Andrea Sawatzki in Flechtingen

Flechtingen l Das Publikum spendet Applaus, als Andrea Sawatzki am Sonnabend durch die Tür ihrer Garderobe das Flechtinger Kurhaus betritt. Im schwarzen Outfit verschmilzt die schlanke Rothaarige beinahe mit dem Bühnenhintergrund, doch ihre zu einem Pferdeschwanz gebundenen roten Haare, die grünen Augen und ihre helle Haut strahlen dem Publikum im ausverkauften großen Saal entgegen.

Im Zwiegespräch mit Kurhausleiterin Kerstin Seifert stellt sich die bekannte Schauspielerin und ihr Leben vor. Sie schildert auch einige Hintergründe zu ihrer neuen Leidenschaft, dem Schreiben von Büchern. Diese ganz andere Seite hat die Schauspielerin Andrea Sawatzki nämlich vor etwas mehr als fünf Jahren an und für sich entdeckt:. Und als Autorin sorgt sie im Kurhaus des Luftkurortes für einen gepflegten Leseabend aus ihrer Komödie „Tief durchatmen, die Familie kommt“.

Ihre zumeist weiblichen Fans an den passend zur Lesung mit selbstgebastelten Büchlein hübsch dekorierten Tischen ziehen sich quer durch alle Altersgruppen. Bei ihnen ist der Aha-Effekt groß, als die Schriftstellerin ihre Hauptfigur Gundula Bundschuh beim Vorlesen lebendig werden lässt. Sawatzkis schauspielerisches Talent kommt ihr beim Lesen sehr zugute. Sie schlüpft in jede einzelne Rolle, ob weiblich oder männlich - unverkennbar und authentisch.

Worum geht es nun an diesem Abend? Es wird wieder Weihnachten, und der Fami- lienmensch Gundula mit Mann Gerald, zwei Hunden und den drei Kindern hat es trotz aller Zweifel nicht fertig gebracht, die Verwandtschaft auszuladen.

So fallen Ilse und Edgar, ihre Eltern, Susanne, Geralds Mutter, und Gundulas Bruder Hans-Dieter samt Ehefrau Rose ins scheinbar perfekte Familienidyll ein. Dass der vorbereitete Weihnachtsbraten dank ihres dementen Vaters von den beiden Hunden verspeist wird, Susanne mit ihren erotischen Reizen nicht geizt und Hand-Dieter mal wieder indisponiert und pleite ist, lässt die Familie immer tiefer ins eigene Chaos rutschen. Schließlich steht sogar Gundulas Ehe mit Gerald auf dem Spiel. Schnell wird klar, dass diese gewollte Zusammenstellung unterschiedlicher Charaktere alles andere als ein besinnliches Weihnachtsfest nach sich zieht.

Überaus unterhaltsam taucht der Zuhörer in das Leben der Bundschuhs, Ähnlichkeiten mit dem eigenen Familienleben scheinen bewusst gewollt und beabsichtigt, ohne den Zeigefinger zu heben - Familienleben eben wie es nach 27 Jahren des Zusammenlebens nicht selten vorkommt. Statt miteinander lebt jeder nebeneinander her und pflegt seine eigenen Allüren.

Davon ist bei Andrea Sawatzki nichts zu spüren. Mutterseelenallein ist sie nach Flechtingen gekommen, um aus ihrem 2013 erschienenen Roman vorzulesen. In der Lesepause signiert sie ohne Pause ihre Bücher und lächelt jedem Fan in der langen Schlange freundlich entgegen. Aber gewisse Parallelen ihrer Romanfiguren zur eigenen Vita kann Andrea Sawatzki dann doch nicht leugnen. Ihre Liebe zu Hunden kommt im Buch ebenso zum Tragen wie das zu ihrer eigenen Familie.

Fünf Bücher hat Andrea Sawatzki mittlerweile herausgegeben, ein sechstes befindet sich in Arbeit - und man möchte hoffen, dass auch der zweite und dritte Teil der Bundschuhs oder einer ihrer Psychothriller einmal im Luftkurort vorgestellt werden - dann natürlich wieder von einer schlanken Rothaarigen mit grünen Augen. Kerstin Seifert gegenüber hat sie ihre Bereitschaft signalisiert, noch einmal nach Flechtingen kommen zu wollen. Ihre Fangemeinde jedenfalls würde es freuen.