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Selbstbestimmung Wenn Träume Wirklichkeit werden

Den freischaffenden Künstler Jonathan Miehe aus Haldensleben zieht es im umgebauten Transporter nach Portugal.

Von Alexander Rekow 23.09.2016, 17:35

Haldensleben l „Hier möchte ich aber keinen Kaffee trinken“, sagt Jonathan Miehe, als er mit seinem orangefarbenden Transporter Baujahr 1986 den Markt in Haldensleben befährt. Nach einer kurzen Begrüßung geht es an die Außengrenze von Haldensleben, hier findet Miehe einen für sich geeigneten Platz zum Plaudern. Auf einer Wiese neben der Ohre hält er seinen Transporter an, öffnet das Rolltor zu seinem fahrenden Zuhause und baut Tisch, Stuhl und einen Gaskocher auf. „Hier ist es doch gleich viel schöner“, gerät er ins Schwärmen. Wenige Minuten später serviert er einen original marokkanischen Kardamom-Kaffee, den er von einer Freundin mitgebracht bekam.

Im kommenden Monat zieht es den gelernten Erzieher weg aus Haldensleben, denn er hat einiges vor. „Ich will in Richtung Portugal fahren, hier ist es mir im Winter zu kalt“, sagt Miehe. Kein Wunder, denn der freischaffende Künstler wohnt in seinem auffälligen Transporter, den er sich in diesem Sommer gekauft hat. „Zuhause ist immer da, wo mein Transporter steht, ich muss nur anhalten, wo es mir gefällt“, schwärmt der Haldensleber. Aber nicht nur der Winter in unseren Breitengraden macht Miehe zu schaffen, vielmehr hat es auch ethische Gründe, die ihn beschäftigen. „Die Hetze gegen Flüchtlinge nervt mich in Deutschland“, erläutert der Künstler. „Selbst die normalen Menschen beteiligen sich mittlerweile daran, dabei geht es uns doch eigentlich allen ziemlich gut“, zeigt er sich verwundert. „Die meisten Menschen sehen die schönen Dinge im Leben nicht mehr, sie streben nur nach Arbeit und Wohlstand“, meint Jonathan Miehe.

Sein Streben geht gen Selbstbestimmung, ohne Wohlstand, denn so kann er sich und seine Träume verwirklichen. „Ich bin jung und möchte schöne Dinge erleben, ohne Verpflichtungen“, sagt Miehe, der lieber reist, statt sich auf einen Standort festzulegen. Aber selbst wenn der Künstler einmal massive Wände um sich benötigt, stellt ihn das vor keine Probleme.

„Egal wo ich hinfahre, ich habe auch überall Freunde und Bekannte, dort kann ich duschen oder Wäsche waschen“, freut er sich. Ansonsten nutzt er die Flüsse und Seen, die ihm auf seinen Wegen begegnen. Auch sonst hat der Künstler immer einen großen Kanister Wasser für das Nötigste dabei.

Da Jonathan Miehe sich bereits einiges angespart hat, machen die Finanzen ihm keine Sorgen. Schließlich braucht er auch keine Miete bezahlen. „Wenn ich doch Mal etwas brauche, kann ich auf Festivals arbeiten oder meinen Schmuck verkaufen“, zeigt er sich zuversichtlich. Geld vom Amt bekommt er nicht und seinen Krankenkassenbeitrag zahlt er selbst.

Nun gilt es für den 24-Jährigen, seine Reise anzugehen. „Ich werde als Erstes nach Frankreich und von dort nach Spanien fahren“, blickt Miehe voraus und fügt an, dass gerade die Kultur der Katalanen ihn besonders reize.

Wenn er dort genug gesehen hat, geht es für den Hobbymusiker, der immer zwei Gitarren dabei hat, „runter in die Algarve“, die südlichste Region Portugals. Dort wird er den Winter verbringen.

Aber auch für seine Rückkehr nach Deutschland hat der Lebenskünstler schon Pläne. „Wenn ich wieder hier bin, mache ich erstmal einen Lkw-Führerschein in Haldensleben“, weiß Miehe schon heute. „Ich möchte einen großen Lastkraftwagen oder Bauwagen kaufen und umbauen, dann habe ich mehr Platz“. Platz für sich und sein selbstbestimmtes Leben. Auch arbeiten möchte der Haldensleber wieder, dann aber vermutlich in der Altmark oder im niedersächsischen Wendland.