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Fachvortrag Windräder gefährden Rotmilan-Bestände

14 Jahre hatte Stefan Fischer in der Vogelschutzwarte Steckby gearbeitet. Er informierte in Ferchels über die Vogelwelt im Bundesland.

Von Ingo Freihorst 29.08.2017, 01:01

Ferchels l Jeden letzten Sonntag im Monat laden die Bürgerini­tiative gegen das Steinkohlekraftwerk Arneburg und die Naturfreunde zu einem Vortrag nach Ferchels ins Naturfreundehaus. Diesmal war Fachbereichsleiter Stefan Fischer vom Biosphärenreservat "Mittelelbe" zu Gast, sein Arbeitsplatz befindet sich nicht weit entfernt vom Naturfreundehaus.

Im Mittelelbe-Biosphärenreservat wurden bislang 315 Vogelarten nachgewiesen, das sind etwa zwei Drittel aller in Deutschland vorkommenden Arten. Das Reservat bietet ihnen vielfältige Lebensräume sowie mit Überflutungen und Trockenphasen dynamische Landschaften an der Elbe.

Vor allem an Elbe und Havel können viele Arten beo­bachtet werden – darunter auch etliche gefährdete. Der Schutz der Vogelwelt sei formal gut, in der Praxis allerdings völlig unzureichend – so das Fazit von Stefan Fischer.

Es gibt Studien, wie zum Weißstorch, welche bescheinigen, dass im Reservat mit im Schnitt 1,88 Jungen pro Horst eine bessere Bilanz gezogen werden kann als außerhalb, wo nur 1,73 Jungvögel aufgezogen werden. Vor drei Jahren war der Bestand an Adebaren mit 654 Brutpaaren im Bundesland so hoch wie nie: Die erste deutschlandweite Zählung hatte 1934 stattgefunden. In Brandenburg und Mecklenburg ist die Art allerdings im Rückgang.

Stabile Bestände hat die Trauerseeschwalbe, welche ohne die Hilfe des Menschen in der Region nicht mehr existent wäre: Einst legte sie ihre Eier auf Blätter von Krebsscheren, weil diese kaum noch vorhanden sind, müssen künstliche Nisthilfen ausgebracht werden. Vor allem in der Elb-Havel-Region gibt es viele Brutpaare.

Dank des enorm gestiegenen Fischangebots ist auch die Fischadlerpopulation angewachsen. Der Vogel ist zudem flexibel, er brütet zunehmend auf Masten – hier können Marder und Waschbär die Gelege nicht plündern.

Arge Probleme hat hingegen der Seeadler. Etliche Vögel starben an Bleivergiftungen, hervorgerufen durch die Schrotladungen der Jäger. Etliche angeschossene Gänse tragen Bleipartikel in sich, irgendwann ist die Dosis für den Adler tödlich. Zudem verzeichnet die Art ebenso wie Mäusebussard oder Rotmilan enorme Verluste durch Windräder.

Eine Studie belegt, dass drei Prozent des Rotmilan-Nachwuchses sowie sieben Prozent beim Bussard durch Windräder getötet werden. Sachsen-Anhalt ist Rotmilan-„Hochburg“ in Deutschland. Die Ornithologen fordern darum einen Mindestabstand der Anlagen von 1,5 Kilometern zu bekannten Nestern. Beim Seeadler müssten es sogar drei Kilometer sein. Dramatisch ist beim Rotmilan, dass wohl auch viele Alttiere getötet werden – somit würde die Art noch schneller aussterben. Derzeit läuft im Landkreis ein Modellversuch: Nähert sich ein größerer Vogel, drehen sich die Rotoren langsamer.

In der Region kaum noch vorhanden ist der Brachvogel. 1991 wurden im Bundesland noch 160 Brutpaare gezählt, vor kurzem waren es lediglich 50. Im Reservat sind nicht mal mehr zehn Vögel heimisch. Die Wiesen fallen zu zeitig trocken aus, so dass der Vogel mit seinem langen Schnabel keine Würmer mehr aus der Erde ziehen kann. Dasselbe trifft auf die Bekassine zu, welche wegen ihres durch Flügelschlagen verursachten typischen Geräuschs auch als „Himmelsziege“ bekannt ist.

Überhaupt setzt die intensive Landwirtschaft der Vogelwelt arg zu: In den Monokulturen von Mais und Raps findet sich kaum noch Nahrung, zudem werden hier auch die Insekten rigoros bekämpft. Darum verschwanden auch Kampfläufer und Uferschnepfe.

Der Kormoran sei übrigens keine eingewanderte Art, stellte Stefan Fischer klar. Bereits in einem Fachbuch aus dem 16. Jahrhundert wird die Art beschrieben. In Steckby wurden über 100 tote Kormorane untersucht, seltene Äschen oder Barben fanden sich nicht in deren Mägen.

Im Bundesland gibt es 32 Vogelschutzgebiete, davon liegen sieben im Reservat – unter anderem die Untere Havel und der Schollener See. Letzerer ist allerdings ornithologisch kaum noch von Bedeutung: Wegen des Minks sind die Lachmöwenkolonien auf den schwimmenden Inseln erloschen.