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Deichbruch Fischbeck Hochwasserschutz muss solidarisch sein

Bundesumweltministerium Barbara Hendricks hat die Deichbaustelle besichtigt und sich über die Beseitigung der Flutschäden informiert.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 14.08.2017, 18:00

Fischbeck l „Sie haben mich sehr beeindruckt und mir ein neues, anschaulicheres Bild auf den Deichbruch 2013 gegeben.“ Das sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gestern Nachmittag bei ihrem Besuch in Fischbeck, wo vor gut vier Jahren der Elbdeich gebrochen war. Nicht nur die Ereignisse der Nacht zum 10. Juni 2013, die Evakuierung der Menschen und das waghalsige Versenken der drei Schuten zum Verschließen der Bruchstelle waren Themen der Gesprächsrunde, sondern vor allem auch die Konsequenzen, die aus der Katastrophe gezogen werden.

Bürgermeister Bodo Ladwig hieß die Bundesministerin, die die Bundestagsabgeordnete Marina Kermer (SPD) ein Stück auf ihrer Sommerreise begleitete, im Haus der Vereine willkommen. Das ist nach der Flut wie schon viele andere Gebäude und Straßen im Elbe-Havel-Land saniert worden, „beachtlich, was in vier Jahren bereits behoben worden ist“. Doch dass es noch viel zu tun gibt, erklärte unter anderem Bernd Witt, zum Zeitpunkt des Deichbruchs Verbandsbürgermeister.

Er zeigte sich genau wie Bodo Ladwig sehr dankbar für die Bundesprogramme zum Wiederaufbau. Und Bodo Ladwig bedankte sich im Namen der Bürger „bei den tausenden Helfern, die freiwillig zugepackt haben“. Großartig sei auch die koordinierende Hilfe aller Institutionen gewesen. „Vielen Dank, dass alles Zugesicherte eingetroffen ist.“ Bodo Ladwig riss kurz die 15 Millionen Euro an Schäden an, die allein in vier Ortsteilen seiner Gemeinde entstanden sind. Bernd Witt ging auf die psychologische Hilfe ein, die die Menschen im Elbe-Havel-Land nötig hatten. Sehr hilfreich sei bei der Bewältigung beispielsweise die Kunsttherapie der Caritas gewesen. Deren Vertreterin Susanna Erbring, Abteilungsleiterin Beratende Dienste und Gefährdetenhilfe, erinnerte an die große Spendenbereitschaft und die Verteilung dieser Mittel, an die Baubetreuung, die Hilfe bei der Antragstellung auf Hochwasserhilfen bei der Investitionsbank und eben an die Kunsttherapie, die zum Ende des vergangenen Jahres eingestellt werden musste.

Auch Frank Latuske, Vorstandsvorsitzender des DRK-Kreisverbandes Stendal, ließ die teilweise dramatische Evakuierung noch einmal Revue passieren, berichtete vom Umzug von rund 300 Bewohnern aus den drei Altenheimen und der Unterbringung in den Notunterkünften. Ihm ist die Aufklärung der Bevölkerung ein wichtiges Anliegen, „die Gefahr ist teilweise unterschätzt worden“. Künftig wichtig sei die psychische Betreuung der Menschen in den Notunterkünften, „denn sie wissen nicht, was sie erwartet, wenn sie nach Hause kommen.“

So eine gute Zusammenarbeit, wie sie sich bei der Flutbewältigung gezeigt hat, wünscht sich auch die neue Verbandsbürgermeisterin Steffi Friedebold für die Zukunft und wandte sich dabei nicht nur an die Hilfsorganisationen, sondern auch an Bundeswehr, THW und Kreisbrandmeister Ringhard Friedrich.

Dieser sagte: „Die Hilfe, die hier vor allem von Bundeswehr und THW geleistet worden ist, ist nicht mit Geld aufzuwiegen.“ Und: „Der Deich würde ein zweites Mal brechen, wenn man die Ereignisse ad acta legen würde. Das ist hier nicht passiert.“ Die Verantwortlichen vor Ort sind sensibilisiert, und es gibt regelmäßig Katastrophenübungen.

Der Bundesministerin gab er mit auf den Weg, dass die Finanzzuweisungen für die Feuerwehren nicht eingedampft werden dürfen, damit die Wehren flächendeckend erhalten bleiben – das sei nur mit entsprechender Technik und vor allem einsatzfähigen Fahrzeugen möglich.

Manfred Metzger, der Landesbeauftragte des THW Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin, sprach die großen Kernkompetenzen an, die das THW erworben hat und ständig weiterentwickelt, um gerade bei Großschadensereignissen zu helfen. „Wichtig ist, die Menschen vor Ort einzubeziehen. Im Falle des Hochwasserschutzes heißt es auch, den Menschen zu zeigen, wie man Sandsäcke richtig verbaut.“

Oberst Claus Körbi, Kommandeur im Landeskommando Bremen (vorher Kommandeur im Landeskommando Sachsen-Anhalt) schilderte noch einmal das „Wunder von Fischbeck“ – wie es durch das Zutun vieler geschafft wurde, mit dem Versenken von insgesamt drei Schuten die Bruchstelle zu verschließen. Insgesamt waren beim Hochwasser 2013 in ganz Sachsen-Anhalt 7000 Soldaten im Einsatz, die meisten in Magdeburg, um Rothensee zu retten – mit Erfolg. Am Ende war auch die Aktion in Fischbeck von Erfolg gekrönt: Nachdem die dritte Schute sechs Tage nach dem Deichbruch versenkt war, sank das Wasser in Fischbeck in vier Stunden um 60 Zentimeter. „Wir als Bundeswehr haben beim gesamten Hochwasser­einsatz unter Beweis gestellt, dass wir es können!“ richtete er die Bitte an die Ministerin, dass bei der Bundeswehr nicht weiter gespart werden darf.

Barbara Hendricks versicherte, sich weiter für den Hochwasserschutz stark zu machen. Unter ihrer Führung wurde das Hochwasserschutzgesetz verabschiedet. „Wir müssen den Flüssen mehr Raum geben, vor allem den fünf großen Elbe, Donau, Rhein, Weser und Oder. Über Ländergrenzen hinweg muss es einen solidarischen Hochwasserschutz geben, die Maßnahmen müssen allen zugute kommen. Im Sinne des Schutzes von Leben, Hab und Gut müssen alle an einem Strang ziehen.“ In 20 Jahren will die Bundesregierung 1200 Millionen Euro investieren in 226 Einzelmaßnahmen, darunter 32 Deichrückverlegungen, „der Bund zieht sich nicht aus seiner Verantwortung zurück“.

Nach der Gesprächsrunde ging es raus zur Deichbruchstelle. Hier erinnert nichts mehr an die Katastrophe, der Deich wird gerade neu gebaut und ist an dieser Stelle bereits so gut wie fertig.