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Tunnelbau Die Bahn stellt sich quer

Die Bahn lehnt es ab, den geplanten Tunnel unter dem Bahnübergang Hagenstraße in Haldensleben zu planen, zu projektieren und zu bauen.

Von Jens Kusian 19.07.2016, 01:01

Haldensleben l Die Deutsche Bahn, genauer gesagt, deren Tochterunternehmen DB Netz AG, lehnt es ab, die Planungs- und Projektleitung für die geplante Eisenbahnunterführung in der Hagenstraße zu übernehmen. Die Stadt Haldensleben hatte das Eisenbahninfrastrukturunternehmen, das rund 87,5 Prozent des deutschen Schienennetzes betreibt, um die Übernahme gebeten. „Unser Bauamt wäre damit logistisch und personell überfordert“, begründet Holger Waldmann, Haldenslebens amtierender Bauamtsleiter, den Wunsch der Stadt.

Deshalb sei der Versuch gestartet worden, das Projekt an die DB Netz AG abzugeben. „Die DB Netz kann eigene Genehmigungsverfahren besser steuern. Schließlich ist sie ja Eigentümerin der Gleisanlagen“, argumentiert Waldmann. „Und“, so fügt er hinzu, „es gibt Präzedenzfälle, bei denen die Bahn die Federführung einer solchen Baumaßnahme übernommen hat.“

Ein solcher Fall ist beispielsweise Oschersleben. Auch dort besteht eine Kreuzungsvereinbarung zwischen dem Bund, vertreten durch die Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt, der Stadt Oschersleben sowie der Deutsche Bahn AG, um drei Bahnübergänge innerhalb von Oschersleben zu beseitigen. Für 13 Millionen Euro lässt die Bahn in der Schermcker Straße eine neue Unterführung bauen, die Arbeiten dazu sind bereits angelaufen.

Für Haldensleben beruft sich die Bahn indes sich auf die Eisenbahnkreuzungsvereinbarung aus dem Jahr 2006. „Darin ist vereinbart, dass die Stadt Haldensleben alleiniger Vorhabenträger ist und die Gesamtmaßnahme plant und baut“, teilt Erika Poschke-Frost, Pressesprecherin der Deutschen Bahn, auf Volksstimme-Nachfrage mit. „Zum Aufweitungsverlangen der Stadt – neu auch für Kfz-Verkehr, ursprünglich nur laut Kreuzungsvereinbarung Rad- und Fußweg-Verkehr – soll eine separate Vereinbarung zwischen Stadt und DB Netz AG geschlossen werden“, so die Pressesprecherin weiter. Sie stellt aber auch klipp und klar fest: „Vorhabenträger bleibt die Stadt.“

Auch das Landesverkehrsministerium hat Haldensleben bei dem Versuch unterstützt, die Bahn für den Tunnelbau mit ins Boot zu holen. So hatte sich Minister Thomas Webel bereits am 20. April schriftlich an den Konzernbevollmächtigten für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der Deutsche Bahn AG, Eckart Fricke, gewandt und ihn um Unterstützung gebeten. „Daraufhin hat es die DB AG abgelehnt, die Federführung für diese bauliche Umsetzung der Maßnahme zu übernehmen“, sagt Peter Mennicke, Pressesprecher des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr Sachsen-Anhalt.

„Vor allem im Hinblick darauf, dass es sich hier um ein sehr komplexes Vorhaben handelt, auf das die Fachverwaltung der Stadt Haldensleben gar nicht ausgerichtet ist und bei dem eine Vielzahl bahnseitiger Belange im unmittelbaren Bahnhofsbereich zu berücksichtigen sind, vertritt Minister Webel nach wie vor die Auffassung, dass die Federführung für die Baudurchführung nicht der Kommune überlassen werden kann“, führt Mennicke weiter aus.

Daher hatte sich Webel noch einmal an die Bahn gewandt und gebeten, die Entscheidung zu überdenken. Der Gesprächstermin mit Fricke am 30. Juni verlief ergebnislos. „Die DB bleibt bei ihrer Haltung und lehnt es ab, die Federführung für die bauliche Umsetzung der Maßnahme zu übernehmen“, erklärt Peter Mennicke. Die Bahn würde sich dabei auf knappe personelle Ressourcen berufen, weil sie sich gegenüber dem Bund verpflichtet hat, bis zum Jahr 2019 insgesamt 875 Brücken zu erneuern. Das binde verstärkt Personal.

