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Katastrophenhilfe „Erdbebenopfer“ auf Übungsplatz

Erdbeben, Fluten oder andere Katastrophen sorgten oft schon für zahlreiche Todesopfer. Um deren Bergung kümmert sich ein Verein.

Von Ingo Freihorst 22.09.2015, 01:01

Klietz l Der weltweit humanitär tätige Verein nennt sich „DeathCare Embalming-Team Deutschland“ – er hilft bei der Bergung, der Identifizierung, der Rekonstruktion sowie der Einbalsamierung der Todesopfer. Die Mitglieder verlangen für ihre Einsätze bis auf die Transportkosten kein Geld – und das macht diesen Verein einmalig in der Welt.

Um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, gibt es in unregelmäßigen Abständen Übungen – die jüngste hatte kürzlich auf dem Übungsplatz der Klietzer Bundeswehrkaserne stattgefunden. Die Unterkunft erfolgt spartanisch wie im Einsatzgebiet in eigenen Zelten – denn man will die anderen Helfer nicht noch zusätzlich belasten. Deshalb bringt der Verein auch seine Verpflegung mit: Tüten mit verschiedenen Gerichten, deren Inhalt nur mit kochendem Wasser aufgebrüht wird.

Auftakt der Übung war eine Schulung durch einen Arzt – denn die Vereinsmitglieder kümmern sich selbstverständlich auch um die Versorgung von Verletzten. Auch gab es eine Einweisung in den Sprechfunk. „Wir haben viele Neulinge dabei, diese wollen wir mit den Übungen für die Einsätze sensibilisieren“ erklärte der Sandauer Bestatter René Strawinski – er ist stellvertretender Vorsitzender und hatte die Übung in enger Zusammenarbeit mit der Bundeswehr vorbereitet. Insgesamt 19 Teilnehmer hatten sich auf dem Platz eingefunden, woraus zwei Teams gebildet wurden. Diese mussten ihre fiktiven „Einsatzgebiete“ mit Hilfe von Koordinaten finden, der Sandauer war Einsatzleiter und koordinierte alles.

„Im Einsatz gibt es auch einen Leiter vor Ort sowie einen in der Homebase in Deutschland“, berichtete der Bestatter. Seine Kollegen stellen denn auch das Gros der Vereinsmitglieder, mit dabei sind aber auch Forensiker und Mediziner. Und die Tanato-Praktiker – die Einbalsamierer. Diese müssen zum Beispiel hinzugezogen werden, wenn Verstorbene ins Heimatland überführt werden sollen – was in vielen warmen Ländern Vorschrift ist.

Beispielsweise in Thailand, wo der Verein zu Weihnachten 2004 nach dem verheerenden Tsunami mit immerhin 230 000 Toten gefragt war. Die feuchte Hitze machte die Opfer in nur wenigen Tagen unkenntlich, was die Identifizierung arg erschwerte. Dazu mussten denn oftmals Gewebeproben von den Toten entnommen werden, um deren DNA zu bestimmen und mit der von Verwandten abzugleichen.

Das ist eine Arbeit, mit der die normalen Helfer arg überstrapaziert wären. Bestatter sind jedoch fast täglich mit dem Tod konfrontiert – sie wissen mit diesem psychischen und physischen Ausnahmezustand besser umzugehen. „Bei solch einem Massenanfall von Verstorbenen sind die Helfer überfordert, wir entlasten sie“, berichtete Johann Homburg, ein Bestatter aus der Nähe von Stuttgart.

Zwei zeitnahe Katastrophen hatten 1999 den Anlass zur Vereinsgründung gegeben: Erst hatte es ein schweres Erdbeben in der Türkei mit hunderten von Toten gegeben, die Opfer lagen oftmals an der Straße, zum würdigen Begräbnis fehlte den Helfern einfach die Zeit. Nur vier Wochen später folgte ein weiteres Beben in Taiwan. Bei solchen Katastrophen müssen auch Brandopfer geborgen werden – wenn zum Beispiel Gasleitungen zerbersten.

Das Szenario auf dem Klietzer Übungsplatz war ein Erdbeben in Myanmar, etliche Statisten mimten Verletzte und Tote. Im Ernstfall würde Deutschland bei den Botschaften der Katastrophenländer anfragen, ob Hilfe erwünscht sei. Ist dann auch die Sicherheit vor Ort gewährleistet, reisen die Deutschen an, um die Opfer würdig zu bestatten.