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Auswandern Mit dem „Esel“ ab in den Süden

Den Traum vom Auswandern in den Süden erfüllen sich Ina und Meik Endres aus Schönhausen. Ihr neues Zuhause: 12 Quadratmeter im Wohnmobil.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 03.08.2017, 07:32

Schönhauser  Damm l Eigentlich hatten sie andere Pläne. Denn Anfang des Jahres übernahmen Ina und Meik Endres Borowskis Schreibwaren- und Bücherladen in Schönhausen. Bis dahin hatten sie sich mit Kanuverleih, Hundeschule, Fitnessstudio, Schmuckschmiede und mehr auf dem Schönhauser Damm versucht. Doch schnell merkten die beiden, dass der Laden doch „nicht ihr Ding“ ist, „wir wollen nicht mehr Hamsterrad laufen. Die Arbeit mit den Kunden hat uns schon viel Spaß gemacht. Aber das, was der Kunde nicht sieht, der ganze bürokratische Aufwand vor allem für das Finanzamt – das hat schnell unsere Kräfte überstiegen.“ Dazu kamen gesundheitliche Probleme von Meik Endres, die mit OP und Reha behoben werden sollten. „Allein im Laden – das hätte ich nicht geschafft. Und die Wärme im Süden tut den Knochen gut.“

Also erinnern sich Ina und Meik Endres an ihren eigentlichen Traum, auszuwandern. „2014 hatten wir auf dem Damm alles abgeschlossen und lebten schon mal für drei Monate auf La Gomera. Das hat uns gut gefallen, aber wegen der bürokratischen Hürden zur Eröffnung eines Lokals sind wir dann zurück gekommen und haben versucht, hier mit diversen Dingen unseren Lebensunterhalt zu finanzieren.“ Seine Montagearbeit als Betonbohrer hatte Meik Endres aufgegeben.

Große Ansprüche haben Endres‘ nicht. Zuvor hatten sie in einem Bungalow am Schönfelder See gelebt. Die Doppelhaushälfte auf dem Damm sollte eigentlich nur als Lager dienen. Aber je mehr Mühe sie in die Herrichtung investierten, desto mehr verliebten sie sich in Haus und Hof, so dass es letztlich auch bequemer war, den Winter hier zu verbringen. Und im Juni 2013 stand der Bungalow zwei Meter tief im Wasser – da blieb nur der Abriss. Aus dem Damm wurde nun das richtige Zuhause für den Stendaler und die gebürtige Süddeutsche, die seit 2006 ein Paar sind.

Als aus der vagen Idee, auszuwandern, handfeste Pläne wurden, ging die Suche nach einem Nachmieter für das Schönhauser Geschäft los. Mit Judith Tilgner wurde jemand gefunden, der künftig alle Angelegenheiten rund um Post, Lotto, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher ... anbietet.

Frühestmöglicher Übergabetermin: 31. Juli. Als der feststand, machten die beiden Mittfünfziger Nägel mit Köpfen: sie verkauften alles, was sich im Laufe der rund fünf Jahre auf dem Damm angesammelt hat, erledigten unzählige Behördengänge, suchten einen Nachmieter für das Haus und kauften ein Wohnmobil. Der hat den Spitznamen „Esel“. Nicht nur, weil vorn über der Frontscheibe so ein Tier aufgedruckt ist, sondern auch, weil er schon ein alter „Esel“ ist. Denn das Mobil ist 38 Jahre alt, hat unzählige Kilometer auf dem Buckel. Überbelastet werden darf er nicht. Deshalb geht es auch nur täglich für zwei Stunden auf die Straße, den Rest des Tages kann sich „Esel“ ausruhen. „So lernen wir auch gleich noch ein bisschen mehr von Deutschland kennen, sonst fährt man ja immer nur vorbei.“ Meik Endres erzählt, dass es über Frankreich nach Spanien geht, hier in den Süden des Landes und dann nach Portugal. „Ende September, Anfang Oktober sind wir dann wohl da“, so der Plan. Aber für die beiden ist der Weg das Ziel, „es eilt nichts, wir haben keine Termine, können alles so machen, wie wir wollen.“

In Portugal gibt es eine Anlaufstelle – der Verkäufer von „Esel“ lebt hier. Überwintern wollen Endres‘ vielleicht in Marokko, „mal sehen, wie kalt es in Portugal wird“. Langfristig ist eher Südspanien die Region, in der sich das Ehepaar zu Hause sieht. „Wir bleiben mit unserem Wohnmobil solange an einer Stelle, wie es sich anbietet: entweder eine Woche, drei Monate oder vielleicht auch ein Jahr, das wird sich zeigen.“

Auch wenn sie kleine Einnahmen aus den Mieten und auch etwas Gespartes haben, so wollen die Weltenbummler hier und da ihr Geld verdienen – bei der Weinlese, auf dem Reiterhof, mit Deutschunterricht – „wir können alles und sind uns für keine Arbeit zu schade. Und viel brauchen wir ja nicht. Essen für uns und unsere Hündin Mia, die übrigens über eine spanische Tierschutzorganisation nach Deutschland gekommen ist.“ Mit „Esel“ wollen sie nur, wenn sie mal duschen oder größere Wäsche machen wollen, auf gut ausgebauten Campingplätzen stehen, „das wird sonst zu teuer“.

Ansonsten ist alles Nötige an Bord: Kühlbox, Kochgelegenheit, Wasserfilteranlage, Nasszelle, Bett, Schrank und Sitzgruppe. Solar auf dem Dach des Wohnmobils sorgt für etwas Strom für die Kühlbox und zum Aufladen von Handy und Laptop. Denn Endres‘ wollen Reiseblog führen und andere so an ihren Erlebnissen teilhaben lassen.

Ein wenig Spanisch haben die Auswanderer gelernt, „Portugiesisch noch nicht. Je nachdem, wo wir bleiben, werden wir auch die Sprache lernen.“

Schwer fällt trotz aller Freude auf das, was kommt, die Trennung von Freunden und Bekannten, mit denen sie auch auf die Entfernung Kontakt halten wollen. Und der eine oder andere Besuch von Freunden und Kindern ist auch schon geplant.

Auch wenn Ina und Meik Endres ohne Wehmut aufgebrochen sind, so lassen sie sich mit dem vermieteten Haus auf dem Damm und der Ferienwohnung in Scharlibbe doch ein Hintertürchen nach Deutschland offen. „Man weiß nie, was im Leben so passiert. Vielleicht bleiben wir für immer weg, vielleicht kommen wir in zehn Jahren wieder, vielleicht in drei.“

Wer den Auswanderern im Internet folgen will, kann das unter mitdemeselunterwegs.wordpress.com