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Kreistag Förderschulcampus wird nicht gebaut

Der geplante Förderschulcampus in Klein Oschersleben wird nicht gebaut. Das hat der Kreistag auf seiner Sitzung am Mittwoch entschieden.

Von Thomas Junk 01.03.2019, 00:01

Haldensleben l Wenn es um Kinder geht, wird es emotional. So auch am Mittwoch, als der Börde-Kreistag über einen Grundsatzbeschluss zum Bau eines Förderschulzentrums in Klein Oschersleben zu entscheiden hatte. Der Plan der Kreisverwaltung sieht vor, die Förderschulen für Lernbehinderte in Hamersleben und Wefensleben mittelfristig zu schließen und dafür am Standort der Förderschule für Geistigbehinderte in Klein Oschersleben einen großen Campus zu errichten, auf dem alle Förderschulen des südlichen Landkreises Börde zentriert werden. Daraus wird nun vorerst nichts. Nach emotionaler Debatte stimmten die Kreistagsmitglieder am Mittwoch gegen diesen Grundsatzbeschluss.

Vor dem Landratsamt wurden die Kreistagsmitglieder von Elternvertretern der beiden Förderschulen in Wefensleben und Hamersleben mit Transparenten begrüßt. „Wer fragt uns? Uns Kinder mit Defiziten?“ wollten die Eltern im Namen ihrer Kinder von den Lokalpolitikern wissen.

Patrick Grigat, Elternvertreter der Wefensleber Schule, betonte vor der Sitzung, wie gut die Zusammenarbeit mit Einwohnern und Firmen in und um Wefensleben funktioniere. „Wir haben im Umfeld 17 Praktikumsbetriebe, die unsere Schüler unterstützen. Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, wo die Kinder den Alltag trainieren können.“ Auch zum benachbarten Seniorenzentrum würden gute Kontakte gepflegt. Diese Möglichkeiten würde es in Klein Oschersleben dann nicht mehr geben. Die Kinder würden sich in ihrer Schule gut aufgehoben fühlen.

Zu Beginn der Diskussion stellte Dezernentin Iris Herzig ausführlich das Für und Wider vor. Die Schulen in Hamersleben und Wefensleben hätten vor allem Defizite in Sachen Brandschutz und Behindertengerechtigkeit. „Wer soll die Verantwortung tragen, wenn in einem Ernstfall Kinder zu Schaden kommen?“, fragte Herzig. Pädagogische Konzepte wären nicht ortsgebunden und könnten in Klein Oschersleben genauso umgesetzt werden, wie in Hamersleben und Wefensleben. Hinzu käme, dass sich für mehr als 60 Prozent der Schüler auch der Schulweg verkürzen würde. „Ja, wir haben einen Veränderungsprozess. Aber jegliche Veränderung birgt auch Chancen in sich“, betonte die Dezernentin.

Entrüstet über die Pläne zeigte sich vor allem Wolfgang Zahn. Der Sozialdemokrat aus Oschersleben hatte bereits im vergangenen Jahr im Kreistag erfolgreich beantragt, dass dieser Grundsatzbeschluss zunächst noch einmal ausführlich in den Ausschüssen beraten werden solle. Dies ist auch geschehen. Sowohl im Kultur- und Sozialausschuss als auch im Kreisausschuss hatte das Vorhaben dann aber keine Mehrheit gefunden.

„Mit dieser Vorlage machen wir alles platt“, entrüstete sich Wolfgang Zahn. Man betone immer, dass man den ländlichen Raum beleben wolle, attraktiv gestalten und für alle Generationen lebenswert machen wolle. In Wefensleben würde dies dank guter Kooperationen und nachbarschaftlichen Verbindungen hervorragend klappen. Gerade werde dort erst für 55.000 Euro eine moderne behindertengerechte Lernküche eingebaut. „An beiden Standorten ist alles gegeben. Warum also ein Neubau?“, fragte er.

Und Zahn hatte auch ein Pfund zum Wuchern im Gepäck. An den Landrat konnte er eine Unterschriftenliste überreichen, auf der sich 1234 Menschen für den Erhalt der beiden Förderschulen stark machen. Hinzu kommen noch einmal 900 Menschen, die eine entsprechende Online-Petition unterzeichnet haben.

