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Vorwürfe Ex-Ratsherr will Wendler absetzen lassen

Der ehemalige Stadtrat Ralf W. Neuzerling erhebt schwere Vorwürfe gegen Haldenslebens stellvertretende Bürgermeisterin Sabine Wendler.

Von André Ziegenmeyer 07.09.2019, 01:01

Haldensleben l Das dreiseitige Schreiben von Ralf W. Neuzerling hat es in sich: Von „schuldhaftem Fehlverhalten“ ist die Rede. Sabine Wendler habe ihre „originären Aufgaben sträflich vernachlässigt“. Durch ihre Doppelfunktion als Kämmerin und stellvertretende Bürgermeisterin sei sie überfordert. „Von ordentlicher und gewissenhafter Ausführung ihrer Arbeitsaufgaben kann schon lange nicht mehr die Rede sein“, so Neuzerling. Die Haushalte der Stadt seien „zusammengestoppelt“. Es sei ihr nicht gelungen, die doppelte Haushaltsführung (Doppik) umzusetzen. Zahlreiche Jahresabschlüsse würden ausstehen. In der Summe schreibt Ralf W. Neuzerling von einem „vollkommenen Versagen“.

Ausgaben seien nicht ordentlich überprüft worden. „Letztlich liegt auch die Bearbeitung der Auftragsvergaben im Argen“, heißt es in dem Schreiben. Als Beispiel nennt Neuzerling Schloss Hundisburg. Dazu schreibt er: „Mehrere Anfragen unserer Fraktion ergaben beispielsweise die Mitteilung, dass die Ausgaben im Schloss Hundisburg sich der Überprüfung entziehen, da das Geld an einen Verein fließe und dessen Finanzen von der Stadt nicht überprüft werden können (...). All diese Dinge sind schon immer moniert worden, aber mit radikaler Unterdrückung durch CDU, Linke und SPD im Stadtrat durchgesetzt worden.“

Laut Ralf W. Neuzerling habe Sabine Wendler „Starallüren“ entwickelt und einen Kontrollverlust erlitten. Er selbst habe sie mehrfach aufgefordert, ihr Amt als stellvertretende Bürgermeisterin niederzulegen. Dem sei sie nicht nachgekommen. Stattdessen habe sie einen „erhöhten Aufwendungssatz für doppelte Tätigkeit“ gefordert. Ob sie ihr Amt als Wahlleiterin gewissenhaft ausgeübt habe, sei fraglich, immerhin gebe es eine Beschwerde. Aber: „Es ist nicht Aufgabe des Unterzeichners diese Dinge alle aufzuarbeiten, sondern Aufgabe des neuen Stadtrates, eine Grundlage zu schaffen für eine ordentliche Arbeit und einen Neuanfang“, schreibt Neuzerling.

Laut Antrag sei es unerlässlich, Sabine Wendler als amtierende Bürgermeisterin abzuberufen. Der Rat solle den Landkreis ersuchen, die Amtsgeschäfte zu übernehmen und eine geeignete Person einzusetzen. „Mit sofortiger Wirkung“ solle Wendler von allen Aufgaben entbunden und wegen „Verdunkelungsgefahr“ vom Dienst freigestellt werden. Ihre Bezüge seien auf 30 Prozent zu kürzen. Außerdem solle der Rat die Kommunalaufsicht des Landkreises beauftragen, einen Ermittlungsführer einzusetzen. Der solle Untersuchungen anstellen und bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen ein Disziplinarverfahren einleiten sowie eine Strafanzeige beziehungsweise einen Strafantrag auf den Weg bringen.

Datiert ist das Schreiben auf den 26. Juni. Da lag die letzte Stadtratssitzung der vergangenen Legislaturperiode knapp drei Wochen zurück. Zwei Wochen später konstituierte sich der neu gewählte Stadtrat. Diesem gehört Ralf W. Neuzerling nicht mehr an. Zuvor hatte er für die FDP in dem Gremium gesessen und zur Fraktion „Die Fraktion“ gehört. In seinem Schreiben forderte Ralf W. Neuzerling, eine außerordentliche Sitzung anzuberaumen. Stattdessen stand das Thema am Donnerstag auf der Tagesordnung des Hauptausschusses.

