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Oldtimer Tollkühne Männer in nostalgischen Kisten

Erstaunte Blicke von Passanten ziehen vier tollkühne Herren, drei Oldtimer und 272 Jahre Automobilgeschichte bei einer Tour auf sich.

Von Anett Roisch 10.09.2016, 01:01

Flechtingen l Sie sind auf der Durchreise – Mathias Schramm, Dirk Pudack, Werner Plock und Manfred Ulbricht. Die vier Oldtimerfreunde legen, bevor sie in Letzlingen ihr Nachtlager aufsuchen, noch vor der Kirche in Flechtingen einen Zwischenstopp ein und machen gleich neben dem Wasserschloss eine Kaffeepause. Das geschieht natürlich ganz in Ruhe und ohne Stress – passend zu ihren nostalgischen Schmuckstücken.

Die vier Männer unternehmen – einfach nur zum Spaß – eine Tour durch mehrere Bundesländer. Außerdem seien – nach Ansicht der vier Experten – die Oldtimer viel zu schade, um nur in der Garage zu verstauben. Ihre Liebe zu den alten Autos hat sie zusammen geführt.

Das älteste Modell ist ein Ford Tin Lizzie vom Baujahr 1914. Das Modell, das auch liebevoll Blechliesel genannt wird, steuert der 79-jährige Manfred Ulbricht. „Es ist das erste Auto, das in Fließbandarbeit hergestellt wurde“, erklärt Ulbricht. Zwischen 1908 und 1927 wurden in den Vereinigten Staaten 15 Millionen gebaut. Heute existieren noch etwa ein Prozent aller gefertigten Exemplare. Beifahrer ist der 76-jährige Kfz-Meister Werner Plock, der die Kurbel zum Start bedient. „Dieser Motor sieht noch aus wie ein Motor. Das Auto riecht auch noch nach einem Auto und nicht nach Kunststoff“, beschreibt Plock und schwärmt: „Der Klang ist wie Musik in unseren Ohren.“

Ein Navigationssystem haben die Männer in ihren Fahrzeugen auch nicht. „Doch!“, sagt Manfred Ulbricht und verrät: „Mein Navi heißt Werner.“ Ulbricht gibt seinem Beifahrer die Landkarte und fordert ihn auf: „Such mal schon die Straße nach Letzlingen raus!“ Plock entgegnet: „Hoffentlich ist die Karte noch nicht ganz so alt wie das Auto.“ Die beiden Männer verstehen sich und haben Spaß. „Schließlich haben wir 30 Jahre beim Mineralölkonzern Esso zusammen gearbeitet“, erklären sie. Am Lenkrad vom zweiten Auto – einem Ford Modell A vom Baujahr 1931 – sitzt Dirk Pudack, der aus Marlo bei Rostock kommt und ursprünglich den Beruf des Landmaschinenschlossers erlernt hat. Sein Oldtimer verbrachte die meiste Zeit seines Fahrzeuglebens in Argentinien bis ihn Pudack vor neun Jahren nach Deutschland holte. Hier hat ihn der Ingenieur, der bei Airbus in Hamburg arbeitet, wieder zusammengeschraubt und restauriert.

Der Ford Modell A war der Nachfolger des 18 Jahre lang verkauften Modells T und wurde auch in Europa, Südamerika und in Lizenz in der Sowjetunion produziert. Das Modell A war in vier Standardfarben, aber nicht in Schwarz lieferbar. Hingegen waren aus fertigungstechnischen Gründen die Kotflügel stets schwarz lackiert. „Obwohl Welten zwischen einem modernen Flugzeug und einem alten Auto liegen, ist Dirk derjenige von uns, der das meiste Fachwissen besitzt“, gestehen seine Freunde, die von seinen Kenntnissen profitieren und gern seine Ratschläge annehmen.

Die schwarze Limousine von Mathias Schramm aus Schleswig Holstein ist eine Buick vom Baujahr 1931. Buick ist eine Automarke des US-amerikanischen Automobilkonzerns General Motors, dessen Fahrzeuge in den USA, China, Südkorea und in Deutschland produziert werden. Schramm, der ehemalige Berufsschullehrer, holte das Auto vor eineinhalb Jahren aus Chicago und richtete es so wieder her, dass es den deutschen Normen entspricht und als historisches Fahrzeug zugelassen werden konnte. „Es ist das typische Auto der Mafiabosse“, sagt er schmunzelnd. Wie viele Autos es von diesem Typ in Deutschland gibt, wisse er nicht. Diese Autos seien hierzulande sehr selten. Wo die Männer mit den historischen Kisten auftauchen, wird gestaunt. „Die Leute, denen wir bisher begegneten, waren sehr freundlich. Natürlich fragen sie uns aus. Das ist völlig in Ordnung“, sagt das Quartett. Wohin es im nächsten Jahr geht, steht noch nicht fest. Aber auf jeden Fall werden sie die Motoren für eine Tour anschmeißen“, so Schramm, schaute aus dem offenen Fenster vom Buick und winkt zum Abschied.