Unterstützung erhielt Zahn von der Linken-Fraktion. Fraktionsvorsitzende Gudrun Tiedge: „Wir haben hier eine hochsensible Entscheidung zu treffen. Es geht hier nicht nur um die Schaffung neuer Räume, sondern um die Verantwortung, die wir für ganz besondere Schüler haben.“ Natürlich müssten Brandschutz und Behindertengerechtigkeit gesichert werden. „Aber das weiß man seit vielen Jahren. Zu diesem Investitionsstau hätte es gar nicht erst kommen müssen“, so Tiedge. Vor allem dürfe ein solcher Beschluss nicht unter wirtschaftlichen Aspekten gefällt werden.

„Wir wollten uns doch eigentlich abgewöhnen, so etwas von irgendwelchen Büroräumen aus zu entscheiden“, sagte Regina Blenkle (FUWG). Man dürfe nicht vergessen, dass für solche Kinder jegliche Veränderungen einen enormen Stress bedeuten würden.

Zu 95 Prozent würde er seinen Vorrednern zustimmen, betonte Matthias Schwenke (CDU). Das Ziel sollte sein, möglichst optimale Bedingungen für die Kinder zu schaffen. Aber man müsse ja auch für die nächsten 10, 20 oder sogar 30 Jahre planen. „Die Einrichtungen sind noch gut, aber eben nicht mehr zukunftsfähig“, so Schwenke. Diese Entscheidung beträfe letztlich Eltern, die vielleicht noch gar nicht wissen, das sie einmal betroffen sind. Schwenke: „Wir sollten uns deshalb fragen: Ist es für die Kinder auch in einigen Jahren noch das Beste?“

Die Vorsitzende des Kultur- und Sozialausschusses Angela Leuschner (SPD) sieht auf beiden Seiten gute Argumente. Man habe das im Ausschuss sehr ausführlich beraten, die Schulleiter angehört und sich ein präzises Bild verschaffen können. Ihr Fazit: „Man muss auch mal neue Wege gehen, um zukunftsfähig zu bleiben.“ Deswegen stimmte Angela Leuschner am Ende auch als einzige Sozialdemokratin für den neuen Förderschulcampus.

Landrat Martin Stichnoth (CDU) bedauerte, dass die Eltern nicht mit einbezogen wurden, betonte aber, dass die Schulleiter immer informiert waren. „Was das Thema Brandschutz und Sicherheit angeht, lasse ich aber nicht mit mir diskutieren. Das liegt in meiner Verantwortung“, so der Landrat. Gerade beim Gebäude in Hamersleben müsse etwas passieren. Wenn dieser Grundsatzbeschluss abgelehnt werde, müsse man an den bisherigen Standorten kräftig investieren, ja wahrscheinlich sogar neu bauen.

„Das können wir machen, kostet dann aber zehn Millionen Euro“, so Stichnoth. Angesichts der zum Teil heftig geführten Diskussion um den aktuellen Kreishaushalt müsse das allen Kreistagsmitgliedern bewusst sein. Dieses Geld müsse dann auch irgendwoher kommen. Der Landrat erinnerte daran, wie sich einige im Kreistag gegen eine Erhöhung der Kreisumlage gewehrt haben. Am Ende stimmten 26 Kreistagsmitglieder gegen den Grundsatzbeschluss, 18 – größtenteils aus Reihen der CDU – dafür. Zwei enthielten sich ihrer Stimme.

Die Entscheidung hatte auch auf den nächsten Tagesordnungspunkt der Sitzung Auswirkungen. Denn dort galt es, eine Prioritätenliste für die Fördermittel des Landes zur Verbesserung der Schulinfrastruktur finanzschwacher Kommunen zu beschließen. Auf Platz 1 stand: Neubau Förderschulcampus in Klein Oschersleben. Dadurch, dass dieser Bau nun abgelehnt wurde, rutscht automatisch die Sanierung des Weferlinger Gymnasiums auf Platz 1. Auch hier bestände dringend Handlungsbedarf, erklärte der Landrat.

Franz-Ulrich Keindorff (FDP) beantragte, dass die Fördermittel, immerhin knapp 5,7 Millionen Euro, für die Ertüchtigung der beiden Förderschulen in Wefensleben und Hamersleben eingesetzt werden sollten.

Dies sei nicht möglich, da die Förderrichtlinien dies nicht hergeben würden, erklärte Iris Herzig. Dies schien zahlreichen Kreistagsmitgliedern nicht einleuchtend, weswegen Iris Herzig zusagte, entsprechende Nachweise über die Nichtförderfähigkeit zur Verfügung zu stellen. Der Prioritätenliste wurde im Anschluss einstimmig zugestimmt. Allerdings mit dem Zusatz, dass, sollte es sich herausstellen, dass das Fördergeld doch in die beiden Schulen fließen könnte, diese auf Listenplatz 1 landen und nicht das Weferlinger Gymnasium.