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Ordnungsamt Viel Ärger um ein Knöllchen

Ärger mit dem Ordnungsamt Haldensleben hat Werner Keil. Der 94-Jährige war beim Einkaufen gestürzt. In dieser Zeit lief seine Parkuhr ab.

Von Julia Irrling 28.07.2018, 01:01

Haldensleben l „Ich habe so dumme Antworten vom Ordnungsamt bekommen, das möchte ich nicht auf mir sitzen lassen“, sagt Werner Keil und breitet sämtliche Atteste, Bescheide und Notizen auf dem Wohnzimmertisch vor sich aus. Anfang Mai war er mit seinem Auto zum Einkaufen gefahren und hatte an der Kulturfabrik geparkt – wie vorgeschrieben mit Parkuhr. „Nach dem Einkauf ging ich ums Auto herum. Dabei bin ich gestolpert und gestürzt“, erzählt Werner Keil. Er fiel auf sein rechtes Knie und schlug mit der Stirn auf den Boden auf. „Ich habe stark geblutet“, erinnert er sich.

Weil ihm niemand geholfen habe, machte sich der 94-Jährige allein auf ins gegenüberliegende Medi-Center. Ein Arzt dort erkannte die Notsituation und konnte die Blutung stoppen. Da Werner Keil Blutverdünner nehmen muss, könne ihm schon eine einfache Schürfwunde gefährlich werden, erzählt der Senior.

Anschließend wurde er zum Röntgen seines Knies geschickt. „Ich war so zittrig vor Schmerzen und Aufregung, dass die Schwestern mich untergehakt und zum Röntgen gebracht haben.“ Auch dies geschah gleich im Medi-Center.

Nach gut zwei Stunden ärztlicher Behandlung kehrte er zum Auto zurück – und fand ein Knöllchen hinter seinem Scheibenwischer. Denn Werner Keil hatte inzwischen seine zweistündige freie Parkzeit überschritten. Der Parkplatz ist zwar in Privatbesitz, die Einhaltung der Parkzeit aber wird vom Ordnungsamt der Stadt Haldensleben kontrolliert.

Mit Mühe und Not sei Keil mit seinem Auto die kurze Wegstrecke dann nach Hause gefahren. Ein paar Tage später aber musste der 94-Jährige dennoch ins Krankenhaus: das Hämatom an seinem Knie wurde operativ entlastet. Bis heute schmerzt das Knie. „Ich bekomme es nicht richtig gebeugt“, so Werner Keil.

Mittlerweile hatte er Post vom Haldensleber Ordnungsamt bekommen. 10 Euro sollte er zahlen – weil die Parkuhr abgelaufen war. Werner Keil telefonierte deshalb ein paar Mal mit Mitarbeitern des Ordnungsamts, um ihnen die Umstände zu erklären, weshalb er die Parkzeit überschritten habe.

Nach seinen Angaben hätten die Mitarbeiter der Stadt jedoch seinen Sturz zu einer Lappalie heruntergespielt.

Auch habe der Senior einige Male versucht, mit der stellvertrenden Bürgermeisterin über die Angelegenheit zu sprechen. Erfolglos – er sei immer wieder an das Ordnungsamt zurück verwiesen worden. „Es geht mir nicht mehr um die 10 Euro, sondern um die Art und Weise, wie ich dort behandelt wurde“, empört sich Werner Keil. „Man sagte mir, andere mit einem Arzttermin müssten auch ihr Bußgeld bezahlen. Aber ich hatte keinen Termin, sondern einen Unfall.“

Für die Stadtverwaltung Haldensleben stellt sich der Fall gänzlich anders dar. „Herr Keil schildert den Fall jetzt so, als ob ein lebensbedrohlicher Zustand beziehungsweise Notfall bestanden habe. In diesem Fall wäre der Bürger mit hoher Wahrscheinlichkeit wohl gar nicht mehr in der Lage gewesen, mit seinem Auto nach der Behandlung nach Hause zu fahren beziehungsweise die behandelnden Ärzte hätten nachdrücklich davon abgeraten“, teilt Stadtpressesprecher Lutz Zimmermann auf Volksstimme-Nachfrage mit.

Wenn er selbst nicht mehr in der Lage gewesen wäre, das Auto nach Hause zu fahren und hätte abgeholt werden müssen, wäre der Fall auch anders zu betrachten gewesen, so Zimmermann weiter. „Jedoch gab der Bürger in einem Telefonat mit der Bußgeldstelle an, dass nach einer Erstbehandlung durch eine Allgemeinmedizinerin die Gefahr durch die Blutung gebannt gewesen sei. Dies war noch im Zeitraum des zulässigen Parkens. Anschließend sei er zur Diagnostik seines schmerzenden Knies zu einer weiteren Praxis gegangen. Dort wurde das Knie geröntgt. Es wurde explizit im Telefonat darauf eingegangen, dass Herr Keil vor seiner Weiterbehandlung sein Fahrzeug hätte umparken können. Im Übrigen bestreiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachdrücklich die Darstellung, sie hätten die Verletzung als Lappalie abgewertet“, erklärt der Pressesprecher.

In Einzelfällen, so räumt er ein, könne von der Verwarnung abgesehen werden, die notwendigen Bedingungen hierfür seien aber im Fall von Werner Keil nicht erfüllt gewesen. Er hätte stattdessen die Verwarnung noch einmal prüfen lassen und dann Einspruch gegen den Bußgeldbescheid erheben können.

Für Werner Keil ist dies keine Option mehr. Seine Familie hat das Verwarngeld bereits beglichen.