarten ansehen. Danach soll es weitergehen nach Quedlinburg, Wernigerode und Braunschweig.

Solange er noch gesund ist, möchte er das Reisen nicht aufgeben. „Mindestens zehn Jahre möchte ich noch weiter machen“, sagt der Abenteurer. Sein großes Ziel: einen Kontinent komplett auf dem Landweg durchqueren.