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Landwirtschaft Mehr Aufwand beim Düngen

Der Bundesrat hat einer neuen Düngeverordnung zugestimmt. Dieser Beschluss hat auch für die Bauern im Landkreis Börde Folgen.

Von Michelle Kosub 29.04.2020, 01:01

Emden l Vorstandsvorsitzende Silke Fischer und Pflanzenbauer Michael Daul leiten zusammen die Agrargenossenschaft Emden. In dem Betrieb werden von 1070 Hektar Nutzfläche etwa 810 Hektar Ackerland bewirtschaftet. Auf 260 Hektar der Nutzfläche werden Getreide, Raps, Zuckerrüben und Silomais angebaut. Hinzu kommt die Haltung von 423 Rindern: Milchkühe, Mutterkühe und Jungrinder. „ Wir haben im Betrieb einen relativ geringen Tierbesatz und liegen weit unter dem Durchschnitt, der für eine gesunde Kreislaufwirtschaft vertretbar wäre“, sagt Silke Fischer.

Seit 2004 gibt es auf dem Gelände des Betriebs eine Biogasanlage, die hauptsächlich mit betriebseigenen Substraten gespeist wird. „Wir haben Gülle, Stallmist, Mais- und Grassilage, Getreideschrot und jahreszeitlich bedingt auch andere Stoffe“, erklärt Silke Fischer. Diese Stoffe werden vergoren, so entsteht Biogas. Mit diesem Biogas wird unter anderem der Strom für den Betrieb erzeugt.

„Der gesamte Eigenstrombedarf kann damit gedeckt werden“, sagt Fischer. Ebenso wird daraus Wärme selbst erzeugt, die unter anderem für die Milchviehanlage genutzt wird. „Die vergorenen Substrate werden als organischer Dünger auf unsere Nutzflächen ausgebracht“, erklärt sie.

291 Hektar der landwirtschaftlichen Nutzflächen des Betriebes sind in den nitratgefährdeten roten Gebieten. Das bedeutet, dass diese Flächen als nitratbelastet eingestuft sind und bereits seit 2017 besonderen Düngevorschriften unterliegen. „Es gibt Beschränkungen bezüglich Düngemenge, Einsatzzeitpunkte sowie weitere Vorschriften zur Dokumentation“, erklärt Silke Fischer. Die Nitratbelastung wird durch vier Messstellen ermittelt, die sich in der Umgebung der bewirtschafteten Flächen der Agrargenossenschaft befinden.

Bisher musste die Agrargenossenschaft drei zusätzliche Maßnahmen bei den nitratbelasteten Flächen einhalten. So wurde die Sperrzeit für die Ausbringung von Kompost und Mist ausgeweitet und gilt nun vom 15. November bis 31. Januar jeden Jahres. Vor der Ausbringung des Düngers auf die Flächen sind Gülle, Stallmist oder Gärreste auf den Nährstoffgehalt durch ein Labor zu ermitteln. Die allgemein anerkannten Richtwerte für die Nährstoffgehalte sind in dem Fall nicht mehr zulässig.

Außerdem darf der berechnete Düngebedarf nur noch bis zu zehn Prozent überschritten werden, wenn zum Beispiel durch mehr Niederschläge ein höherer Ertrag auf den Flächen zu erwarten ist. Hinzu kommt ein erhöhter Mehraufwand, da ein Nährstoffvergleich und die Düngebedarfsermittlung für jeden Ackerschlag für das Vorjahr zur Dokumentation bis zum 31. März des laufenden Jahres übermittelt werden müssen.

„Das heißt für die landwirtschaftlichen Betriebe zusätzlicher Aufwand an Arbeit, Bürokratie und Technik. Zusätzlicher personeller und finanzieller Aufwand für Dokumentation, Probennahme und vor allem, um sich über die Vorschriften zu informieren und zu beachten, was für welche Fläche zutreffend ist“, sagt Silke Fischer. Durch die ausgeweiteten Sperrzeiten müssen die Arbeiten in einer kürzeren Frist erledigt werden. Dadurch würden laut Fischer die Technik und die Arbeitskräfte nicht mehr reichen und es müsse Lohnarbeit „zugekauft“ werden.

