Countdown für die Freie Schule Kamern

Kamern l Das Erdgeschoss der einstigen Sekundarschule ist inzwischen im Rohbau fertig, Kabel für die Lampen hängen von der Decke, im Sanitärtrakt erkennt man schon, wo die Toiletten stehen werden. Die alten Heizungsradiatoren wurden aufgearbeitet und wieder installiert. Draußen auf dem Hof ist die Terrasse gepflastert.

Ein Raum hat in der einen Hälfte einen besonders starken Betonboden erhalten: Hier soll später eine tonnenschwere Druckmaschine stehen. Noch ist das Inventar der einstigen Leipziger Druckerei im Grünen Haus von Stefanie Wischer untergebracht, Manfred Gärtner hat es dem Verein „neugierig“ vermacht. Die künftigen Schüler können dann mit den Bleilettern arbeiten, die Buchstaben quasi „be-greifen“. Das soll sogar fächerübergreifend erfolgen, denkbar wäre auch die kunstvolle Gestaltung von Einbänden. Das künftige Päda­gogenteam um Schulleiterin Katharina Bensch aus Havelberg hat sogar schon eine Weiterbildung dazu besucht – unter anderem zum Buchbinden.

Diese Druckwerkstatt ist nur ein Bestandteil der künftigen Ausbildung. Fleißig gewerkelt wird auch im 7000 Qua­dratmeter großen Schulgarten samt Streuobst- und Schmetterlingswiese sowie Lehrbauernhof: Nancy Jagott und Sjabbe van der Weij bauen hier ein Gewächshaus auf. Gemeinsam mit den künftigen Schülern wollen sie ökologisch gärtnern, damit die Kinder lernen, wie natürliche Kreisläufe funktionieren. Verantwortung sollen die freien Schüler auch übernehmen, dazu gibt es im Tiergehege Hängebauchschweine, Schafe und Ziegen. Zudem lernen die Kinder, wie man Marmelade oder Käse herstellt.

Das alles ist durchaus gewollt, wie Katharina Bensch erklärt: „Wir wollen eine reformpädagogische Grundschule etablieren, mit fach- und altersübergreifendem Lernen, Projektarbeit sowie vielen Werkstätten.“ Gemäß dem berühmten Satz der Reformpäda­gogin Maria Montessori „Hilf mir, es selbst zu tun“, werden die Schüler an die selbstständige Arbeit herangeführt, lernen eigenverantwortlich und kompetent zu handeln. Entsprechend ist die Freiarbeit ein wichtiges Unterrichtselement.

Auch zur Druckwerkstatt findet sich ein Zitat: „Den Kindern das Wort geben“. Es stammt von der Reformpädagogin Célestin Freinet. Pflichtgefühl und Zuverlässigkeit erlernen die Kinder beim Umgang mit den Tieren. Diese sind aber auch wichtig für die Inklusion, denn Tiere helfen beim emotionalen Zugang zu Kindern mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen.

Das inklusive Konzept der Schule soll durch die Martin-Luther-Uni Halle-Wittenberg fachlich begleitet werden. Denn die Organisatoren der Freien Schule halten Inklusion durchaus für sinnvoll und notwendig – so sie denn richtig erfolgt. Entsprechend ist im Unterricht nicht nur der Lehrer, sondern auch ein Erzieher anwesend.

„Wir wollen keine Kinder, die schon nach dem ersten Schuljahr keine Lust mehr auf die Schule haben und die aufgrund des Leistungsdrucks Kopfschmerzen haben“, erklärt Stefanie Wischer vom Trägerverein „neugierig“. Sondern eigenständige Menschen mit guten fachlichen und sozialen Kompetenzen – weshalb auch die Demokratie- und Friedenserziehung sehr wichtig ist. Zensuren wird es an der Schule natürlich nicht geben.

Begonnen werden soll im kommenden Schuljahr – so denn die staatliche Behörde die Erlaubnis erteilt – mit einer jahrgangsübergreifenden Lerngruppe. Gefragt sind hierfür auch Zweitklässler oder Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Freuen würden sich die Organisatoren auch über Helfer beim Umbau, man kann aber auch Zeit oder Geld spenden. Später will die Schule zudem eng mit Firmen, Physiotherapeuten oder Logopäden zusammenarbeiten, auch werden noch Paten gesucht. Die Schule ist übrigens auch für Grundschullehrer offen, die hier frei arbeiten möchten.

Interessierte Eltern sind am Sonnabend, 27. Februar, um 10 Uhr zum Elternkreis an die Schule eingeladen. Die Einrichtung kann besichtigt werden und die Pädagogen beantworten Fragen.