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Stiftungsfest Wolf schwört Besserung und darf mitfeiern

Menschen mit geistiger Behinderung wohnen in der Evangelischen Stiftung Neinstedt in Calvörde. Zur weihnachtsparty kam ein Puppentheater.

Von Anett Roisch 17.12.2018, 00:01

Calvörde l Große Spannung und freudige Erwartung liegen in der Luft. Im Dachgeschoss vom Haus Bonin wird schon vorzeitig Weihnachten gefeiert. Grund dafür ist, dass einige der Menschen mit geistiger Behinderung, die in den Häusern der Evangelischen Stiftung Neinstedt in Calvörde und in Etingen wohnen, bei ihren Familien die Feiertage verbringen und trotzdem auch mit ihren Mitbewohnern das schönste Fest des Jahres erleben wollen.

„Wir kommen seit über zehn Jahren sehr gern in die Einrichtung, denn unser Sohn Jörg soll irgendwann auch hier leben“, sagt Adelheit Sindermann. „Ich bin auch schon mit den Bewohnern in den Urlaub gefahren“, erzählt Jörg Sindermann.

„Die Kaffeetassen sind noch nicht mal vom Tisch geräumt, da pocht es an der Tür. Helle Aufregung herrscht. Der bärtige Gast muss sich nicht lange vorstellen. Eigentlich hat der Weihnachtsmann seinen Hauptwohnsitz am Nordpool. In der Adventszeit bezieht er meist seine Außenstelle im Drömling, um von dort aus gemeinsam mit den ehrenamtlichen Naturschutzhelfern und Rangern seinen Weihnachtszauber zu verbreiten. Und weil einige Bewohner vom Mariannenhof in Etingen auch zu den Naturschützern gehören und es einen Kooperationsvertrag gibt, ist es Ehrensache, dass der Rotkittel seine Freunde beschenkt. Die Gäste sind begeistert. „Es ist für mich herzergreifend, dass alle Bewohner ein Gedicht aufsagen oder ein Lied singen“, flüstert Michael Lange, Teamleiter vom Bereich Calvörde-Etingen. Er ist bei der Party als Discjockey auch für die passende Weihnachtsmucke verantwortlich und bedankt sich bei allen Freunden und Unterstützern der Einrichtung. Jeder bekommt Schokolade als Belohnung. Zum Abschied singen alle „Stille Nacht, heilige Nacht“. Sogar der Rotkittel stimmt brummend mit ein. Er scheint ein Rocker zu sein, denn seine Arme und Beine wippen rhythmisch mit.

Kaum ist der weltberühmte Stargast von der Bühne, schon öffnet sich der geheimnisvolle Koffer von Peggy Helmecke vom Figurentheater Per Plex. Frau Plex ist auch nicht zum ersten Mal im Haus Bonin. Die Bewohner wissen, jetzt wird es magisch schön. Im Gepäck hat die Märchenerzählerin, die als Mutter von Rotkäppchen in Erscheinung tritt, nicht nur das Mädchen mit der roten Kappe und die Großmutter, sondern auch den bösen Wolf. Der hat nur Fressen im Sinn. Wie es sich für ein Perplex Märchen gehört, geht es ziemlich verrückt zu. Die Großmutter vergisst andauernd ihr Gebiss in den Mund zu tun. Das Publikum spielt mit. Als der Graupelz – ganz nach der Grimmschen Vorlage – die Oma und auch das Rotkäppchen auffrisst, rufen die Zuschauer die Mutter vom Rotkäppchen zur Hilfe. Sie schneidet dem Fresssack den Bauch auf. „Mach einen Kaiserschnitt“, rät ein junger Mann aus der ersten Reihe. Guter Tipp, es hat funktioniert. Doch was wird aus dem Wolf? Töten? Nein, der Bösewicht schwört Besserung und gesteht, dass er immer noch Hunger hat. Die Bewohner laden ihn zum Kuchenessen ein, schließlich ist noch etwas übrig.

Am liebsten wäre der Wolf im Haus Bonin geblieben. Auch an den Weihnachtstagen, an denen vor allem die älteren Bewohner, die keine Angehörigen mehr haben und deshalb in der Einrichtung bleiben, gibt es nämlich ein Festtagsessen. Frau Plex erklärt, dass der Wolf mit muss, denn der zottige Geselle spielt auch bei den sieben Geißlein die Hauptrolle. Die Märchenerzählerin verspricht, mit einem neuen Stück wieder zu kommen.