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Störche Per Drahtesel Adebar auf der Spur

Kaum irgendwo in Deutschland leben ähnlich viele Störche wie im Drömling. Dort brütet ab April fast in jedem Dorf ein Paar.

Von Anett Roisch 09.07.2016, 01:01

Mannhausen l „Wir haben in der Region Störche, die Westzieher und auch welche, die Ostzieher sind. Damit kommen die ersten Störche bereits im Februar an, besetzen die Nistgebiete und die letzten Störche kommen erst Mitte Mai“, sagte Sender. Nach seinen Ausführungen brauchen die Störche aus Südafrika natürlich viel länger, weil sie die drei- bis vierfach längere Strecke zurücklegen, als die Westzieher, die teilweise schon in Spanien überwintern. „Deshalb haben wir Störche, die noch brüten und zum Beispiel Adebars in Mieste mit Jungtieren, die ihre ersten Flugversuche starten. Wir haben auch Paare, die aus Ost- und Westzieher bestehen“, weiß der Storchenexperte. Das mache die Sache interessant. Deshalb gäbe es auch viele Streitigkeiten und Kämpfe um die Reviere. „Die Störche suchen sich immer das beste Revier aus. Früher hat man immer angenommen, dass die Störche standorttreu und partnertreu sind, aber das ist nicht so. Die Bücher müssen alle neu geschrieben werden“, sagte der Ranger schmunzelnd. Durch neue wissenschaftliche Methoden, dass man zum Beispiel den Störchen Datenlogger, die Bewegungen der Vögel aufzeichnen, auf dem Rücker gebunden hat, wissen die Forscher, wo die Störche überwintern und mit welchem Partner sie sich paaren. Sender gestand, dass er selbst vor zehn Jahren noch ganz anders über das Verhalten der Störche gedacht habe. Das Logger-Programm für die Störche im Drömling habe den Zweck herauszubekommen, ob das genetisch vorbelastet ist, dass Störche die Ost- oder die Westroute fliegen. „Da wir Ost-West-Paare haben, müssten die Jungen ja gar nicht wissen, wo sie lang fliegen sollen. Aber jetzt wissen wir, dass sich die Jungstörche zu kleinen Trupps zusammenschließen und dass sich ein erfahrener Storch als Kopf vor die Truppe der Jungstörche setzt und ihm die anderen folgen“, schilderte Sender.

„Kann ich auch noch mitfahren?“, fragte Walter Quatz am Start in Mannhausen und bat die Radler, auf ihn zu warten. Kurzentschlossen holte der Mannhäuser seinen Drahtesel aus der Garage. In der Wartezeit erzählte Sender von einem Storch, der in Mannhausen sich in der Nähe des Horstes in einem Fenster eines Hauses spiegelte und versuchte den vermeintlichen Rivalen zu vertreiben. Die Familie hatte schulpflichtige Kinder, die der Storch jeden Morgen um 4 Uhr weckte, weil er in der ersten Etage im Fensterbrett stand und mit dem Schnabel gegen die Scheibe stieß. Die Scheu vor dem Menschen würden die Adebars oft verlieren, wenn sie zwischenzeitlich in menschlicher Obhut groß gezogen werden. Deshalb gebe es auch Störche, die furchtlos über die Dorfstraßen stolzieren.

Wenn ein Paar vier oder fünf Eier legt, schlüpfen die ersten zwei Küken und Tage später erst die anderen. „In den ersten Tagen seines Lebens verdoppelt der Jungstorch schon sein Körpergewicht. Nach drei Tagen haben die beiden ersten schon größere Körpermasse und die Frischgeschlüpften sind viel kleiner. Der Altstorch kann die Beute nicht zerteilen. Er schluckt sie runter und würgt sie im Nest wieder aus. Alle Jungstörche stürzen sich drauf. Da haben die Küken, die zuerst geschlüpft sind, den körperlichen Vorteil. Finden die Altstörche genügend Nahrung, sind die größeren Jungtiere satt und auch die kleineren kommen dann zu ihrem Recht. Haben wir in der Anfangsphase der Jungenaufzucht – wie es auch in diesem Jahr war – eine trockene Periode, dann besteht ein Nahrungsengpass“, beschrieb Sender. Dann kann es so weit kommen, dass der jüngste aus dem Nest geschmissen wird. „Oder was ich selbst schon beobachtet habe, dass der Jungstorch von den Eltern aufgefressen wird. Das mag aus menschlicher Sicht ganz schrecklich klingen, aber in der Natur wird keine Nahrung vergeudet“, weiß der Storchenexperte.

Hauptgefahren für die Störche in Europa sind die Stromleitungen. „Bei uns in Deutschland ist die Gesetzgebung so, dass die Stromunternehmer verpflichtet sind, die Masten vogelgerecht herzurichten. Da wurde in den letzten Jahren viel gemacht. Wir stehen in Kontakt mit der Avacon und sprechen ab, welche Masten mit bestimmten Vorrichtungen versehen werden müssen“, berichtete Sender.

In Rätzlingen ist es in diesem Jahr passiert, dass die Störche vom Jahr zuvor dort wieder gebrütet haben. Dann sind fremde Störche gekommen und wollten das Nest erobern. Ein Weibchen ist bei den Kämpfen in den Strommast gekommen und tödlich verendet. Im Nest waren vier Junge, die etwa 14 Tage alt waren. In den ersten drei Wochen der Jungenaufzucht hält immer ein Partner Wache, weil sonst Greifvögel oder Krähen kommen und das Nest ausräumen würden. Der überlebende Storch allein hätte die Jungen nicht groß ziehen können. „Wir haben die Jungen kurzzeitig nach Loburg zur Pflege gegeben und haben sie dann nach 14 Tagen zurückgeholt und in Kunrau ins Nest gesetzt. Das hat wunderbar geklappt“, erklärte er.

Abseits viel befahrener Straßen und hektischer Städte konnten Naturfreunde bei dieser Tour Störche in freier Wildbahn an acht von insgesamt 46 Brutplätzen beobachten, malerische Dörfer erkunden und die Faszination des Drömlings erleben.