1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Vor 80 Jahren siedelten 12 Familien bei Wust

Ausstellung Vor 80 Jahren siedelten 12 Familien bei Wust

Eine Ausstellung um Wuster Kornspeicher, der auch das Muuuhseum beherbergt, widmet sich der 80 Jahre alten Wuster Siedlung.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 02.05.2016, 18:17

Wust l Sechs Familien aus Baden und sechs aus dem Hannoverschen Raum siedeln 1936 auf dem bis dato als Schäferei dienenden Gelände zwei Kilometer von Wust entfernt. Sie beackern die umliegenden Felder, führen ein arbeitsreiches, bescheidenes Leben. Den Beschuss am letzten Kriegstag 7. Mai überleben alle in Scheunenkellern Schutz suchenden Siedler, wenn auch viele Gebäude stark beschädigt werden. 1953/54 flüchten etliche der Bauern in den Westen – vergessen haben sie die Siedlung aber nicht. So wie Sepp Herd, der jetzt bei Karlsruhe zu Hause ist. Ihm ist die umfangreiche Ausstellung zu verdanken.

Die Idee dazu hatte seine Schulfreundin Anne Kubon aus Wust. Sie hatte schon mal eine kleine Ausstellung zu 60 Jahre Siedlung erstellt. „Das könnte man jetzt wieder machen“, dachte sie sich und erzählte bei einem der Telefonate Sepp Herd davon und bat um Hilfe. Denn er hat für die eigene Familienchronik vieles zusammengetragen, in Archiven geforscht und kennt bestens die Geschichte der Siedlung. Er besitzt auch eine Menge Fotos. Einen großen Teil davon hatte sein Vater Erwin zum 50. Geburtstag von seinem Freund, dem Schönhauser Alwin Zinke, geschenkt bekommen. Auch wenn die Grenze die alten Freunde trennte, so blieb der Kontakt doch bestehen.

Sepp Herd, geboren in Tangermünde, verbrachte seine ersten zwölf Lebensjahre auf der Siedlung. Seine Eltern waren mit seinen großen Geschwistern 1936 aus der Nähe von Mannheim hierher gekommen, um als Bauern zu wirtschaften. Insgesamt waren es 12 Familien, die siedelten. Zur Vorgeschichte weiß Sepp Herd: Um die auf dem Wuster Gut lastenden Schulden zu tilgen, verkaufte Katharina Charlotte Meyer, verwitwete von Pilgrim, geb. Katte-Klützow, das Gut Steckelsdorf und im Rahmen des Osthilfeentschuldungsverfahrens noch rund 350 Hektar Land vom Rittergut in Wust für ein Anliegersiedlungsverfahren. Die Siedlungsgesellschaft Sachsenland in Halle erwirbt 1935 davon 115,36 Hektar. Im Rahmen dieses Entschuldungsverfahrens hat die Bauernhof-Siedlungsgesellschaft mbH Berlin-Wilmersdorf 1936 vom Rittergut Wust – Eigentümerin Katharina Meyer – eine Fläche von 250 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche übernommen. Mit der Umsetzung des Siedlungsverfahrens wird zügig begonnen. Neue Bauernhäuser werden auf der früheren Gutsschäferei errichtet. Im November 1936 trifft der erste Bauernhofsiedler, Richard Ahlfeld, ein. Noch vor Weihnachten kam der zweite Siedler, Johann Amtmann. Im März 1937 bezieht Erwin Herd aus Philippsburg in Baden mit Familie sein Haus. Ab 1937 gibt es elektrischen Strom und „in Anbetracht der weiten Entfernung zum Ort Wust ist die Errichtung und Übereignung eines Backhauses an die Gemeinde zur Befriedigung eines dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses der 12 Neubauernfamilien notwendig“, heißt es in der Chronik. Und in der Genthiner Zeitung steht am 4. Mai 1937: „Die Bauernsiedlungsstellen sind bis auf eine bezogen. Mit dem Eintreffen der letzten Siedlerfamilien hat sich die Kinderschar auf 46 erhöht, so dass sich das neue Siedlerdorf jetzt aus 70 Köpfen zusammensetzt.“

Sepp Herd erinnert sich an eine schöne Kindheit. Zur Schule nach Wust sind die vielen Siedlungs-Kinder gelaufen. Doch in einer Nacht- und Nebelaktion flüchten wie andere Familien auch die Herds am 14. November 1954 in den Westen. 1975 ist Sepp Herd das erste Mal wieder zu Besuch zurück. Viel hat sich nicht verändert, er findet viele Spuren der Vergangenheit. Das Dorf seiner Kindheit hat Sepp Herd nie vergessen – deshalb auch die Chronik.

Zusammengefasst ist das umfangreiche Werk für die Wuster Ausstellung auf zwei Tafeln. Eine weitere widmet sich dem Backhaus. Diese Tafel haben Anne Kubon und Sabine Stimming erstellt. Ebenfalls ihren Beitrag zur Ausstellung leisteten Hobbyfotograf Hartwin Ebel und Grafiker Gerhard Faller-Walzer vom Verein „Aus dem Dorf – für das Dorf“.

Zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag sind etliche der heutigen Siedlungsbewohner – insgesamt zehn bewohnte Häuser – gekommen, um zusammen mit angereisten „Ehemaligen“ in die Vergangenheit einzutauchen.

Bis zum Ende der Sommerschule im August ist die Ausstellung zu sehen. Und zwar immer, wenn der Speicher offen steht – beispielsweise am Wochenende, wenn sich auch das Muuuhseum öffnet. Über den Winter sind wieder neue Kuriositäten rund um die Kuh zusammengetragen worden.

Zum Saisonstart surrten zwei Spinnräder, Käse aus Drüsedau wurde verkauft, es gab Kaffee und Kuchen und Kinder konnten Stoffbeutel farbig gestalten.