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Umweltschutz Stirbt die Natur an der Ruine?

Wird die Natur an der Ruine Nordhusen bewusst zerstört? Das behaupten einige Hundisburger.

Von Juliane Just 12.10.2020, 01:01

Hundisburg l „Hier wird nichts erhalten, nur kaputt gemacht“, sagt der Hundisburger Hans-Georg Kitter. Er beobachte seit Jahren, wie die Pflanzen- und Tierwelt rund um die Ruine Nordhusen immer ärmer wird. Zu ihm gesellen sich zwei weitere Anwohner, die sich um die Grünflächen sorgen. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen.

„Die Pflege rund um die Ruine ist seit Jahren umstritten“, bestätigt Jörg Brämer von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Börde. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Naturschutzbundes Barleben (Nabu). Das historische Ensemble aus Kirchruine und Steinbruch an der Beber zeugt von einem einstigen mittelalterlichen Dorf namens Nordhusen. In den 1990er Jahren wurde die Kirchruine saniert und das Gebiet touristisch erschlossen.

Einer, der sich jahrelang mit der Geschichte des Ortes auseinandergesetzt hat, ist Ulrich Hauer. In seiner Funktion als Museumsleiter hatte er mit der geschichtlichen Erforschung zu tun. Als Bürgermeister Hundisburgs brachte er die touristische Erschließung des Areals auf den Weg. Inzwischen ist der gebürtige Hundisburger im Ruhestand und pflegt seither die Fläche rund um die Ruine, die in der Kritik steht.

Es war im Jahr 2013 als Ulrich Hauer aktiv wurde. „Das Gebiet war durch die zunehmende Verbuschung kaum noch zugänglich. Die Hohlwege als ein weiteres Relikt des einstigen Dorfes für den Kulturtourismus drohten, verloren zu gehen“, erinnert sich Ulrich Hauer. Er wendete sich damals an die Stadt und den Landkreis mit mehreren Vorschlägen, wie man das Areal aufwerten und künftig pflegen könnte.

Dazu gehörte zum einen die Entbuschung des Areals. Außerdem schlug Ulrich Hauer vor, dass Schafe die Talhänge regelmäßig beweiden. Die bewachsenen Hänge als artenreiche Biotope sind besonders im Fokus des Naturschutzes. „Bereits früher wurde an der Ruine Hutehaltung betrieben. Wir nehmen also historische Arbeitsweisen wieder auf“, erklärt Hauer. Der Schäfer Thomas Schäfer bewirtschaftet seither mit seinen Schafen das Gebiet. Die abgeweideten Flächen mäht Ulrich Hauer auf Eigeninitiative nach. „Die Vegetation pendelt sich durch die Schafbeweidung langsam wieder ein“, sagt er.

Doch die Schafe führen laut den Hundisburgern zum Sterben vieler Tier- und Pflanzenarten. Seit der Beweidung gebe es keine Kiebitze, Lerchen, Rebhühner oder Fasane mehr. Viele Büsche wie Weißdorn, Rotdorn oder Hagenbutten seien entfernt worden, die jedoch den Vögel Unterschlupf als auch Nahrung bieten würden. Die Fläche rund um die Ruine seit „tot“, die Hänge von den Schafen „zugeschissen“, so Kitter.

„Es gab damals eine lange Diskussion, was mit der Fläche passieren soll. Wir haben versucht, Kulturlandschaft und Naturschutz in Einklang zu bringen“, erklärt Jörg Brämer. Man habe sich für diese Variante entschieden und wolle nun nicht aller zwei Jahre neu darüber diskutieren. „Irgendjemand stört sich sicher immer an etwas“, sagt er. Ulrich Hauer fügt an: „Es gibt auch viele Hundisburger, die hier mit anpacken und gut finden, was wir hier tun.“ Die Pläne seien damals im Ortschaftsrat besprochen worden, da habe es keine Kritik an dem Vorhaben gegeben.

Außerdem sei die Landschaft, so wie sie jetzt aussieht, vor etwa 1000 Jahren ähnlich bewachsen gewesen, sagt Hauer. Es gibt historische Bilder, die zeigen, dass die Ruine auch in der Geschichte nicht von einer üppigen Pflanzenwelt umgeben war. Das kam nur zustande, weil das Gebiet nach 1990 sich selbst überlassen wurde.

Hans-Georg Kitter kritisiert auch die damalige Sanierung der Ruine. Man habe Rüstlöcher, jene viereckigen Aussparungen in der Fassade, zugebaut. Das habe zur Folge, dass Dohlen, die einst dort nisteten, inzwischen gänzlich verschwunden seien. Lediglich der Turmfalke habe sich davon nicht stören lassen.

„Das stimmt nicht. Die Rüstlöcher sind offen“, sagt Jörg Brämer. Warum die Dohlen nicht mehr dort nisten, könnte nur vermutet werden. Doch es könnte durchaus sein, dass die Vögel von einem Wanderfalken-Paar vertrieben wurden, das sich erst später in der Ruine einnistete. „Außerdem ist das Areal kein Vogelschutzgebiet, sondern ein Flora-Fauna-Habitat“, so Brämer. Entgegen der Behaupten haben sich beispielsweise der Biber seit 2018 mit mehreren Dämmen angesiedelt. Zudem sei der Reiher nun in diesem Gebiet ansässig, obwohl er vorher noch nie dort nachgewiesen wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt seitens der Hundisburger ist die Verschlammung des Teiches, der fernab des Radweges hinter der Ruine liegt. Durch die herabfallenden Blätter habe sich Schlamm gebildet, der dem Gewässer wiederum den Sauerstoff entzieht. Hans-Georg Kitter beschreibt, dort sei „alles verwest“, der Teich ist ausgetrocknet. Deswegen seien sämtliche Fische gestorben, es gebe keine Karpfen oder Weißfische mehr. Auch die Teichmuscheln seien gänzlich verschwunden.

Jörg Brämer entgegnet, dass es sich hierbei um ein künstliches Biotop und ein temporärer Gewässer handelt. „Wir haben die Anregung aufgenommen und überlegt, ob man das Gewässer vertiefen kann“, sagt er. Doch bis aufs Grundwasser zu graben, sei sehr kostenintensiv. „Nach drei trockenen Sommern sind viele Teiche ausgetrocknet. Auch das ist also ein natürlicher Verlauf bei einem künstlichen Gewässer“, so Brämer.

Ulrich Hauer ärgert sich über die ständige Kritik an seinem Projekt. „Ich bin hier in Hundisburg aufgewachsen und mache das alles ehrenamtlich, weil es mir Spaß macht“, sagt er. Er wollte das Gebiet rund um die Ruine nicht zerstören – im Gegenteil.