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Schafsrisse Wolf beißt zum fünften Mal zu

Erneut sind in Uthmöden Schafe der Familie Kruse vom Wolf gerissen worden. Dieses Mal erwischte es zehn Lämmer.

Von Jens Kusian 03.01.2017, 19:49

Uthmöden l Torsten und Christian Kruse haben den Kanal gestrichen voll. Zum fünften Mal sind ihre Schafe von Wölfen gerissen worden. In der Nacht zum Dienstag sind knapp 200 Meter vom Ortsrand entfernt zehn Lämmer getötet und mehrere schwer verletzt worden. Erst im November und Dezember hatte der Wolf unter seinen Tieren zugeschlagen. „Nun hat er sich richtig ausgetobt“, meint Torsten Kruse angesichts der zum Teil regelrecht ausgeweideten Kadaver. Für seinen Sohn Christian steht aber auch fest: „Das war kein einzelnes Tier.“

Der Fahrer eines Streufahrzeuges habe am frühen Morgen den Vorfall beobachtet und die Polizei informiert, weil einige Schafe in panischer Angst auf der Straße liefen, während die Wölfe noch unter den Lämmern wüteten. Die Polizei hatte dann versucht, die Herde in Schach zu halten und eine Radlerin nach dem zuständigen Schäfer befragt. „Das war meine Nachbarin. Sie hat mich dann um 4.30 Uhr rausgeklingelt“, erzählt Torsten Kruse.

Auf der Weide bot sich ihm und seinem Sohn ein Bild des Schreckens. Zehn tote und acht schwerverletzte Tiere fanden die beiden Schäfer vor. Die übrigen liefen panisch in der Gegend umher. Bis zum Nachmittag hatten die beiden Schäfer zu tun, die verängstigten Lämmer einzufangen und in den Stall zu bringen. Doch beim Durchzählen erfolgt das böse Erwachen. „Es fehlen mindestens 15 Tiere“, stellt Christian Kruse fest. Ein weiteres schwerverletztes Lamm hatte ein Uthmödener auf seinem Hof entdeckt. „Es muss wohl vor Angst dorthin geflüchtet sein“, meint Christian Kruse.

Den schwerverletzten Tieren gibt er kaum eine Überlebenschance. „Die müssen wir wohl einschläfern lassen“, sagt er. „Der Wolf hat ihnen die Kehle durchgebissen. Auch wenn er die Halsschlagader nicht erwischt hat, so können die Tiere doch nicht mehr fressen“, ergänzt Torsten Kruse.

Ausgerechnet die 170 Lämmer hatte er nicht von seinen Kaukasischen Hütehunden bewachen lassen. Die schützen die beiden Herden mit den Muttertieren. Er hat zwar noch einen weiteren Hund, aber der sei noch zu unerfahren, sagt Torsten Kruse. Solch ein junger Hund sei bei dem Wolfsriss im November ums Leben gekommen, wurde dabei vermutlich von den panischen Schafen totgetreten. „Deshalb habe ich die Lämmer bis 200 Meter ans Dorf herangeholt. Ich habe gedacht, dort wären sie sicher.“ Ein fataler Irrtum.

In der kommenden Woche hätten die Lämmer geschlachtet werden sollen. Jetzt müssen die Kruses einen finanziellen Tiefschlag einstecken. „Ein Lamm hätte 120 Euro gebracht“, erklärt Torsten Kruse. Neben den toten und verletzten Tieren sorgen nun auch die Lämmer, die überlebt haben, für einen Verdienstausfall. „Sie waren noch nie in einem Stall. Außerdem sind sie so verängstigt, dass sie wohl die nächsten drei Tage auch nicht fressen werden, was bedeutet, dass sie an Gewicht verlieren.“

Mittlerweile ist Kruse drauf und dran, die Flinte ins Korn zu werfen. „Ich mache jetzt noch die Lammzeit fertig. Wenn sich dann nichts ändert, ist Schluss, dann höre ich auf. Das halten wir nervlich nicht mehr durch“, meint der Schäfer. Zumal er nicht alle seine Schafe in den Stall bringen kann. „Für 1200 Tiere fehlt mir einfach das Futter. Deshalb bleiben die Tiere draußen.“

Er wünscht sich mehr Unterstützung von der Politik, fühlt sich im Stich gelassen. „Kein Mensch macht was, alle lassen uns voll hängen“, ist Torsten Kruse sauer. „Wenn in Niedersachsen so etwas passiert, dann kommt der Ministerpräsident raus und schaut sich das Drama vor Ort an. Wir bekommen noch nicht einmal einen Anruf.“ Und auf die Entschädigungszahlung für den ersten Wolfsriss im März vergangenen Jahres wartet er noch immer.

Inzwischen haben die Kruses ihre Zäune auf 1,20 Meter aufgestockt, sie mit GPS und Wildkamera ausgestattet. „Mehr geht nicht“, weiß auch Sachsen-Anhalts Wolfsexperte Andreas Berbig. Er ist inzwischen fast schon ein Dauergast bei den Kruses, denn er begutachtet die Wolfsrisse. „Schäfer Kruse hat zauntechnisch das Ende der Fahnenstange erreicht. Höher geht es nun einmal nicht, das wäre auch gar nicht mehr zu händeln“, so Berbig weiter.

Er weiß aber auch, dass Wölfe gelehrige Tiere sind. „Wenn sie erst einmal wissen, wie sie über einen Zaun drüber kommen, dann machen sie es immer wieder.“ Trotzdem sieht Berbig den Zaun derzeit als einzig probates Mittel und rät auch Tierbesitzern innerhalb von Ortschaften dazu. „Der Wolf ist nicht mehr so scheu wie vor einigen Jahren. Er bewegt sich nachts durchaus auch in den Orten“, so Berbigs Erfahrungen. Angst um sein Leben müsse aber niemand haben, Menschen würden die grauen Jäger nicht anfallen.

Eine Bejagung des Wolfs lehnt der Experte derzeit aber ab, obwohl auch er nicht daran zweifelt, dass der jüngste Riss auf das Konto des Wolfs geht. „Wir wissen ja nicht, ob es immer dasselbe Tier ist, das die Schafe reißt“, meint er. „Ich verstehe ja den Ärger. Aber erstmal sollte versucht werden, sich mit konventionellen Mitteln zu schützen“, rät Andreas Berbig. Das haben die Kruses getan – erfolglos.