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Chronik erstellt 1400 Seiten Jederitzer Dorfgeschichte

Ein Vierteljahrhundert Jederitzer Dorfgeschichte hat Volker Kunz in Dutzende A4-Hefte gebannt.

Von Andrea Schröder 25.05.2016, 01:01

Jederitz l Einst waren es die Bürgermeister in Jederitz, die die Geschichte des Ortes schriftlich festgehalten haben. Alfred Ramm war der letzte Ortschef, der die Ortschronik bis 1988 geführt hat. Danach war Pause. Volker Kunz, der 1998 das alte Fachwerkhaus am Dorfplatz kaufte und nach Abschluss erster umfangreicher Restaurierung mit seiner Frau Christine 2005 nach Jederitz gezogen war, interessierte sich für die Geschichte des Dorfes, das nun sein neues Zuhause war. Im Internet stieß er auf die erste urkundliche Erwähnung von Jederitz im Jahr 1508. Er recherchierte weiter, sprach mit Kirchenhistoriker Dr. Uwe Czubatynski und bald stand fest: Jederitz feiert 2008 sein 500-jähriges Jubiläum.

2006 gründete sich der Kultur- und Ortsverein. Bei Volker Kunz war die Neugier auf noch mehr Dorfgeschichte geweckt und er fasste den Entschluss, die Chronik fortzuschreiben und von der alten, die zum Teil in Sütterlinschrift verfasst war, ein Leseexemplar für das Dorfgemeinschafthaus anzufertigen. 1903 begannen die Aufzeichnungen.

Es dürften mindestens 7000 Zeitungen gewesen sein, die Volker Kunz in der Volksstimme-Redaktion durchblätterte und dabei nach allem suchte, was in der Zeit von 1988 bis 2005 an Artikeln zu finden war, die mit Jederitz zu tun hatten. „Es sind sehr viele, ich habe sie nicht gezählt.“ Er fotografierte sie ab und setzte sich zu Hause an den Rechner, um sie auf Word-Dokumente zu bringen.

Ab 2005 sammelte er als Abonnent die Zeitungsausschnitte. Bis zum Jahr 2013 sind es nun 40 A4-Hefte, die die Dorfgeschichte eines Vierteljahrhunderts dokumentieren. „2014 und 2015 habe ich aber auch schon fertig.“ Die „Jederitzer Bilderbögen“ sollen die Einwohner über das Geschehen im Ort informieren. Wer Interesse hat, kann sie sich jahrgangsweise ausleihen. Die Hefte des Jahres 2015 sind im Internet unter Havelberg.de Ortschaften zu finden.

Auch im Prignitz-Museum bei Antje Reichel und im Domstiftsarchiv Brandenburg bei Uwe Czubatynski sammelte Volker Kunz Wissenswertes zur Geschichte von Jederitz, das als Kapiteldorf „jederitze“ erstmals nachweislich schriftlich erwähnt wurde, als der Havelberger Bischof 1508 eine Sitzung auf der Plattenburg einberief, um die Provisionen der Kapiteldörfer neu zu regeln. „Das älteste erhaltene Kirchenbuch von Jederitz im Brandenburger Archiv ist von 1648. Bei einem Brand 1655 wurde alles vernichtet. In Jederitz gab es nur reetgedeckte Häuser.“

Dass die Ansiedlung Jederitz viel älter ist als 500 Jahre, beweisen diverse archäologische Funde. So zum Beispiel Pfeilspitzen aus der Altsteinzeit oder ein Urnenfriedhof aus der Bronzezeit vor 3500 Jahren, der beim Deichbau einen halben Meter unter dem Boden im feinsten Sand entdeckt worden war. Oder die Jederitzer Gürteldose und Gürtelkette ebenfalls aus der Bronzezeit, die 1912 beim Ausbaggern der Havel gefunden wurden und im Prignitz-Museum ausgestellt sind.

Soll er die Jederitzer Geschichtsschreibung schon 2500 vor Christi beginnen? „Ich will die Chronik auf jeden Fall mit allem auffüllen, was ich in Erfahrung bringen kann. Dazu gehört auch der Fund des alten Knüppeldamms, der 2011 beim Neubau unserer Dorfstraße rund anderthalb Meter unter dem heutigen Straßenniveau zum Vorschein kam. Vor dem alten Konsum wurden zudem Reste eines Brunnens gefunden, die aus dem Mittelalter stammen“, erzählt der 73-Jährige, der 2011 vom Ortschaftsrat einstimmig zum Ortschronisten gewählt worden war.

Doch zunächst lag das Hauptaugenmerk auf 25 Jahre jüngere Dorfgeschichte. 1400 Seiten sind in den 40 Heften 1988 bis 2013 enthalten. Einige Exemplare hat er zu Seniorennachmittagen schon mitgenommen. Sie wurden mit großem Interesse aufgenommen.

Ergänzungen sind jederzeit möglich. Mit Einwohnern und ehemaligen Jederitzern hat der gebürtige Ostpreuße, der viele Jahre im Westteil des geteilten Berlins lebte, darüber gesprochen, wie das Leben im Haveldorf zu DDR-Zeiten gewesen ist. Er fertigte einen Fragenkatalog an, um viele Fakten zu erfahren. „Ich habe auch tolle Unterlagen erhalten“, berichtet er. Wenn von Ur-Jederitzern die Rede ist, sind es nicht viele. Ende 1945 gab es mehr Flüchtlinge als Einwohner. Und als Anfang der 1950er Jahre die Zwangskollektivierung kam, verließen fast alle Bauern das Dorf.

Zur Geschichte des Dorfes gehört auch die des Kirchturmes und damit verbindet sich ein großer Wunsch von Volker Kunz. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges war Jederitz von Amerikanern beschossen worden. Ein kleiner Junge starb. Am alten Forsthaus sind heute noch die Einschläge der Granaten zu sehen. Der Bürgermeister hatte damals die Idee, den Kirchturm abzusprengen, damit die Soldaten kein Ziel mehr hatten. Doch das ging gehörig schief. Der 30 Meter hohe Glockenturm stürzte in die Kirche. Der Bürgermeister wurde abgesetzt und die Kirche 1947 repariert. Allerdings nur insoweit, dass der Kirchturmrest einen kleinen Holzaufbau erhielt. Die Pläne, die Ortschronist Kunz im Domstiftsarchiv fand, sahen anders aus. Sie sind in der Winterkirche in einer Dauerausstellung zu sehen. „Es wäre schön, wenn sich für die Realisierung eine Finanzierung finden ließe.“ Festgestellt hat er, dass Jederitz im Zuge der Dorferneuerung, die 1994 begann, unheimlich gewonnen hat. Heute hat der Ort rund 130 Einwohner. Schön findet Volker Kunz, der sich mit seiner Frau von Anfang an im Kultur- und Ortsverein engagiert und zeitweilig im Ortschaftsrat mitarbeitete, „dass viele heute nicht mehr wissen, wer von uns Ossi oder Wessi ist“.

Wer sich für die Jederitzer Chronik interessiert und „Muße zum Lesen hat, kann sich bei mir gern Exemplare abholen“, sagt Volker Kunz.