Der Stadt selbst hat die DB Netz AG ihre Entscheidung offiziell überhaupt nicht mitgeteilt. Die Verwaltung sei lediglich von einem Mitarbeiter des Verkehrsministeriums darüber informiert worden, erklärt Stadt-Pressesprecher Andreas Radeck dazu.

Das Tunnelbau-Vorhaben in Haldensleben steht im direkten Zusammenhang mit der Ortsumgehung B245n, die den Verkehr künftig südlich an der Kreisstadt vorbeiführen soll. Dazu wurde im Jahr 2006 eine Eisenbahnkreuzungsvereinbarung (EBKV) zwischen der Stadt Haldensleben, der DB Netz AG und der Straßenbauverwaltung von Bund und Land Sachsen-Anhalt geschlossen. Die sieht vor, dass nach dem Neubau der Umgehungsstraße die drei Bahnübergänge Althaldensleber Straße, Töberheide und Hagenstraße geschlossen werden.

Für den Bahnübergang Althaldensleber Straße ist keine direkte Alternative geplant. Der Übergang in der Töberheide soll eine Brücke für Fußgänger und Radfahrer bekommen. Für dieses Vorhaben liegt bereits das Baurecht vor.

Um die Stadt mit der Schließung des Bahnübergangs Hagenstraße nicht vollends zu teilen, ist im Rahmen der EBKV eine Tunnellösung für die Hagenstraße vorgesehen. Ursprünglich wäre diese Unterführung lediglich von Fußgängern, Radfahrern und Rettungsfahrzeugen benutzbar gewesen. Während des Planfeststellungsverfahrens gab es jedoch zahlreiche Einwände von Haldenslebern: Die geplante Tunnelvariante würde mit dem Ausschluss des Pkw-Verkehrs erhebliche Nachteile für die Einwohner, Geschäftsleute und Besucher der Stadt mit sich bringen.

Aus diesem Grund hat die Stadt die Planung dahingehend geändert, dass der Tunnel auch für Pkw befahrbar sein soll. Diese Änderung wurde mit dem Bund und dem Land sowie mit der Bahn abgestimmt, alle Beteiligten hatten keine Bedenken gegen diese Änderung geäußert.

Auf dieser Grundlage hat Haldensleben bereits seine „Hausaufgaben“ erledigt. „Wir haben für den Tunnel den Status der Entwurfsplanung“, macht Holger Waldmann deutlich. Zudem seien in Vorbereitung der Tunnelbaumaßnahme bereits die Schmutzwasserleitungen vom Abwasserverband „Untere Ohre“ Haldensleben im Bereich des Bahnübergangs Hagenstraße umverlegt worden. „Das geschah beim Ausbau der Hafenstraße“, erklärt der Bauamtsleiter.

Ebenso gibt es laut Waldmann ein Baugrundgutachten aus dem Jahr 2000, das als Grundlage für die Entwurfsplanung diente. „Das Gutachten bezieht sich zwar auf die kleine Tunnelvariante, aber das ist nicht schlimm. Der Baugrund ist ja derselbe“, meint er. Damit liegen aus seiner Sicht alle Angaben, die für die Tunnelplanung entscheidend sind, vor.

Das Gesamtprojekt Ortsumgehung Haldensleben B245n sieht Holger Waldmann trotz der Haltung der Bahn aber nicht in Gefahr. Er rechnet damit, dass die Fortschreibung der Eisenbahnkreuzungsvereinbarung Ende 2016 unter Dach und Fach sei. Auch was das Planfeststellungsverfahren für die Umgehungsstraße selbst angehe, ist er optimistisch. Wegen einer Betriebserweiterung von IFA Rotorion war der Trassenverlauf noch einmal geändert worden. Dafür war auch eine weitere Umweltverträglichkeitsstudie nötig. „Unser Ziel ist es, dass diese Studie Ende August vorliegt, so dass im September die Unterlagen beim Landesverwaltungsamt als Planfeststellungskommissar eingereicht werden können. Anschließend kann die öffentliche Auslegung der überarbeiteten Planung mit der neuen Trassenführung erfolgen“, rechnet Waldmann.