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Deichbruch Szenarien dienen effektiverer Verteidigung

Seit Jahren werden Szenarien für mögliche Deichbrüche am Computer erarbeitet. Wie und warum dies erfolgt, war in Klietz zu erfahren.

Von Ingo Freihorst 25.11.2015, 00:01

Klietz l „Die Elbniederung im Landkreis Stendal – idyllisch schön und gefährdet?“ Unter diesem Motto stand der Vortrag von Stefan Müller, welcher kürzlich auf der Informationsveranstaltung der Hochwasserschutzinitiative im Klietzer „Seeblick“-Saal gehalten wurde. Die Hochschule Magdeburg-Stendal befasst sich im Auftrag des Landkreises bereits seit 2006 mit solch virtuellen Deichbruchszenarien.

Am 10. Juni 2013 wurde das fiktive Szenario in Fischbeck real. Diese Katastrophe bot – wenn auch ungewollt – Gelegenheit, das Computerszenario mit der Wirklichkeit abzugleichen. Somit konnten die Experten der Hochschule Schwächen der Simulation erkennen und in Zukunft beachten.

Die gemessenen Daten stellte den Fachleuten der Landesbetrieb für Hochwasserschutz zur Verfügung, diese wurden entsprechend aufgearbeitet. Genutzt wurden Satellitenfotos von der Ausbreitung der Wassermassen sowie die gemessenen Wasserspiegellagen.

Grundlage für die Szena­rien bilden digitale Höhenmodelle, die Genauigkeit liegt bei einem Quadratmeter. Doch ist diese schon recht hohe Genauigkeit immer noch nicht ausreichend, wie sich nach dem Fischbecker Deichbruch zeigte. Vor allem mit dem Engpass am Klietzer See hatte das Programm seine Probleme, es gab Abweichungen von immerhin bis zu 30 Zentimetern. Es zeigte sich aber auch, dass ansonsten bis zu 65 Stunden nach dem Ereignis eine recht hohe Übereinstimmung herrschte.

Es gab dank der Berechnung auch interessante Erkenntnisse: So schossen in der ersten Stunde nach dem Deichbruch pro Sekunde 750 Kubikmeter Wasser durch die 90 Meter lange Bresche ins Hinterland, dieses Volumen nahm danach allerdings stetig ab. Und das Kolk an der Bruchstelle war mit nur drei Metern Tiefe überraschend flach geblieben.

Für den Landkreis Stendal wurden insgesamt zehn Szenarien errechnet, fünf auf der linken und fünf auf der rechten Elbseite. So wurden unter anderem Deichbrüche bei Hämerten oder Osterholz im Westelbischen simuliert. Bräche der – eigentlich sehr sichere – Deich bei Hämerten, wäre nach 24 Stunden das Industriegebiet an der Heerener Straße von Stendal einen Meter hoch überflutet. Beim Osterholz-Szenario gelangten die Fachleute zu der Erkenntnis, dass der nördliche Teil der Wischeniederung von einem Deichbruch dort nicht betroffen wäre.

Solche Deichbruchszena­rien werden für außergewöhnliche Hochwasser-Ereignisse an zumeist auf historischen Erkenntnissen ausgewählten Schwerpunkten errechnet. Die Katastrophenschützer erfahren dadurch unter anderem, wie rasch und wohin sich die Wassermassen ausbreiten. So können Strategien zum vorbeugenden und operativen Hochwasserschutz erarbeitet werden. Oder wo man im Hinterland effektive Verteidigungslinien einrichten muss – und wieviel Zeit man dazu hätte.

Die Bruchgefahr sei dennoch äußerst minimal, denn sehr viele Kilometer Deiche haben 2013 gehalten, erklärte der Wasserwirtschaftler. Allein im Landkreis Stendal stehen insgesamt 408 Kilometer dieser Schutzwälle, davon 130 Kilometer an der Elbe und 41 Kilometer an der Havel. Die Polderdeiche im Kreis haben eine Gesamtlänge von 40 Kilometern.

Es gab eine weitere „Beruhigungspille“ vom Stendaler Wasserwirtschaftler: Noch mehr Wasser als 2013 kann in der Region kaum ankommen. Zudem scheint das Klima wieder trockener zu werden.