Zu den Vorwürfen gibt es eine schriftliche Stellungnahme von Sabine Wendler. Darin weist sie die Vorhaltungen entschieden zurück. Das Schreiben sei „Teil einer gegen mich geführten Verleumdungskampagne, mit der der Versuch unternommen wird, das Ansehen meiner Person nachhaltig zu untergraben“, so die stellvertretende Bürgermeisterin.

Die Stadt habe die doppelte Haushaltsführung zum 1. Januar 2008 eingeführt - und damit weit vor der gesetzlichen Frist. Tatsächlich sei die Stadt sogar Pilotanwender einer entsprechenden Software gewesen. Das habe allerdings zu Problemen geführt. Daten wurden laut Wendler durch das Programm fehlerhaft übernommen. Das bedeutete Schwierigkeiten bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz. Umfangreiche manuelle Korrekturen seien nötig gewesen. Erst am 30. August 2012 konnte dem Rat die geprüfte Eröffnungsbilanz vorgelegt werden. An den Jahresabschlüssen werde gearbeitet. Für 2012 und 2013 seien die Dokumente fertig. Sie müssten noch durch das Rechnungsprüfungsamt geprüft werden.

Die Eingemeindung der Gemeinde Süplingen habe weitere Herausforderungen gebracht. „In der Gemeinde lagen keinerlei buchhalterische Unterlagen vor, die eine Übernahme dieser Gemeinde in das Buchwerk der Stadt Haldensleben ermöglicht hätten“, führt Sabine Wendler aus. „Die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2013 der Gemeinde Süplingen wurde uns erst am 5. Juni 2018 übergeben. Die Jahresrechnung per 31. Dezember 2013 haben wir am 3. Juni 2019 erhalten und soll dem Stadtrat zur Beschlussfassung am 28. November 2019 vorgestellt werden.“ Zu anderen Punkten schreibt Wendler: „Im Übrigen scheint Herr Neuzerling auch in seinen Anfeindungen unter anderem im Zusammenhang mit Schloss Hundisburg und dem Innovationszentrum die bestehende Aufgabenverteilung in der Stadtverwaltung aus den Augen verloren zu haben. Zur Erinnerung: Auftragserteilung und Rechnungsprüfung liegen nach bestehender Aufgabenverteilung nicht im Zuständigkeitsbereich der Kämmerei.“

Ihre Vergütung richte sich nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Die Stellungnahme endet mit den Worten: „Ich gebe abschließend meiner Hoffnung Ausdruck, dass dieser sehr fadenscheinige Versuch nicht den gewünschten Erfolg haben wird.“

Nach der Sitzung des Hauptausschusses zu schließen, scheint das der Fall zu sein. Dort fanden die Anträge von Ralf W. Neuzerling keinen einzigen Unterstützer. Es gab nicht einmal eine Diskussion. Stattdessen wurde die Abwahl Wendlers mit sieben Neinstimmen bei acht anwesenden Mitgliedern abgelehnt. Bodo Zeymer (Grüne) beteiligte sich nicht an der Abstimmung.

Darüber hinaus ist ein Disziplinarverfahren gegen Sabine Wendler offenbar nicht möglich. Darauf hat die Stadtverwaltung bereits in der Beschlussvorlage hingewiesen. Der Grund: Wendler ist keine Beamtin, sondern Tarifbeschäftigte. Auf diese findet das Disziplinargesetz keine Anwendung. Stattdessen gelten der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst sowie entsprechende arbeitsrechtliche Gesetze.

Einstimmig votierten die Mitglieder des Hauptausschusses dafür, dass die sofortige Entbindung Wendlers von ihren Aufgaben und die Kürzung der Bezüge nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates fallen. Denn der sei nicht ihr Dienstvorgesetzter. Im Rahmen seiner Hauptsatzung habe das Gremium bei der Einstellung und Entlassung von Beschäftigten unter Umständen eine gewisse Entscheidungskompetenz. Das sei aber nicht beantragt worden.

Bei der Stadtratssitzung am Donnerstag, 12. September, steht das Thema erneut auf der Tagesordnung. Dann ist mit einem abschließenden Beschluss zu rechnen.