Durch die neu beschlossene Düngeverordnung kommt es zu weiteren Problemen für die Landwirte: der geringere Ertrag auf den Flächen. So bekäme ein Feld, welches eine hohe Nitratbelastung hat, weniger Dünger. Daraus resultiert, dass auch der Ertrag weniger werde. „Die Ertragserwartung ist auf der Grundlage der Erträge der vergangenen drei Jahre zu ermitteln. Durch zwei Dürrejahre in Folge liegt diese unter dem langjährigen Durchschnitt. So kommt es zu einer Spirale nach unten“, erklärt Silke Fischer.

Hinzu kommt, dass die Lagerkapazitäten für Gülle, Stallmist und Gärreste künftig auch für längere Zeiträume reichen müssten. „Dahinter steht die Annahme, dass theoretisch alle Flächen von längeren Sperrzeiten betroffen sein könnten oder mit der maximalen Menge des errechneten Bedarfs gedüngt werden dürfte“, so Fischer. Dies würde dazu führen, dass neue Behälter für Gärreste oder Gülle gekauft werden müssen, was zu einer finanziellen Belastung des Betriebes führt.

Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat sich für die Verschärfung der Düngeverordnung eingesetzt und bereits vor dem Beschluss des Bundesrats Forderungen gestellt, um den Nitratgehalt im Grund- und Oberflächenwasser nachhaltig zu senken. „Nitrat, als eine Stickstoffverbindung ist ein wichtiger Pflanzendünger. Zuviel Nitrat führt allerdings dazu, dass sich an Landökosystemen konkurrenzstarke Pflanzen wie zum Beispiel Gräser und Brennnesseln durchsetzen und andere Pflanzen verdrängen“, sagt Christine Tölle-Nolting, Referentin für Agrarpolitik und ländliche Räume beim Nabu. Dadurch käme es zu einem Rückgang der Artenvielfalt. Im Wasser sorge Stickstoff dafür, dass sich Algen stark ausbreiten, die sogenannte Algenblüte. „Als Folge sinkt der Sauerstoffgehalt in den Gewässern, was im schlimmsten Fall zum Absterben allen Lebens im Wasser führen kann“, erklärt Tölle-Nolting. In stark mit Stickstoff versorgten Böden würde laut der Referentin mehr Lachgas gebildet werden, welches massiv zum Klimawandel beiträgt. Zum Schutz der Artenvielfalt, Wasser, Boden, Luft und Klima setzte sich der Nabu für eine Veränderung des Düngerechts ein. Dass die neuen Maßnahmen zur Düngeverordnung für viele Landwirte eine Herausforderung seien, versteht Tölle-Nolting: „Die geforderte Bilanzierung bietet aber für die Landwirte die Chance, die Nährstoffflüsse in ihrem Betrieb noch besser zu kontrollieren und Einsparmöglichkeiten für Dünger zu erkennen.“

Der Wunsch von Silke Fischer ist es, das Nitratmessnetz zu überarbeiten. Darauf weist auch der Bauernverband Börde hin. Denn es werde oftmals an den falschen Stellen gemessen. Die Lage der Messstellen und die Befragung Alteingesessener lasse andere Ursachen für die erhöhten Nitratwerte vermuten. „Viele Messstellen liegen an verfüllten Sand- oder Tongruben. Industrieabfälle, Hausmüll oder sonstige Stoffe geben Nitrat ins Grundwasser ab. Manchmal sind es auch wilde Deponien, die einfach zugewachsen sind“, teilt der Bauernverband Börde mit. Aber auch andere Einflüsse können Grund für die schlechten Nitratwerte sein. Sicher gebe es problematische Messstellen, wo auch die Landwirtschaft hinterfragt werden müsse. Würde sich nach der Überarbeitung des Messnetztes ein anderes Bild zum Zustand des Grundwassers zeigen, so sagt Silke Fischer, dass die gesamte Verordnung auf den Prüfstand gestellt werden müsse. „Die Frage muss gestellt werden, ob die bürokratische Aufwand und die drastischen Einschränkungen dann noch gerechtfertigt sind“, sagt die Leiterin der Agrargenossenschaft.