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Wölfe Zobbenitzer haben Angst um ihre Kinder

Der Wolf ist in der Colbitz-Letzlinger Heide wieder heimisch geworden. Das sorgt für Angst in Zobbenitz und den benachbarten Orten.

Von Anett Roisch 04.04.2017, 01:01

Zobbenitz l Deutschland ist wieder Wolfsland. 150 Jahre nach ihrer Ausrottung leben die Raubtiere wieder bei uns. Während die meisten Menschen den Wolf nur aus dem Märchen kennen, häufen sich im Besonderen in den Orten am Rand der Colbitz-Letzlinger Heide und im Drömling reale Begegnungen. „Es gibt in Zobbenitz viele besorgte Eltern. Das habe ich in mehreren Gesprächen festgestellt. Es gibt immer mehr Leute, die sich mit dem Thema auseinander setzen müssen. Der Wolf ist mittlerweile so präsent, dass er in der Region alle zwei oder drei Tage gesehen wird. Schon viele Weidetiere wurden vom Wolf getötet. Das ruft eine Situation hervor, bei der sich keiner so richtig wohl fühlt“, schilderte Stefan Harbke aus Zobbenitz. Der Familienvater hatte zu einem Treff auf den Zobbenitzer Reitplatz eingeladen, um auf die Ängste der Bewohner aufmerksam zu machen. „Wenn vonseiten der Politik nichts passiert und die Weidetierhalter zu unrecht abgespeist werden, müssen wir zeigen, dass wir auch noch da sind. Wir – die besorgten Bürger – wollen der Landes- und der Bundesregierung zeigen, dass wir diejenigen sind, die unseren Volksvertretern unsere Stimme geben und deshalb auch erwarten, dass unsere Belange und Befürchtungen ernst genommen werden“, sagte Harbke.

Franziska Brandt ist eine der besorgten Mütter aus Zobbenitz. Sie berichtete: „Wir haben unseren Kindern das Spielen außerhalb des Ortes verboten. Wir haben Angst um unsere Kinder.“

Harbke appellierte: „Es kann nicht sein, dass der Wolf uns unserer Freiheit beraubt. Wir fordern, den Wolf in Reservate oder Tierparks zu halten, so dass er eine Daseinsberechtigung hat.“ Linda Büttner aus Uthmöden erzählte: „Unsere Tochter geht in Satuelle in den Waldkindergarten. Wir wollten, dass dort im Wald ein Zaun gezogen wird. Es heißt vom Träger der Einrichtung, dass sich dann die Kinder nicht mehr so entfalten könnten. Aber die Angst ist da, dass doch mal ein Wolf über ein Kind herfällt. Und dann ist es zu spät“, sagte Linda Büttner. Die junge Mutter hat dabei die Bilder von gerissenen Schafen im Kopf. „Mein Mann ist Christian Kruse, der Schäfer in Uthmöden. Über 20 Schafe hat der Wolf auf unserer Weide schon gerissen“, erklärte sie. Ihre dreijährige Tochter Hanna erzählte: „Der Wolf hat bei uns schon Schafe geklaut. Ich habe Angst vor dem Wolf.“

Neben den besorgten Eltern und Großeltern waren auch einige Landwirte anwesend. „Es ist unser eigenes Land, wo unsere Kuh drauf steht. Da kommt der Wolf und frisst einfach unsere Kuh auf. In welchem Land gibt es so etwas?“, fragte Lutz Kulina aus Solpke. Der Landwirt meinte, dass diese Probleme in der Öffentlichkeit runter gespielt werden. „Neun Angriffe von Wölfen auf Menschen gab es bisher in Europa. Da wird überhaupt nicht drüber gesprochen. Es werden immer mehr Wölfe, da muss man langsam Angst bekommen“, ergänzte Landwirt Jürgen Germer aus Piplockenburg. Er habe in den letzten Jahren schon 14 Kälber an Gevatter Wolf verloren. „Das ist eine Katastrophe. Wir können nicht den ganzen Drömling mit einem zwei Meter hohen Maschendrahtzaun versehen. Erst wenn die Weidefläche eingezäunt ist, gibt es eventuell eine Entschädigung. Da muss eine Regelung her“, appellierte Germer. Sogar ein Wasserbüffelkalb, das erst ein Tag alt war, habe sich der Wolf – nach den Ausführungen von Germer – von der Wiese gleich neben seinem Gasthaus geholt. „Drei bis vier Kilogramm Fleisch braucht ein Wolf täglich“, weiß der Landwirt. „Zwei meiner Kälber hat der Wolf schon geholt. Irgendwann werde ich wohl morgens wach und alle meine Rinder wurden bis auf das Gerippe vom Wolf gefressen“, sagte Gerhard Steding aus Mieste mit ernstem Blick.

Sachsen-Anhalts Wolfsbeauftragter Andreas Berbig vom Wolfskompetenzzentrum in Iden sagte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass der Wolf – als großes gefährliches Raubtier – eine Menge Ängste und Vorurteile hervorbringt. Der Wolf ist kein Kuscheltier. Ich kann nicht sagen, dass nie ein Mensch zu Schaden kommen wird. Aber wir Menschen setzen uns regelmäßig Gefahren aus, über die wir gar nicht mehr nachdenken. Zum Beispiel fährt jeder nachts mit dem Auto und weiß, dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, einen Wildunfall zu haben. Aber dieses Risiko nimmt man so hin. Der Wolf ist jetzt etwas Neues. Den Wolf nimmt man nicht als ein natürliches Ereignis an. Wenn der Wolf längere Zeit Bestandteil unserer Heimat ist, wird sich die Situation beruhigen.“ Berbig blickte zurück: „Bisher hat es in Deutschland keinen einzigen Fall für eine ernsthafte Bedrohung für den Menschen gegeben.“

In Sachsen-Anhalt soll es laut Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt zwölf Wolfsrudel und ein territoriales Paar geben. „Wenn der Wolfsbestand sich weiter so entwickelt, wird irgendwann der Punkt kommen, an dem Fachleute sagen, dass der Wolf so einen stabilen Bestand hat, dass er in Deutschland nicht mehr gefährdet ist. Der Wolf ist nicht für alle Zeiten unjagbar. Aber dieser Punkt ist noch nicht gekommen“, so der Wolfsbeauftragte.

Die Wolfsbeauftragten, Andreas Berbig und Peter Oestreich, sind für Rissbegutachtungen und andere Fragen erreichbar unter Tel. 039390/6480(-6481) oder mobil unter 0162/3 13 39 49.