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Neujahrsempfang Calvörde als heimliche Hauptstadt

Einen Cocktail aus Politik, Musik und Kabarett hat es beim Neujahrsempfang der Gemeinde Calvörde gegeben.

Von Anett Roisch 11.02.2019, 00:01

Calvörde l Ganz nach der Manier von U.S. Präsident John F. Kennedy „Ich bin ein Calvörder“ startete Kabarettist Frank Hengstmann seinen Auftritt am Freitagabend. Im Sturm eroberte der Magdeburger die Herzen der Calvörder und schwärmte: „Dieser wunderschöne Flecken - dagegen ist Magdeburg nur ein Fleck.“ Hengstmann trumpfte weiter auf: „Calvörde ist für mich die heimliche Hauptstadt von Sachsen-Anhalt.“

Das klang für Calvördes Bürgermeister Volkmar Schliephake (CDU) wie eine süße Melodie. Im Namen des Gemeinderates und der Ortsteilbeauftragten hieß er Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Institutionen, Kirchengemeinden, Verwaltungen, Feuerwehren und im Besonderen die Träger der Ehrennadeln und Ehrenmedaillen der Gemeinde willkommen.

„Der Begriff Neujahrsempfang trifft eigentlich gar nicht das Kernanliegen. Es ist heute vielmehr eine Begegnung der großen kommunalen Familie, denn sie gehören zu denen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, beschrieb Schliephake. Er hob das Ehrenamt hervor. „Die ehrenamtliche Arbeit ist das Gesicht einer Gemeinde. Was unsere 35 Vereine und die Feuerwehrleute leisten, ist einfach Spitze“, schwärmte der Gemeindechef und ermutigte die Anwesenden, mit ihrer Tatkraft auch 2019 nicht nachzulassen.

Die Konsolidierung des Haushaltes ist ein Dauerthema. Mit Freude berichtete Schliephake, dass der Jahresabschluss eine schwarze Zahl zeigt und sich die Sparbemühungen auf der einen Seite und die lebhafte Wirtschaftskonjunktur auf der anderen – verbunden mit höheren Steuereinnahmen – gelohnt haben.

Große Bedeutung habe im ländlichen Bereich die Infrastruktur. Die Angebote öffentlicher Verkehrsmittel seien unzureichend. Von Calvörde oder einem anderen Ortsteil nach Flechtingen zur Verwaltung zu gelangen, sei mehr als schwierig und zur Kämmerei nach Erxleben mit Bus oder Bahn zu kommen, wäre praktisch unmöglich. Das Gleiche treffe für die Daseinsvorsorge der älteren Bürger in den kleineren Ortsteilen zu, in denen Versorgung und Dienstleistungen gar nicht vorhanden seien.

Die Qualität der Landesstraßen habe sich hingegen merklich verbessert. Der Ruf nach Radwegen bliebe trotzdem. Kritik kam zu den Kreisstraßen. „Der Ausbau der Velsdorfer Straße in Calvörde wurde wegen fehlender Fördermittel verschoben und soll erst 2020 erfolgen. Die Kreisstraße von Calvörde nach Zobbenitz ist wohl eine der schlechtesten Straßen im Landkreis“, schilderte Schliephake.

Ein klares Zeichen zum Erhalt der Schule in Calvörde habe die Gemeinde mit der Aufnahme eines Kredites zur Dach- und Fenstererneuerung gesetzt. „Förderanträge für die Sekundarschule sind leider bisher ins Leere gelaufen“, kritisierte der Gemeindechef. Er appellierte, den Abend zu nutzen, um gemeinsam mit den Kommunalpolitikern Visionen für Calvörde zu entwickeln.

Bereit für den Blick in die Zukunft zeigte sich Thomas Webel (CDU), Minister für Landesentwicklung und Verkehr in Sachsen-Anhalt. „Gerade im ländlichen Bereich müssen wir etwas für die Infrastruktur tun. Wir haben in den letzten Jahren einiges auf den Weg gebracht. 2018 haben wir die Strecke nach Jeseritz ausgebaut. Wir werden in diesem Jahr die L 24 zwischen Bülstringen und Wieglitz sanieren. Und auch die Strecke von Calvörde nach Wegenstedt wird gemacht“, versicherte Webel.

Wenn die Straßen in einem guten Zustand sind, komme – nach den Erfahrungen von Webel – gleich der Ruf nach Radwegen. Die Mittel seien nicht ausreichend, schließlich gäbe es über 4000 Kilometer Landesstraßen in Sachsen-Anhalt. „Wir haben einen Reparaturstau bei Landesstraßen von 350 Millionen Euro. Wir haben es mit dem Koalitionsvertrag geschafft, die jährlichen Mittel für Radwege von einer Million auf knapp sieben Millionen zu erhöhen. Aber für einen Kilometer Radweg braucht man zwischen 350.000 bis zu 500.000 Euro“, schilderte der Minister.

Er betonte, dass engagierte Bürger vor Ort nötig seien, um Visionen zu realisieren. Webel wies auf die Wahlen, die am 26. Mai stattfinden, hin und appellierte: „Demokratie lebt vom Mitmachen!“

Ganz nach seinem Namensvetter Martin Luther „Tritt forsch auf, mach‘s Maul auf, hör bald auf!“ versprach Börde-Landrat Martin Stichnoth (CDU), seine Rede kurz und knackig zu halten. Stichnoth ging auf Schliephakes Wünsche ein und erklärte: „Es ist immer die Frage, wofür geben wir unser Geld aus. Auch ich habe da ein Stück hartes Brett vor mir, wenn ich sehe, dass wir an unseren Landkreisschulen ein 90-Millionen-Defizit haben, die wir in den nächsten Jahren investieren müssen", so der Landrat.

"In unsere Kreisstraßen müssen wir 50 Millionen investieren. Das müssen wir gemeinsam machen. Dafür brauche auch ich einen starken Kreistag – dafür brauchen Ihre Bürgermeister starke Gemeinderäte. Wir brauchen Leute, mit denen wir gemeinsam ein Konzept erarbeiten können, um zum Beispiel den Sekundarschul-standort Calvörde sicherzustellen“, sagte der Landrat. Auch er appellierte, wählen zu gehen.

Die vorherigen Reden der Politiker waren – nach dem Empfinden des Kabarettisten – die „Vorband“ zu seinem finalen Liedbeitrag. Er prophezeite, dass der ausgediente Supermarkt, in dem der Empfang stattfand, nach dem Einbau von Fenstern zum Palast der Republik werden könnte. „Nach über 28 Jahren Einheit sind wir im Osten schon wieder einem Neidfaktor ausgesetzt. Wir haben neue Straßen, modernste Telekommunikationseinrichtungen und pro zehn Einwohner ein Spaßbad. Es gibt hingegen mittlerweile Regionen in Westdeutschland, da könnte man ganz locker einen Heimatfilm über die DDR drehen“, feixte der Kabarettist.

Er blickte auf ein märchenhaftes Jahr 2019: „Sachsen-Anhalt, Magdeburg, Calvörde und – da war doch noch ein Ort mit Trinken – Du(o)rst.“ Das Land sei wunderschön und das allergrößte Dornröschen. „Sachsen-Anhalt muss man küssen, ja dann wacht es endlich auf. Also spitzen wir die Lippen zum finalen Rettungskuss“, sang Hengstmann voller Emotionen und das Publikum wippte fröhlich im Takt mit.