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Museumstag Mit Porzellan durch die Geschichte

Porzellan, Faustkeile, eine tausendjährige Schmuckscheibe und Zwerghühner - all das und mehr ist am Sonntag im Museum Haldensleben zu sehen.

Von Jörn Wegner 19.05.2016, 01:01

Haldensleben l Keramik und Porzellan ist das verbindende Element der überarbeiteten Dauerausstellung im Museum Haldensleben. Zum Tag der offenen Tür am internationalen Museumstag, Sonntag 22. Mai, wird die Schau um 11 Uhr eröffnet.

Im Mittelpunkt steht nach wie vor die Geschichte Haldenslebens, von der Politik- bis zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Gezeigt werden Objekte von der Früh- bis zur Zeitgeschichte.

„Jetzt zur 1050-Jahr-Feier ist es mal wieder Zeit gewesen“, sagt Museumsleiter Ulrich Hauer zur Neugestaltung. Seit 2013 ist daran gearbeitet worden. „Viele Exponate sind natürlich gleich geblieben. Die Geschichte hat sich ja nicht geändert“, sagt Hauer. Neu ist vor allem, dass Stadtansichten, Karten und anderes auf Porzellantafeln gebannt wurden. So zieht sich der Werkstoff in der einstigen Hochburg der Keramikindustrie Haldensleben wie eine roter Faden durch die Ausstellungsräume.

Dreh- und Angelpunkt ist der Museumsflur im Obergeschoss. „Hier kann man die gesamte Stadtgeschichte vom 10. bis zum 19. Jahrhundert nachverfolgen“, sagt Hauer. Gezeigt werden Exponate wie frühneuzeitliche Waffen, mittelalterliche Schlüssel oder interessante Objekte aus Biedermeier- und Gründerzeit.

Die Beidermeierzeit nimmt überhaupt einen großen Teil der Schau ein. Das liegt wiederum am Porzellan. Mitte des 19. Jahrhunderts kam es überall in Deutschland zu Neugründungen von Porzellanfabriken, so auch in Haldensleben.

Wilhelm Grünewald und seine Werke sind in der Ausstellung allgegenwärtig. Der Künstler hat in der Gründerzeit alte Ansichten von Haldensleben auf Tassen und Tellern verewigt. „Das Hagentor kennen wir nur von den beiden Porzellantellern“, sagt Hauer und zeigt auf zwei Grünewald-Werke.

Die Keramik ist damit eine wertvolle und in diesem Fall einzigartige Quelle für die Stadtgeschichte. Zahlreiche weitere Ansichten von Haldensleben und Hundisburg sind zu sehen. „Das war zur Biedermeierzeit Mode, solche Ansichten für die Vitrine, auch zum Angeben“, erklärt Hauer. „Das hält ewig. Das verbleicht nicht, das ist eine wunderbare Geschichte.“

Natürlich kommt die Ausstellung nicht ohne Johann Gottlob Nathusius, Gründer der Haldensleber Porzellanfabrik, aus. Jakob Uffrecht war Modelleur bei Nathusius. 1855 hat er sich mit einer Tonwarenfabrik selbständig gemacht. Nicht mehr Porzellan stand im Mittelpunkt, sondern robuste Keramik. „Hier ist Stadtgeschichte und Keramikgeschichte verquickt“, sagt Hauer. Die Ausstellung porträtiert die Familie Uffrecht und zeigt anhand der Biographien stadtgeschichtliche Exponate von der Gründerzeit über den Nationalsozialismus bis zur DDR.

Geschmackliche Verirrungen der Keramikgeschichte lassen sich in dem Teil der Ausstellung erleben, der sich Hugo Lonitz widmet. Weder feine Fayencen noch Biedermeier-Idyllen machen Lonitz‘ Werke aus. Vielmehr wird wilhelminischer Kitsch präsentiert. Überladene Schützenpokale mit Reichsflagge und -adler wechseln sich mit germanophilen Gefäßen und Statuen ab und geben einen Eindruck der von Selbstüberschätzung und Nationalismus geprägten Zeit.

Einen aktuellen Bezug zeigt die Zuwanderungsgeschichte Haldenslebens. Hugenotten und Juden fanden einst in der Stadt eine Zuflucht vor Verfolgung. Für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung waren sie von einiger Bedeutung. „Die Hugenotten waren überall in der Stadt verteilt, haben Französisch gesprochen und ihre eigene Kirche gehabt“, erklärt Hauer. „Die Textilindustrie hatte einen kleinen Aufschwung. Und mit dem Tabakanbau haben sie hier begonnen, das ist gesichert.“ Allerdings sind Hugenotten und Israeliten bald in die großen Städte, etwa Berlin, abgewandert. „In gewisser Weise das, was jetzt auch passiert“, sagt Hauer mit Blick auf den Wegzug anerkannter Flüchtlinge aus Sachsen-Anhalt.

Zum Tag der offenen Tür können Besucher zudem im Seitenflügel einen Einblick in die Alltagsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts erhalten. Dort ist das Innere eines alten Wohnhauses samt Werkstätten zu sehen. Zum Museumstag wird es Vorführungen an einer alten Druckmaschine geben, genauso wie Porzellanmalerei und die Arbeit am Spinnrad.

„Das war die Einheit zwischen Arbeit, Wohnen und Lebensmittelproduktion“, erklärt Hauer. Alles hatte in dieser Zeit in einem Raum stattgefunden. Selbst die Schweine lebten einst direkt neben der Küche. Schweine gibt es heute nicht mehr, dafür einen integrierten Hühnerstall samt Haldensleber Zwerghühnern. „Der kleine Mann hatte keine gute Stube. Der größte Raum war dazu da, dass der Ernährer seiner Arbeit nachgehen konnte“, erklärt Hauer.

Einen besonderen Abend können Besucher beim Tag der offenen Tür am Spinnrad erleben. Bei monotonen Arbeiten haben sich die Menschen früher fantastische Geschichten erzählt, erklärt der Museumschef. Auf diese Weise sind auch die Märchen der Brüder Grimm entstanden.

Ab 18 Uhr können Jung und Alt den Geschichten in der Spinnstube lauschen. Zuvor ließe sich ein Teil des Nachlasses der Brüder Grimm im Museum bestaunen. Eine Enkelin Wilhelm Grimms lebte in Haldensleben und hat so einen Teil des Besitzes ihres ansonsten in Hessen aktiven Großvaters in die Börde gebracht.

Herausragend, so Ulrich Hauer, ist eine romanische Schmuckscheibe aus Niendorf. Nicht ganz so alt, aber ebenfalls von großer Bedeutung ist das originale Stadtsiegel aus dem 14. Jahrhundert und ein Leuchter aus dem einstigen israelitischen Tempel in Haldensleben.

 Das Museum im Breiten Gang ist am Sonntag von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.