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Abschied Pferdelady dankt ihrer Marktfamilie

Nun ist die Zeit gekommen: Pferdelady Sigrid Wiedenhöft nimmt Abschied vom Havelberger Pferdemarkt.

Von Andrea Schröder 02.09.2017, 01:01

Havelberg l „Kein Gesicht hat den Havelberger Pferdemarkt so geprägt wie sie: Pferdelady Sigrid Wiedenhöft.“ Bürgermeister Bernd Poloski würdigt am Donnerstagnachmittag zum Start in Havelbergs fünfte Jahreszeit die Leistungen der Pferdeplatzchefin. 26 Jahre hat sie diesen Handelsplatz geprägt, „mit großer Hingabe und Engagement“. Er zitiert Karl Thiemke, der im vorigen Jahr für seine 50 Jahre auf dem Pferdehandelsplatz geehrt wurde. „Ich habe viel gesehen hier auf dem Markt, aber die hübscheste Stute ist unsere Siggi“, witzelte der Senior da und bedankte sich damit für die hervorragenden Bedingungen, die die Pferdelady, die gesamte Marktkeitung und all die anderen Beteiligten alle Jahre wieder schaffen.

„Meine liebe Pferdemarktfamilie, ihr seid in den 26 Jahren meine Familie, meine Freunde geworden“, sagt die sichtlich bewegte Pferdelady und schickt auch ein großes Dankeschön an ihre Familie, besonders ihren Mann und ihre Kinder, die den ganzen Pferdemarkttrubel über all die Jahre mit getragen haben. „Nur durch euch bin ich zu dem geworden, was ich heute bin.“ Auch ihrem Bruder Hartmut Fritze dankt sie, denn er hat ihr stets zur Seite gestanden, wenn es etwa darum ging, Stroh und Heu zu besorgen.

„Danke für 26 wunderschöne Jahre“, sagt der Bürgermeister, und auch, dass eine zweite Siggi nicht gefunden werden konnte. Aber mit Jens Fünfarek steht ihr jahrelanger Stellvertreter ab dem Pferdemarkt 2018 als Chef auf dem Pferdehandelsplatz bereit.

„Es war ein wunderschöner Tag“, blickt Siggi Wiedenhöft am Freitagvormittag zurück. „Vormittags hatte ich schon einen dicken Kloß im Hals, und immer, wenn mich einer darauf ansprach, merkte ich, wie die Tränen hochkamen. Ich konnte nichts essen und nichts trinken. Und kurz davor wurde ich immer zittriger. Das ist ein viertel Leben, da sind alle Gefühle hochgekommen“, beschreibt sie die Zeit bis zum Abschiednehmen. „Zum Glück gab es zuerst die zauberhafte Hochzeitszeremonie, ich stand nicht gleich im Mittelpunkt.“

Von einer überwältigenden Atmosphäre im Zelt spricht sie, von den vielen Menschen, die ihr viel Beifall schenkten. Der Bürgermeister fängt die ersten Tränen auf, als er sie umarmt. Mit ihrem Mann tanzt sie zur Musik des Sax‘n Anhalt Orchesters. Sie hat sich sehr gefreut über die Fotocollage. Vor allem über das Foto, das sie neben ihrem Vati Helmut Fritze auf der Kutsche zeigt. Viele Jahre hat er die Pferdelady zum Festzelt gefahren.

Den Namen Pferdelady gab ihr einst Michel. Der Junge war zwei, drei Jahre alt, als er mit seinem Vater auf den Pferdehandelsplatz kam. „Er war ein süßer Kerl und wir mochten uns beide sofort“, denkt Sigrid Wiedenhöft zurück. Michel konnte sich ihren Namen nicht merken und irgendwie kam die Verbindung zur wiederbelebten Dallas-Serie mit Sue Ellen auf. Die war eine Lady und Michel machte aus Siggi die Pferdelady.

 „Aber eine Lady bin ich nicht, höchstens am Eröffnungstag“, findet die Havelbergerin. Wenn sie da mit Bürgermeister und Marktmeister in zünftiger Tracht ins Bayernzelt einmarschiert ist, lenkte sie stets die Blicke auf sich. So hatte sie sich auch für ihren letzten Pferdemarkt als Platzchefin eine besonders fesche Kleidung ausgesucht. Ansonsten sind es vor allem Jeans, Stiefel, Bluse – je nach Witterung ein Mantel und die Stiefel aus Gummi – und natürlich ein Hut, die sie kleiden.

Ladyhafte Manieren hat die 64-Jährige schon gar nicht. Viele Markthändler kennt sie seit Jahren, stets sind die Begegnungen herzlich. Dabei sagt sie aber auch, was sie denkt und greift regelnd ein, wenn es erforderlich ist. Sie hat ihren Platz im Griff. Gemeinsam mit dem Team, zu dem Tierärzte, Kassierer und Ordnungsdienst gehören. „Wir sind Freunde, sie haben mich über viele Jahre begleitet.“ Darin einbezogen sind auch zum Beispiel die Akteure der Pferdeshows.

„Es ist komisch. Noch ist der Abschied nicht richtig bei mir angekommen. Aber ich habe schon Sachen an Jens abgegeben, damit er nicht ins kalte Wasser stürzt. Allerdings kennt er die Aufgaben hier sehr gut, ist von Anfang an dabei, weiß, was er zu tun hat.“ Bereits Ende der 1980er Jahre war der Schönhauser, damals noch als Student, auf dem Pferdemarkt eingesetzt. Siggi Wiedenhöft war im Wendejahr 1990 zum ersten Mal dienstlich auf dem Pferdemarkt tätig, als Kassiererin. Da war noch der Kreis Havelberg Veranstalter und es musste Eintritt bezahlt werden. 1991 übernahm die Stadt den Markt in ihre Regie. Der Bürgermeister fragte sie, ob sie den Pferdeplatz übernehmen würde. Als Bauerstochter, die mit Pferden groß geworden ist und zu DDR-Zeiten die Betriebssportgemeinschaft leitete, in der der Pferdesport die größte Abteilung war, war sie prädestiniert für diese Aufgabe. Sie sagte zu. „Allerdings wusste ich nicht, was mich erwartet.“ Alles war noch ungeordnet, jeder schlug sein Domizil da auf, wo er wollte. Ein Festzelt gab es nicht. „Es gab einen Tresen und es lief Musik, die haben von Donnerstag bis Sonntag gar nicht zugemacht.“

Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Einer steten Änderung ist auch die Zahl der aufgetriebenen Pferde unterworfen. Die Spitze wurde 1997 mit 1001 Pferden erreicht. Nach einer Flaute nach der Einführung des Equidenpasses hat sich die Zahl bei 400 bis 500 eingependelt.

Den Pferdemarkt 2018 besucht sie „nur noch als Privatperson. Und das jeden Tag. Ich werde meiner Freundin Marina Reinders im Bierwagen zur Seite stehen. Dann können alle zu mir kommen und wir können über alte Zeiten plaudern“.